RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARIO POFAHL

EU harmonisiert Digitalisierung im Gesellschaftsrecht

Brüssel ermöglicht Online-Gründung von Kapitalgesellschaften

EU harmonisiert Digitalisierung im Gesellschaftsrecht

Herr Pofahl, die EU hat eine Richtlinie zum Einsatz digitaler Instrumente im Gesellschaftsrecht verabschiedet. Welche Ziele werden damit verfolgt?Mit der Richtlinie, die bis zum 1. August 2021 umgesetzt werden soll, werden die erheblichen Unterschiede in den Mitgliedstaaten bei der Verwendung digitaler Instrumente und Verfahren im Gesellschaftsrecht harmonisiert. Wirtschaftliche Aktivitäten sollen einfacher sowie zeit- und kosteneffizienter eingeleitet werden. Neu ist insbesondere die Möglichkeit der vollständigen Online-Gründung von Kapitalgesellschaften (GmbH, KGaA und AG). Von der Richtlinie erfasst sind hierbei die Ein- und Mehrpersonengründung, die Bar- und Sachgründung sowie die Gründung durch natürliche und juristische Personen. Daneben ist die Online-Registrierung von Zweigniederlassungen vorgesehen. Welche Auswirkungen erwarten Sie?Wir rechnen damit, dass die Online-Gründung in Deutschland zunächst lediglich für die GmbH ermöglicht wird. Gründer und zu bestellende Geschäftsführer müssen dann künftig nicht mehr persönlich vor dem Notar erscheinen. Das Beurkundungsverfahren wird elektronisch per Videokonferenz zwischen den Beteiligten erfolgen. Auch werden Gründern Musterunterlagen in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung gestellt. Werden diese verwendet, was sich in einfach gelagerten Fällen anbietet, entfällt eine Vorabstimmung der Unterlagen mit dem Notar. Sofern alle Unterlagen vorliegen, soll die Online-Eintragung grundsätzlich innerhalb von zehn Arbeitstagen abgeschlossen sein; bei Gründung durch natürliche Personen unter Verwendung der Muster sogar innerhalb von fünf Arbeitstagen. Wie könnte das Beurkundungsverfahren künftig ausgestaltet sein?Im Rahmen einer Videokonferenz zwischen den Beteiligten nimmt der Notar zunächst eine Prüfung der Identität der Beteiligten mittels eines anerkannten Identifizierungsmittels vor; bei deutschen Beteiligten wäre das der Personalausweis mit eID-Funktion. Es schließt sich die Verlesung der Gründungsurkunde an. Danach wird diese von den Beteiligten und dem Notar qualifiziert elektronisch signiert. Welche Herausforderungen sind damit verknüpft?Der Mehrwert liegt im grenzüberschreitenden Anwendungsbereich, da hier eine Vereinfachung und Beschleunigung der Gründung erreicht werden kann. Im Rahmen der Prüfung der Identität der Gründer schreibt die Richtlinie die Anerkennung der Identifizierungsmittel aus den anderen EU-Mitgliedstaaten vor. Das Schutzniveau ist allerdings nicht in allen EU-Mitgliedstaaten gleich hoch. Die Herausforderungen liegen daher in der Schaffung der rechtlichen und technischen Voraussetzungen bei den Notaren zur Gewährleistung eines schnellen und zugleich zuverlässigen Verfahrens. So muss sichergestellt werden, dass Missbrauchsfälle durch eine Weitergabe des Identifizierungsmittels minimiert werden. Eine weitere Herausforderung stellt die Gewährleistung einer Überprüfbarkeit der audiovisuellen Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Notar während des gesamten Verlesungsvorgangs dar. Dies ist erforderlich, um keine Mängel im Beurkundungsverfahren zu riskieren. Welches Potenzial für die Digitalisierung in Deutschland sehen Sie?Die Richtlinie stellt wichtige Weichen für eine weitere Öffnung des Gesellschaftsrechts im digitalen Zeitalter. Konsequent wäre es, wenn der Gesetzgeber auch die Online-Durchführung sämtlicher notariell beurkundungspflichtiger Maßnahmen, wie Umwandlung, Satzungsänderung, Kapitalerhöhung und Veräußerung von Geschäftsanteilen ermöglichen würde. Auch sollte das Verfahren einer elektronischen Signatur nutzbar gemacht werden, um künftig Verträge und Beschlüsse rechtswirksam elektronisch unterzeichnen zu können. Der Einsatz weiterer digitaler Instrumente, wie der Blockchain-Technologie, beispielsweise im Rahmen der Durchführung von Anteilsübertragungen würde dem Gesellschaftsrecht zusätzliche Impulse verleihen. Folge wäre eine Verringerung von Transaktionskosten und eine effizientere und raschere Abwicklung.Mario Pofahl ist Partner von Linklaters. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.