RECHT UND KAPITALMARKT

EU-Kommission erleidet bittere Niederlage vor Gericht

Verbot der Übernahme von O2 durch CK Hutchison wird für nichtig erklärt

EU-Kommission erleidet bittere Niederlage vor Gericht

Von Andrea Pomana *)Das Gericht der Europäischen Union (“Gericht”) gab am 28. Mai 2020 der Klage von CK Hutchison Holdings (“CK Hutchison”) statt und erklärte den Beschluss der Europäischen Kommission (“Kommission”) für nichtig. Diese hatte die geplante Übernahme von Telefónica UK (“O2”) durch CK Hutchison am 11. Mai 2016 im britischen Mobilfunksektor noch untersagt. Das Gericht trifft eine Grundsatzentscheidung, mit der zum ersten Mal seit 18 Jahren eine fusionskontrollrechtliche Entscheidung der Kommission aufgehoben wird. Es ist auch die erste Entscheidung eines europäischen Gerichts, die sich intensiv mit dem Kriterium der “erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs” (sogenannter SIEC-Test, Significant Impediment of Effective Competition) befasst. Dieses entscheidet, ob ein Zusammenschluss (gegebenenfalls unter Auflagen) freigegeben oder untersagt wird.Das Gericht stimmte mit der Kommission noch überein, dass CK Hutchison und O2 mit einem gemeinsamen Marktanteil von ca. 40 % am britischen Mobilfunkmarkt in der Tat zum Marktführer erstarken würden und nur noch mit zwei anderen Mobilfunknetzbetreibern konkurriert hätten: Vodafone und Everything Everywhere (“EE”), die der British Telecom gehört.Es sah allerdings den SIEC-Test nicht als erfüllt an und warf der Kommission eine Reihe von Rechts- und Beurteilungsfehlern vor. Das Gericht widersprach zunächst der Auffassung der Kommission, dass die Reduzierung von vier auf drei bedeutsame Wettbewerber (sogenannter “4 zu 3”-Zusammenschluss) den Wettbewerb erheblich verringern würde. Die Kommission habe die wettbewerblichen Auswirkungen – darunter den Verlust einer “wichtigen Wettbewerbskraft”, das Vorliegen “enger Wettbewerber” und potenzielle Preiserhöhungen für Mobilfunkdienstleistungen – weder rechtlich begründen noch tatsächlich beweisen können.Nach Ansicht des Gerichts muss sich die fusionierte Einheit bei ihrer Bewertung als “wichtige Wettbewerbskraft” wohl von den anderen Wettbewerbern abheben, denn jedes Wettbewerbsdruck ausübende Unternehmen könne in diesen Märkten ansonsten als “wichtige Wettbewerbskraft” angesehen werden. Eine andere Beurteilung käme de facto einem generellen Verbot horizontaler Zusammenschlüsse auf oligopolistischen Märkten gleich.Auch sei die Feststellung, dass CK Hutchison und O2 in einigen Marktsegmenten “enge Wettbewerber” sind, für sich allein nicht ausreichend, um einen Wegfall erheblichen Wettbewerbsdrucks zu belegen, den diese Parteien aufeinander ausübten. Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, wie eng das zum Prüfungszeitpunkt gegebene Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien sei.Das Gericht widersprach zudem der Ansicht der Kommission, dass die Fusion den Ausbau der Mobilfunknetzinfrastruktur über die Teilnahme von CK Hutchison und O2 an Netzkooperationen im Vereinigten Königreich behindert hätte. Zwischen CK Hutchison und EE beziehungsweise zwischen O2 und Vodafone bestehen jeweils zwei Kooperationen, um die Netze und die Kosten des Ausbaus zu teilen, unbeschadet des Wettbewerbs um Endkunden. Die fusionierte Einheit würde an beiden Netzkooperationen beteiligt sein, was nach Ansicht der Kommission “wahrscheinlich” weniger Investitionen in die Netze durch die jeweils anderen Partner und damit eine Verminderung der Netzqualität hätte erwarten lassen – nebst höheren Kosten beim Ausbau, wodurch EE und Vodafone geschwächt worden wären.Das Gericht befand aber, dass eine solche Beeinträchtigung der Wettbewerber nicht hinreichend nachgewiesen war und lediglich auf Vermutungen basierte. Vielmehr hätte die Kommission verschiedene Kausalketten in Betracht ziehen müssen, um festzustellen, welche von ihnen am wahrscheinlichsten sind. Angesichts der gegebenen Komplexität der Kausalketten reichten die Beweismittel der Kommission nicht. Weitreichende FolgenDie Entscheidung des Gerichts hat weitreichende Folgen für die Beurteilung von Zusammenschlüssen auf europäischer Ebene, nicht nur in oligopolistisch strukturierten Märkten, sondern auch in anderen Sektoren, in denen eine Konsolidierung angestrebt wird. Eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs muss mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden und darf nicht nur theoretisch denkbar sein.Es darf erwartet werden, dass die Kommission die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten wird. Sie wird ihre bislang kritische Haltung im Hinblick auf “4 zu 3”-Zusammenschlüsse insbesondere im Telekommunikationssektor überdenken müssen. Diese bewirkte noch 2015 letztlich die Aufgabe des Zusammenschlusses zwischen TeliaSonera und Telenor im dänischen Mobilfunkmarkt. Für die Fusionspläne von CK Hutchison könnte die Entscheidung jedenfalls zu spät kommen: Berichten im Mai 2020 zufolge plant Telefónica, ihre Tochter O2 nun an Virgin Media zu verkaufen. *) Dr. Andrea Pomana ist Rechtsanwältin bei Debevoise & Plimpton in Frankfurt.