Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Kai-Uwe Steck

"Es wird spannend, ob die BaFin vor großen Namen zurückschreckt"

EuGH steckt Grenze für ausländische Finanzdienstleister enger - Aufsicht gefragt

"Es wird spannend, ob die BaFin vor großen Namen zurückschreckt"

Der EuGH hat die Grenzen für ausländische Bank- und Finanzdienstleistungsinstitute höher gezogen. Deutschland darf Instituten, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, untersagen, in Deutschland Geschäfte abzuwickeln. Auf die europäische Dienstleistungsfreiheit kann sich ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat nicht berufen. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg jetzt entschieden (Rechtssache C-452/04 v. 3. 10. 06). Die Börsen-Zeitung befragte Rechtsanwalt Dr. Kai-Uwe Steck von der Sozietät Dewey Ballantine dazu. – Herr Dr. Steck, worum geht es?Der Fall betrifft einen Streit zwischen der Fidium Finanz AG, einem Schweizer Finanzintermediär, und der deutschen Finanzaufsicht. Die BaFin hat dem Schweizer Unternehmen per Verwaltungsakt untersagt, an deutsche Kunden im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs über das Internet Kredite auszureichen. Die Behörde ist der Ansicht, dass dafür eine deutsche Bankerlaubnis benötigt werde. Das mit dem Rechtsstreit befasste Frankfurter Verwaltungsgericht hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der Behördenentscheidung mit dem Europarecht, insbesondere der Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit, und legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. – Der EuGH stützt in dem Urteil die BaFin. Ja. Die Erbringung von Finanzdienstleistungen in Form gewerbsmäßiger Kreditvergabe unterliege vorrangig dem freien Dienstleistungsverkehr. Auf diesen könnten sich nur Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat berufen. Die gleichzeitige Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, die auch für Unternehmen mit Sitz außerhalb der Union gelte, trete hinter die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit zurück. – Sind davon mehr Fälle betroffen?Das Urteil hat eine besondere Tragweite für Bank- und Finanzdienstleistungsinstitute mit Sitz in Drittstaaten; dazu zählen namhafte Wirtschaftsnationen wie die USA, Kanada, Japan, Australien und die Schweiz. Grundsätzlich dürfen solche Unternehmen in Deutschland ohne Erlaubnis grenzüberschreitend keine Bankgeschäfte betreiben und Finanzdienstleistungen erbringen – so viel steht jetzt wohl fest. Um die erforderliche Erlaubnis zu bekommen, müssen sie eine Niederlassung im Inland errichten. – Wie wird die BaFin aufgrund des Urteils in der Frage agieren? Es ist in Fachkreisen ein offenes Geheimnis, dass die BaFin zuletzt mit angezogener Handbremse agierte, wenn es darum ging, grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen von Drittstaateninstituten zu untersagen. Einige Anbieter haben sich ob dieser Tatsache auch schon sicher gefühlt und das Thema etwas vernachlässigt. Es ist wahrscheinlich, dass die BaFin jetzt mit dem Urteil im Rücken die Handbremse löst. Aus Rechtsgründen darf die Behörde dabei nicht willkürlich vorgehen, indem sie sich nur auf die vermeintlich “Schwarzen Schafe” unter den Anbietern konzentriert; man darf gespannt sein, ob die BaFin auch vor großen Namen nicht zurückschreckt. – Ist unter den Drittstaaten insbesondere die Schweiz im Blick, da ja bekanntlich Deutsche dort Schwarzgelder halten?Aus fiskalpolitischer Sicht drängt sich Ihre Frage auf, und darüber wird auch spekuliert, zumal die BaFin rechtlich dem Finanzministerium unterstellt ist. Aber ich bin Jurist und kein Politiker, deshalb kann ich die Frage auch nur so beantworten, dass dieser Beweggrund rechtlich nicht ausschlaggebend sein kann. – Gibt es Ihrer Einschätzung nach eine Lösungsmöglichkeit?Sicherlich gibt es effiziente Lösungsansätze, aber keine Patentrezepte. Es kommt ganz darauf an, welche Form der Bank- oder Finanzdienstleistung in Deutschland erbracht werden soll und ob der Anbieter in seinem Sitzstaat einer effektiven Finanzaufsicht unterliegt. Außerdem lässt sich beispielsweise das Geschäft mit institutionellen Kunden leichter von der Aufsicht freistellen als das Geschäft mit Privatkunden. Will ein Unternehmen hingegen die gesamte Bandbreite von Bank- und Finanzdienstleistungen anbieten, ist zumeist eine Niederlassung in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU unumgänglich. – Wie sähen diese aus, und gibt es dafür schon Vorbilder?Ja, genügend. Ein vorsichtiger Bankvorstand hat sicherlich nicht die EuGH-Entscheidung abgewartet, sondern nach Alternativen gesucht. Schließlich ist unerlaubtes Bankgeschäft in Deutschland strafbar. Eine Niederlassung in Deutschland ist nicht gleichbedeutend mit einer großen und kostspieligen Einheit. Es gibt durchaus von der BaFin anerkannte Auslagerungslösungen, die zum einen mit wenig Manpower und Kapital die aufsichtsrechtlichen Erfordernisse erfüllen und zum anderen eine gute Basis für das zukünftige Deutschlandgeschäft bieten.Dr. Kai-Uwe Steck ist Rechtsanwalt und Partner bei Dewey Ballantine LLP in Frankfurt und London.Die Fragen stellte Walther Becker.