RECHT UND KAPITALMARKT

EU misst mit zweierlei Maß bei neuen Euro-Anleihen

Kommission bedient sich Techniken, die für andere verboten sind

EU misst mit zweierlei Maß bei neuen Euro-Anleihen

Von Martin Kaiser *)Die EU-Kommission hat am 24. Mai einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, um die Einführung von Sovereign Bond Backed Securities (SBBS) zu ermöglichen. Damit sollen “nicht gerechtfertigte regulatorische Hindernisse” für die Einführung von SBBS aus dem Weg geräumt werden. Während die EU-Kommission für Banken und Unternehmen eine Flut strengster Regulierung eingeführt hat, um die Sorte von Verbriefungen auszumerzen, die für die Finanzkrise verantwortlich gemacht werden, bedient sich die Kommission bei SBBS genau der Techniken, die für andere verboten sind. Worum geht es? Die EU-Kommission will ein Problem lösen, das als “Staaten-Banken-Nexus” bezeichnet wird: Banken erwerben bevorzugt Staatsanleihen des eigenen Landes. Drohen die Banken umzukippen und greift der Staat rettend ein, dann kann dies dazu führen, dass der rettende Staat selbst in Not gerät und der Wert der Anleihen dieses Staates sinkt. Das zieht all jene Banken in den Abgrund, die diese Anleihen gekauft haben. TranchiertDie Antwort der Kommission auf diese Praxis sind SBBS. Bei diesem Wertpapier investiert der Investor nicht in eine einzelne Staatsanleihe, sondern in einen Korb von Staatsanleihen aller 19 Euro-Staaten im Verhältnis des EZB-Kapitalschlüssels. Ziel ist eine Bonität nahe an der Bundesanleihe. Hierzu erwirbt eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV) am Kapitalmarkt Staatsanleihen aller 19 Euro-Staaten und emittiert dann das SBBS. Die Anleihebedingungen des SBBS geben vor, dass der Investor des SBBS Zins und Tilgung nur aus dem Geld erhält, welches das SPV aus den 19 Staatsanleihen einnimmt. Nimmt das SPV kein Geld ein, erleidet der Investor einen Verlust. Bei den Euro-Staaten sind zwar Länder mit hoher Bonität wie Deutschland dabei, aber auch Länder mit erheblich schlechterer Bonität wie Griechenland oder Italien. Der SBBS-Mix kann daher ohne weiteres Zutun nicht an Bundesanleihen herankommen. SBBS werden daher tranchiert. Die Investoren der Senior-Tranche bekommen ihr Geld vorrangig, die Investoren der Junior-Tranche nachrangig. Entsprechend erhalten die Junior Investoren mehr Zinsen für ihr Geld. Durch Diversifizierung und Tranchierung (70 : 30) wird so allerdings aus einem mäßigen Portfolio wie durch ein Wunder ein AAA-Portfolio. Bekannte ArgumenteDas kommt Ihnen bekannt vor? Mit genau diesen Argumenten haben Investmentbanken bis 2008 US Subprime Mortgages auf AAA hochstrukturiert. Das dem SBBS entsprechende Produkt heißt CDO (Collateralized Debt Obligations) – wobei der durchschnittliche CDO sogar viel diversifizierter ist als ein SBBS. Was 2008 geschah, ist bekannt. In der Folge haben Gesetzgeber eine Lawine von Regulierung auf Verbriefungen losgetreten. Hier sind vor allem die CRR (Capital Requirements Regulation) und die STS-Verordnung zu nennen. Demnach müssen Verbriefungen einfach, transparent und standardisiert sein. In einer “normalen” Verbriefung dürfen nur homogene Assets enthalten sein, kein zusammengemischter Korb. Ein SPV darf nur unmittelbar Forderungen kaufen, keine Wertpapiere, denn das wäre eine Wiederverbriefung, die mit prohibitiv hoher Kapitalhinterlegung versehen ist. Der Originator der Verbriefung muss ein Risiko von mindestens 5 % einbehalten. Und auch wenn alles eingehalten wird, sind die Kapitalanforderungen für Investoren weiter hoch. Viele sagen zu hoch. Verbriefungen sind in Deutschland vor allem die Refinanzierung von Autobanken, die Darlehen oder Leasing für Autos anbieten oder Finanzierung von Handelsforderungen von Mittelständler. Subprime gab es hier nie. Während der Gesetzgeber die Unternehmen und Banken mit Regeln überzieht, gilt das alles für SBBS nicht – und dies aus einem erstaunlichen Grund: “nicht gerechtfertigte regulatorische Hindernisse”. MachbarkeitsstudieDie EU-Kommission bezieht sich auf eine aktuelle Machbarkeitsstudie zu SBBS des European Systemic Risk Boards (ESRB). Demnach sollen Kapitalhinterlegungen bei SBBS wie Verbriefungen behandelt werden. Die Eigenkapitalbehandlung wäre also alles andere als günstig. Der Gesetzgeber hat daraufhin ein eigenes Eigenkapitalregime für SBBS eingeführt. Das Argument der Kommission: Staatsanleihen müssten mit null Prozent Eigenkapital hinterlegt werden, folglich auch SBBS – also ein CDO-artiges Produkt mit Nullrisiko. Dass Staatsanleihen mit null Eigenkapital hinterlegt werden müssen, ist nicht das Ergebnis einer risikogerechten Betrachtung, sondern war einst per Gesetz festgelegt worden. Schlag ins GesichtErgo: Beim SBBS werden Assets vermischt, Wertpapiere wiederverbrieft, kein Originator behält 5 % Risikoanteil ein und die EU-Kommission genehmigt sich die geächteten CDOs. Niemand im Verbriefungsmarkt wünscht sich, dass exzessive Verbriefungen wieder salonfähig werden. Im Gegenteil: Der Markt begrüßt die Förderung von transparenten Verbriefungen und begleitet die Regulierung konstruktiv. Allein die Chuzpe der Kommission in eigener Sache ist wie ein Schlag ins Gesicht. Man wünschte sich, die normalen Verbriefungen, die die Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze sichern, würden mit gleichem Maß gemessen. —-*) Dr. Martin Kaiser ist Partner im Bereich Finance der Kanzlei Ashurst in Frankfurt und spezialisiert auf Verbriefungen.