RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTOF-ULRICH GOLDSCHMIDT UND SUSANNE WERRY

Erwerb von Big-Data-Unternehmen birgt Risiken

Neues Sanktionsregime mit hohen Bußgeldern - Compliance-Garantien üblich

Erwerb von Big-Data-Unternehmen birgt Risiken

– Frau Werry, Herr Goldschmidt, inwieweit ist Big Data ein wesentlicher Treiber für M&A-Transaktionen?Goldschmidt: In unserer digitalen Welt sind Daten zu einer eigenen Asset-Klasse geworden. Vor allem Kundendaten haben für Unternehmen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert für die persönliche Werbeansprache, aber auch um die eigene Produktentwicklung noch besser an den Kundenwünschen und -gewohnheiten auszurichten.- Kann man Daten, insbesondere Kundendaten, einfach kaufen?Werry: Grundsätzlich ist das schon möglich, obwohl es im deutschen Recht kein Eigentum an Daten gibt. Zu beachten sind hier neben dem Datenschutzrecht auch das Recht des unlauteren Wettbewerbs, das Urheberrecht und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Eine Übertragung der Daten im Rahmen des Verkaufs ist oft nur mit Einwilligung beziehungsweise Information mit Einräumung einer Widerspruchsmöglichkeit der betroffenen Personen zulässig. Dies wurde im Sommer 2015 von der bayerischen Aufsichtsbehörde bestätigt, die ein fünfstelliges Bußgeld verhängte.- Wäre es dann nicht einfacher, das Unternehmen zu kaufen, das die Daten nutzt?Goldschmidt: Der sogenannte Share Deal ist in der Tat vorzugswürdiger, weil sich der aus datenschutzrechtlicher Sicht Verantwortliche nicht ändert und keine personenbezogenen Daten an einen Dritten übertragen werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Käufer der Gesellschaftsanteile mit den personenbezogenen Daten alles machen kann, was er möchte. Der Käufer muss prüfen, ob sich die Befugnisse der Gesellschaft mit seinen Plänen decken. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten muss sich in dem erlaubten Rahmen halten.- Welche rechtlichen Konsequenzen würde das sonst auslösen?Werry: Verstöße gegen das Datenschutzrecht können durch das neue Sanktionsregime der Datenschutzgrundverordnung beträchtliche Folgen für Käufer und Verkäufer haben. An erster Stelle stehen die hohen Bußgelder, die bis zu 4 % des gesamten weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres oder 20 Mill. Euro betragen können, je nachdem welcher Betrag höher ist. Auch die betroffenen Personen könnten Schadensersatzansprüche geltend machen. Im allerschlimmsten Fall drohen strafrechtliche Konsequenzen. Nicht zu vernachlässigen sind die immensen, gegebenenfalls existenzbedrohenden Reputationsschäden.- Auf was sollten Unternehmen also achten?Goldschmidt: Vor dem Erwerb eines Big Data Unternehmens sollte der Käufer im Rahmen seiner Due Diligence auch die Compliance mit Datenschutzrecht, Kartellrecht und Cyber Security prüfen. So sollten unter anderem die Prozesse des Zielunternehmens untersucht werden, ob die Daten gemäß den bestehenden Einwilligungen verarbeitet werden und ob sie gegen unberechtigte Offenlegung gesichert sind. Ein unternehmensweites Compliance-Management-System, das auch Datenschutz umfasst, ist wichtig, weil Unternehmen nach dem neuen Datenschutzrecht aktiv nachweisen müssen, dass sie Datenschutz compliant sind (sogenannte Rechenschaftspflicht). Wenn das Zielunternehmen den Ansatz “grow first, comply later” verfolgt hat, sollten beim Käufer alle Warnleuchten angehen.- Kann sich der Käufer vertraglich gegen Risiken absichern?Werry: Es ist absolut üblich und wichtig, dass der Käufer sich vom Verkäufer Compliance-Garantien geben lässt. Wenn im Rahmen der Unternehmensprüfung spezifische Risiken erkannt worden sind, werden diese bei der Bewertung berücksichtigt oder der Verkäufer stellt den Käufer im Kaufvertrag von diesen Risiken frei.- Gibt es weitere Punkte, auf die Unternehmen achten sollten?Goldschmidt: Hinter den automatisierten Prozessen zur Datenverarbeitung stehen hochqualifizierte Mitarbeiter, die die softwaregestützten Analysen entwickelt haben und die Systeme kennen. Wenn ein Käufer das Know-how dieser Mitarbeiter nach dem Erwerb des Unternehmens nutzen möchte, sollte er durch vertragliche (Incentive-)Regelungen Anreize schaffen, damit ihm diese Mitarbeiter erhalten blieben.—-Dr. Christof-Ulrich Goldschmidt ist Partner und Susanne Werry ist Senior Associate im Frankfurter Büro von Clifford Chance. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.