RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HENDRIK PIELKA

EU will Transparenz bei Leerverkäufen verbessern

Brüsseler Verordnungsentwurf ähnelt deutschen Regelungen

EU will Transparenz bei Leerverkäufen verbessern

– Herr Dr. Pielka, die EU-Finanzminister haben im Mai den Entwurf einer EU-Verordnung zur Regulierung von Leerverkäufen beschlossen, warum bedarf es einer Regulierung auf EU-Ebene?In Reaktion auf die Finanzkrise haben einige EU-Staaten Regelungen über Leerverkäufe geschaffen, die sich stark unterscheiden. Andere Staaten haben auf nationale Regelungen verzichtet. Solche Unterschiede lassen sich gewinnbringend nutzen. Eine derartige Regulierungsarbitrage verhindert einen Qualitätswettbewerb der Handelsplätze. Eine für die gesamte EU geltende Verordnung würde dieses Problem lösen.- Besteht für Leerverkäufe ein genereller Regulierungsbedarf über das Verbot der Marktmanipulation hinaus?Leerverkäufe wirken sich nachweislich positiv auf den börslichen und außerbörslichen Handel aus, sorgen für mehr Liquidität und eine realitätsnahe Preisbildung. Sie können aber auch zu Lieferausfällen führen, durch mangelnde Transparenz Informationsasymmetrien bedingen und in speziellen Marktsituationen zur Ausbildung unerwünschter Abwärtsspiralen beitragen. Besonders ausgeprägt ist der Regulierungsbedarf in Bezug auf die Transparenz. Die Kenntnis der Marktteilnehmer von Leerverkaufspositionen verstärkt die positiven Effekte. Bei Lieferproblemen greifen dagegen bereits jetzt neben Schadenersatzansprüchen wirksame Zwangseindeckungsverfahren der Börsen ein. Hier besteht kein drängender Bedarf nach einer EU-Regulierung. Diese kann lediglich der Vereinheitlichung dienen. Missbräuche von Leerverkäufen, die Abwärtsspiralen bewirken, ließen sich in den Anwendungsbereich bereits bestehender und ebenfalls durch europäische Richtlinien geprägter Vorschriften zur Marktmanipulation einbeziehen, anstatt Leerverkäufe ganz oder teilweise zu verbieten. Verbote sind neben den Regeln zum Marktmissbrauch nur im Falle systemischer Risiken sinnvoll. Aber Augenmaß ist gefragt: Situationsabhängige Einschränkungen von Leerverkäufen durch die Aufsicht sind generellen Verboten vorzuziehen.- Was wird sich gegenüber der deutschen Regelung ändern?Der Verordnungsentwurf der EU ist der deutschen Regelung im Wertpapierhandelsgesetz nicht ganz unähnlich. Auch er enthält ein Verbot echter, also nicht durch Wertpapierleihe o.Ä. abgesicherter, ungedeckter Leerverkäufe. Die Verordnung soll jedoch vor allem die Transparenz ver-bessern. Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien sind ab einer Schwelle von 0,2 % des Kapitals der Aufsicht zu melden und ab 0,5 % offenzulegen. Eine vergleichbare deutsche Regelung gilt erst ab März 2012. Die EU-Verordnung sieht ferner die Schaffung börseninterner Regelungen zur Kennzeichnung von Leerverkäufen in Aktien sowie entsprechende Veröffentlichungspflichten vor, das sogenannte Flagging. Die Verpflichtung der Börsen zur Schaffung von Zwangseindeckungsverfahren wird in Deutschland nur zu Detailanpassungen führen, da solche Verfahren bereits bestehen.- Was sieht der Verordnungsentwurf für den Handel mit Staatsanleihen vor?Neben dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe soll auch für Staatsanleihen künftig eine Meldepflicht gegenüber der Aufsicht gelten. Eine Offenlegung ist dagegen nicht vorgesehen, ebenso kein Flagging. Das ist nicht überzeugend. Das Bedürfnis nach Transparenz dürfte bei Staatsanleihen der EU-Staaten sogar wesentlich größer sein als bei Aktien, gerade während einer Schuldenkrise.- Würde sich die neue EU-Verordnung überhaupt im deutschen Kapitalmarkt bemerkbar machen?Die EU-Verordnung dürfte die Spielräume von Investoren am deutschen Kapitalmarkt wesentlich wirksamer einengen als die nationale Regelung, insbesondere beim Handel mit Staatsanleihen. Zahlreiche europäische Staatsanleihen sind von der deutschen Regelung nicht erfasst, weil sie in Deutschland nur in den Freiverkehr einbezogen und nur am Heimatmarkt zugelassen sind. Dem-gegenüber erfasst die Verordnung alle börslichen und außerbörslichen Geschäfte in Aktien und EU-Staatsanleihen, die überhaupt in der EU über eine Zulassung verfügen. Die Vereinheitlichung der Regulierung hat damit zugleich auch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs zur Folge.—-Dr. Hendrik Pielka ist Rechtsanwalt bei Waldeck Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Die Fragen stellte Walther Becker.