RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEPHAN MÜLLER

EU-Embargo gegen Iran wirkt wesentlich weiter als bekannt

Deutsche Unternehmen wiegen sich bisher in trügerischer Sicherheit

EU-Embargo gegen Iran wirkt wesentlich weiter als bekannt

Herr Müller, die angespannte politische Lage in Iran und Syrien hat zu UN-Maßnahmen gegen die Länder geführt, die auch für deutsche Unternehmen gravierende Folgen haben. Welche sind das?Die UN hat umfassende Wirtschaftssanktionen gegen diese Länder verhängt, die von der EU in Verordnungen umgesetzt worden sind. Am weitesten reichen die Sanktionen gegen den Iran, aber auch im Verhältnis zu Syrien existiert ein ausgefeilter Katalog von Maßnahmen. Danach sind zum Beispiel die Lieferung bestimmter Waren und das Unterhalten von Geschäftsbeziehungen zu bestimmten natürlichen und juristischen Personen verboten. Im Zahlungs- oder Reiseverkehr gibt es zahlreiche Beschränkungen. Die Vorschriften sind komplex und werden zudem immer wieder geändert. Verstöße gegen die Embargos sind als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit hohen Bußgeldern bedroht.- Wie hat die deutsche Wirtschaft auf die Sanktionen reagiert?Viele Unternehmen haben wegen der komplexen Lage und der damit verbundenen Risiken beschlossen, generell mit Unternehmen aus diesen Ländern keinerlei Geschäftsbeziehungen mehr zu unterhalten. Laufende Verträge wurden und werden beendet – wobei der Ausstieg sich als rechtlich problematisch darstellen kann. Neugeschäft wird durch die Unternehmensleitung untersagt. Damit wollen die Unternehmen absolute Compliance herstellen, ohne ein ausdifferenziertes System interner Kontrollen etablieren und verwalten zu müssen. Doch diese Hoffnung ist trügerisch.- Warum? Ein genereller Geschäftsabbruch mit Unternehmen aus diesen Ländern müsste doch ausreichen.Leider nein. Die Vorschriften der Embargoverordnungen gegenüber dem Iran und Syrien enthalten eine eher unauffällige Bestimmung im Definitionsteil, die die Situation noch komplexer werden lässt. Praktisch alle Verbote und Restriktionen richten sich gegen “iranische Personen” bzw. “syrische Personen” – der Wortlaut und die Problematik sind insofern identisch. Der Begriff der “iranischen Person” ist so definiert, dass davon auch jede juristische Person außerhalb Irans erfasst ist, wenn diese sich im Eigentum oder unter der direkten oder indirekten Kontrolle des iranischen Staates, einer natürlichen Person mit Aufenthalt oder einer juristischen Person mit Sitz in Iran befindet.- Was heißt das?Dies schließt auf jeden Fall die Situation ein, in der die Mehrheit der Anteile an einer deutschen GmbH von einem iranischen Unternehmen gehalten wird. Nach Maßgabe offizieller Stellungnahmen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle können im Einzelfall selbst Minderheitsbeteiligungen erfasst sein. “Iranische Person” kann somit auch der Zulieferer im Nachbarort oder der Kunde in der Türkei sein.- Gibt es denn keine Listen von Personen oder Unternehmen, die man mit den Namen seiner Geschäftspartner abgleichen kann?Die gibt es, sogenannte “black lists”. Diese weisen aber nur die Personen aus, gegen die sich das Embargo unmittelbar richtet; Beteiligungsverhältnisse werden nicht abgebildet. Darüber hinaus muss es sich bei dem iranischen Gesellschafter nicht etwa um ein Unternehmen oder eine Person handeln, die auf einer Verbotsliste steht. Vielmehr bezieht die Definition jede Person mit Sitz oder Aufenthalt im Iran ein, also auch solche, die nicht im Verdacht stehen terroristische Aktivitäten zu fördern. Deshalb werden die Risiken auch nicht durch die – mittlerweile recht verbreitete – Durchführung eines Screenings gegen die sogenannten “Anti-Terror-Listen” abgefangen. Wer hier Risiken vermeiden möchte, muss die Gesellschafterstruktur seiner Geschäftspartner kennen.- Sind Unternehmen verpflichtet, die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Geschäftspartner aktiv aufzuklären?Gerichtsurteile gibt es dazu – soweit ersichtlich – noch nicht. Unternehmen sollten jedoch davon ausgehen, dass sichere Erkenntnisse der Geschäftsführung und von Mitarbeitern in jedem Fall und leicht erreichbare Erkenntnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit berücksichtigt werden müssen. Dazu zählen die Homepage oder der Geschäftsbericht des Geschäftspartners.—-Stephan Müller ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Oppenhoff & Partner, Köln. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.