Erweiterte Pflichten bei Geschäften mit nahestehenden Personen
Von Stefan Suchan und Andrea Bruns *)Am 14. November 2019 hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie (Arug II) verabschiedet, der voraussichtlich zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Das Gesetz will die Mitspracherechte von Aktionären stärken und die Transparenz verbessern, unter anderem bei Geschäften mit nahestehenden Personen, sogenannte Related Party Transactions. Diese Transparenz soll unter Einbindung des Aufsichtsrates erreicht werden: Das Arug II begründet für börsennotierte Gesellschaften in den §§ 111a-111c Aktiengesetz neue Fassung gesetzliche Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates sowie eine anschließende Veröffentlichungspflicht des Vorstands.Für die Frage, wann der Geschäftspartner der Aktiengesellschaft eine “nahestehende Person” ist, verweist die aktienrechtliche Regelung des § 111a Abs. 1 S. 2 AktG n.F. auf die internationalen Rechnungslegungsstandards (zu nennen ist IAS 24.9), sicherlich ein Novum im deutschen Gesellschaftsrecht. Ausgenommen sind Geschäfte mit Tochterunternehmen, die unmittelbar oder mittelbar in 100-prozentigem Anteilsbesitz des betreffenden Mutterunternehmens stehen, sowie marktübliche (Austausch-)Geschäfte, unter die auch typische konzerninterne Geschäfte wie ein Cash Pooling fallen können.Eine Related Party Transaction bedarf der Zustimmung, wenn der wirtschaftliche Wert des Geschäfts selbst oder das Geschäft, zusammen mit innerhalb des laufenden Geschäftsjahres mit derselben Person getätigten Geschäften, die Wesentlichkeitsschwelle von 1,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen des letzten Jahresabschlusses übersteigt.Das Geschäft muss mit allen wesentlichen Informationen “unverzüglich” auf der Internetseite der Gesellschaft und in anderen leicht zugänglichen Medien (etwa fachspezifischen Printmedien) veröffentlicht werden. Übersteigt das Geschäft nur in Aggregation mit weiteren Geschäften die Wesentlichkeitsschwelle, sind zu diesem Zeitpunkt sämtliche aggregierte Geschäfte (quasi “rückwirkend”) zu veröffentlichen. Im Konzern ist zudem zu beachten, dass auch Related Party Transactions von Tochtergesellschaften zu veröffentlichen sind, sofern diese für die Muttergesellschaft selbst zustimmungspflichtig wären. Fortlaufender MeldeprozessAuf die Adressaten der Regelungen kommt also Arbeit zu. Um die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen und drohende finanzielle Nachteile zu vermeiden, sind die Organe börsennotierter Gesellschaften gut beraten, interne Prozesse zur fortlaufenden Erfassung, Bewertung und – soweit erforderlich – Zustimmung und Veröffentlichung von Related Party Transactions zu implementieren.Unternehmen sollten einen fortlaufenden Meldeprozess etablieren, um potenzielle Related Party Transactions anhand eines auf Basis der maßgeblichen Standards erstellten Katalogs zu identifizieren. Geschäfte, die den Ausnahmen der § 111a Abs. 2 und 3 AktG n.F. unterfallen, sind auszusondern. Für die Frage, ob Geschäfte im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs und zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen worden sind, ist ein internes Verfahren zu installieren.Regelmäßig kann dabei auf Informationen zurückgegriffen werden, die beispielsweise den Angaben im Anhang zum Jahresabschluss zu Geschäften mit nahestehenden Personen oder den Ausführungen im Abhängigkeitsbericht zugrunde liegen. Sodann ist zu bestimmen, ob der Schwellenwert von 1,5 % überschritten wird, wobei die Wertzusammenrechnung von Geschäften innerhalb eines Geschäftsjahres zu beachten ist. Sämtliche Prüfungsschritte und Maßnahmen sind dezidiert zu dokumentieren.Für jene Geschäfte, die dem Aufsichtsrat vorzulegen sind, ist ein Zustimmungsverfahren zu etablieren, gegebenenfalls verbunden mit der Einrichtung eines Ausschusses. Im Hinblick auf Fragen der Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Ausschuss werden regelmäßig Ergänzungen oder Anpassungen der Geschäftsordnungen notwendig sein. In jedem Fall ist durch entsprechende Prozesse sicherzustellen, dass Aufsichtsratsmitglieder, bei denen ein Interessenkonflikt bestehen könnte, vom Beratungs- und Abstimmungsprozess ausgeschlossen sind. Stimmt der Aufsichtsrat nicht zu, kann die Hauptversammlung eingebunden werden (sogenannte Whitewash-Option). InformationsvorgabenVon ebenso großer Bedeutung ist die Pflicht zur “unverzüglichen” Veröffentlichung. Die notwendigen Informationen müssen – konzernweit – vorgehalten werden, um sie binnen vier Handelstagen nach Abschluss des Geschäfts veröffentlichen zu können. Dies erfordert im Hinblick auf die Aggregationsregeln eine laufende Erfassung auch von Geschäften unterhalb der relevanten Wesentlichkeitsschwelle, um für “den Fall der Fälle” gerüstet zu sein. Ist das veröffentlichungspflichtige Geschäft zugleich eine Insiderinformation nach der Marktmissbrauchsverordnung, sind die nach § 111c AktG erforderlichen Angaben zur Angemessenheit des Geschäfts in die Ad-hoc-Mitteilung zu integrieren. *) Dr. Stefan Suchan ist Partner und Leiter Gesellschafts- und Handelsrecht, Andrea Bruns Senior Manager der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft.