Asset Management

EU-Pläne zur Haftungsausweitung sorgen für Aufregung

Fondsbranche warnt vor überzogenen Anforderungen an Depotbanken - Nur höhere Gewalt als Ausrede - Kostenexplosion durch mehr Anlegerschutz befürchtet

EU-Pläne zur Haftungsausweitung sorgen für Aufregung

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt Die geplante neue EU-Richtlinie für Fondsgesellschaften, Ucits V, sorgt für mehr Wirbel als ursprünglich gedacht. Die mittlerweile veröffentlichten Brüsseler Vorschläge sehen vor dem Hintergrund des Madoff-Betrugs ein nach Ansicht von Asset Managern und Depotbanken überzogenes und nicht mehr finanzierbares Niveau im Anlegerschutz vor. Konkret geht es um die Frage, wie weit die Haftung für verlorene Assets gehen muss.Die EU will mit schärferen Bestimmungen über Publikumsfonds, Ucits (Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities, im deutschen Recht: Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, OGAW), erreichen, dass sich ein Milliardenbetrug wie durch Bernard Madoff möglichst nicht wiederholt. Die Milliardenabzocke war u.a. dadurch möglich geworden, dass in den betroffenen Fonds keine Trennung zwischen Vermögensverwaltung und -verwahrung stattgefunden hatte. Auch auf die milliardenschweren Verluste von Anlegern durch die Pleite der US-Bank Lehman Brothers will die EU-Kommission mit der neuen Richtlinie reagieren. Wie bereits zuvor in der AIFM-Richtlinie für die Anbieter alternativer Investments festgelegt, soll es nun auch für die Publikumsfonds durch Ucits V künftig strengere Vorgaben für Depotbanken geben (vgl. BZ vom 11. 12. 2010).Dabei geht es um die eindeutige Trennung von Verwaltung und Verwahrung der Vermögensgegenstände und um rigidere Bestimmungen im Hinblick auf die Übertragung der Assets an Unterverwahrer. Auch soll die Vergütung bei den Fondsgesellschaften nachhaltiger werden, Boni also auf den langfristigen Erfolg zielen, wie es bereits bei den Banken durch die Aufsichtsbehörden vorgegeben wurde. Großer DiskussionsbedarfFür Aufregung sorgt nun, dass Depotbanken laut den vorgelegten Vorschlägen der EU sich künftig nur noch aus der Haftung für verloren gegangenes Vermögen entziehen können, wenn “höhere Gewalt” vorliegt. Dies wäre etwa ein Staatsbankrott oder eine Naturkatastrophe. Wie die EU nach Beendigung der öffentlichen Konsultation in einer Mitteilung erklärte, sehen die befragten Verbände, Fondsgesellschaften, Investoren, Depotbanken und Aufsichtsbehörden dringend Diskussionsbedarf über diese weitreichende Haftungsausweitung (vgl. BZ vom 1. März). Es gibt nicht zu überhörende Warnungen aus vielen Richtungen, dass die Depotbankengebühren, die schlussendlich der Anleger selbst zu tragen hat, insbesondere für exotischere Märkte in exorbitante Höhen getrieben werden könnten oder dort schlichtweg keine Vermögensaufbewahrung mehr angeboten werden kann.”Depotbanken dürfen keine Garantien aufgebürdet werden, die einer Vollkaskoversicherung für Ucits-Produkte gleichkäme, denn dies würde zu untragbaren Kosten für den Markt führen”, warnt denn auch der deutsche Fondsverband Bundesverband Investment und Asset Management ( BVI) in seiner Stellungnahme gegenüber der EU-Kommission. Der Vorstoß Brüssels, nur noch die höhere Gewalt als Ausrede zuzulassen, hat die Asset Manager ebenso überrascht wie die betroffenen Depotbanken. Denn ursprünglich war vor Veröffentlichung der Vorschläge für Ucits V durch Kommissar Michel Barnier die Rede davon gewesen, dass das Haftungsregime den bereits bekannten Vorgaben durch die AIFM-Regeln entsprechen soll. Hier wurde für Depotbanken das sogenannte “Auswahlverschulden” festgelegt. Das heißt, die Depotbanken müssen erst dann für verlorene Assets aufkommen, wenn sie Fehler bei der Auswahl des Unterverwahrers gemacht haben. “Spürbar teurer””Sollte es durch Ucits V zu dieser weitreichenden Haftungserweiterung kommen, zahlt das letztlich der Anleger, denn die Verwahrung wird dann auf jeden Fall spürbar teurer”, warnt Immo Westphal, Leiter Politik und Verbände bei der DWS. Er ist einer der deutschen Vertreter in den Gremien des europäischen Fondsverbandes Efama, die die Diskussionen mit der EU über Regulierungsvorhaben wie Ucits V oder AIFM führen.Ein besserer Anlegerschutz als Lehre aus Fehlern, die Madoff ermöglicht haben – hier waren vor allem Luxemburger und irländische Fonds, die schwächeren Kontrollen als in anderen Ländern unterlagen, betroffen gewesen -, sei zu begrüßen. “Aber es geht uns um Verhältnismäßigkeit und Augenmaß”, sagt Westphal. Auch die von der EU angestrebte Vereinheitlichung der aktuell sehr unterschiedlichen Verwahrungsprozesse in den einzelnen Ländern, würde die Kosten treiben durch einen großen Umstellungsaufwand, so Westphal. Nicht nur höhere Kosten werden von den Fondsgesellschaften befürchtet, sondern auch ein schrumpfendes Leistungsspektrum in der Verwahrerkette. In bestimmten Ländern könnten sich einige oder alle Anbieter von Verwahrungsdienstleistungen zurückziehen, wird gewarnt. In einzelnen Schwellenländern oder Regionen mit hoher politischer Instabilität z.B. würde eventuell entweder keine Aufbewahrung von Vermögensgegenständen mehr angeboten oder es würde unermesslich teuer werden, heißt es. Bis zu 30 Basispunkte könnte die Depotbankenfunktion in exotischen Märkten teurer werden, wird vorgerechnet. EigenkapitalpolsterIn diesem Zusammenhang stellt sich für die Depotbanken die zentrale Frage, wie großzügig künftig das haftende Eigenkapital ausgepolstert sein muss, um für Verluste aufzukommen. 1,3 Mrd. Euro hält derzeit etwa die Deutschland-Tochter des US-Anbieters State Street nach Angaben von Geschäftsführer Jörg Ambrosius vor. Damit werden eventuelle Ansprüche aus Deutschland, Österreich, Italien und Schweiz abgedeckt. “Diese Höhe reicht aus für die Haftungsregelung nach AIFM”, erklärt Ambrosius. Auch für die künftigen Kapitalvorgaben durch Basel III ist die Tochter seiner Darstellung nach ausreichend gerüstet. Durch Ucits V im jetzigen Entwurf würden sich die Kapitalvorgaben aber “massiv ändern”, glaubt der Geschäftsführer der State Street Bank.Ambrosius hofft, dass in der Richtlinie im Vergleich zu den ersten Entwürfen entschärfte Haftungsregelungen festgezurrt werden, wie es auch bei der AIFM-Richtlinie der Fall gewesen ist. Andernfalls wäre es fraglich, ob der Konzern State Street weiterhin auf 107 Märkten seine Dienste anbieten könne. Seiner Ansicht nach wäre ein ausreichender Schutz für Ucits-Anleger gewährleistet, wenn auch hier das Auswahlverschulden eingeführt würde wie bei der AIFM-Richtlinie.Der europäische Fondsverband Efama spricht sich in seiner Stellungnahme zu Ucits V klar gegen die Einführung des Haftungsausschlusses nur bei höherer Gewalt aus und hat einen Alternativvorschlag: Depotbanken sollten – in Anlehnung an die AIFM-Richtlinie – nicht haften müssen bei externen Ereignissen, die außerhalb jeglicher zumutbarer Kontrolle durch die Verwahrer liegen. Dafür hätte sich eine Mehrheit der Efama-Mitglieder ausgesprochen. Definition von “verloren”Mit einer solchen Wortwahl wäre der Haftungsumfang deutlich geringer, als es der EU-Kommission vorschwebt. Auch fordert die Efama für die Richtlinie eine klare Definition, ab wann ein Asset als “dauerhaft verloren” gilt.