Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Hartmut Krause

Erwerbe von Firmen aus der Insolvenz stehen unter hohem Zeitdruck

Käufer muss Risiken übernehmen - Ausländische Einheiten stabilisieren

Erwerbe von Firmen aus der Insolvenz stehen unter hohem Zeitdruck

Herr Dr. Krause, Sie haben Pamplona Capital Management beim Kauf des Automobilzulieferers TMD Friction vom Insolvenzverwalter beraten. Was ist beim Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz zu beachten?Beim Unternehmenskauf vom Insolvenzverwalter gibt es mehrere Besonderheiten. Wenn es sich bei dem insolventen Unternehmen um eine Unternehmensgruppe mit mehreren inländischen und ausländischen Tochtergesellschaften handelt, besteht eine der wichtigsten Aufgaben des Verwalters darin, den Zerfall der Gruppe zu verhindern. Der Zerfall droht dann, wenn ausländische Tochtergesellschaften ebenfalls insolvent werden und Insolvenzverfahren nach dem jeweils anwendbaren ausländischen Recht durchgeführt werden müssen. Ein ausländischer Insolvenzverwalter unterliegt den Pflichtenbindungen des für ihn geltenden ausländischen Insolvenzrechts und könnte daher gezwungen sein, eine in seinem Land gelegene Produktionsstätte an den Meistbietenden zu verkaufen. Das muss nicht derjenige sein, der den höchsten Preis für die gesamte Unternehmensgruppe zu zahlen bereit ist. Folglich muss der an der Konzernspitze eingesetzte Verwalter, wenn irgend möglich, die ausländischen Töchter stabilisieren, um konkurrierende Insolvenzverfahren zu verhindern. – Wie wird der Erwerb strukturiert, wenn das gelingt?Das Unternehmen der insolventen deutschen Gesellschaften wird regelmäßig im Wege der “übertragenden Sanierung” erworben. Dabei erwirbt der Käufer die Vermögensgegenstände der insolventen Unternehmen im Wege eines “asset deal”; ihre Verbindlichkeiten lässt er zurück. Die Vertragsbeziehungen und die Arbeitnehmerschaft der insolventen Unternehmen können mit den Instrumenten des Insolvenzrechts so zugeschnitten werden, dass überlebensfähige Einheiten entstehen. Die solventen ausländischen Gesellschaften kann der Käufer im Wege von “share deals” erwerben. – Kann der Käufer das Unternehmen so frei von Kreditsicherheiten der Gläubiger erwerben?Die Insolvenzordnung gibt dem Verwalter die Möglichkeit, die Vermögensgegenstände des insolventen Unternehmens so zu verwerten, dass der Käufer sie lastenfrei erwerben kann. An die Kreditsicherheiten, die von solventen Tochtergesellschaften bestellt worden sind, kommt der Verwalter jedoch nicht heran. Das hat in der Praxis erhebliche Bedeutung, denn häufig findet der Käufer eine Situation vor, in der die Tochtergesellschaften Sicherheiten für den Kredit der Muttergesellschaft gestellt haben. Der Käufer muss zusehen, dass diese Sicherheiten aufgehoben werden. Hierüber muss er mit den Gläubigern verhandeln. – Die Kredite sind üblicherweise an eine Vielzahl von Gläubigern syndiziert; häufig haben die ursprünglichen Gläubiger ihre Tranchen weiterverkauft. Haben die von Ihnen angesprochenen Verhandlungen Aussicht auf Erfolg, wenn sich die Gläubiger uneinig sind? Das ist immer wieder eine spannende Angelegenheit. Die marktüblichen Kredit- und Interkreditoren-Verträge sehen Mechanismen vor, mit denen eine qualifizierte Mehrheit von Gläubigern, die sich einig ist, den übrigen Gläubigern ihren Willen aufzwingen und die Freigabe von Sicherheiten veranlassen kann. Wenn nichts anderes hilft, müssen diese Zwangsmechanismen genutzt werden. Dabei stehen alle Beteiligten unter großem Druck. Die Chance, dass das Unternehmen als Ganzes verkauft wird und ein Kaufpreis erheblich oberhalb des Zerschlagungswerts realisiert wird, besteht oft nur für kurze Zeit. – Wie sieht es mit Gewährleistungen des Insolvenzverwalters aus?Der Insolvenzverwalter gibt normalerweise überhaupt keine Gewährleistungen. Der Käufer muss sich daher darauf einstellen, dass er die Risiken des insolventen Unternehmens übernehmen muss. Allerdings wird er deswegen erhebliche Kaufpreisabschläge vornehmen. Im Ergebnis kommen so beim Erwerb aus der Insolvenz erheblich niedrigere Kaufpreise zustande als beim Erwerb eines solventen Unternehmens. —- Dr. Hartmut Krause ist Partner bei Allen & Overy in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.