RECHT UND KAPITALMARKT

EuGH gibt Kreditinstituten Anlass zur Hoffnung

Beihilferechtswidrige Staatsbürgschaften: Weniger Risiken für die Banken?

EuGH gibt Kreditinstituten Anlass zur Hoffnung

Von Ulrich Soltész *) Banken vertrauen bei der Kreditvergabe oftmals auf staatliche Bürgschaften, mit denen die Darlehensforderung abgesichert wird. Solche Garantien können allerdings gegen das Europäische Beihilferecht verstoßen. Sie haben deshalb manch einem Institut nachträglich erhebliches Kopfzerbrechen bereitet. Denn bei einem Verstoß gegen die Beihilferegeln sind die Bürgschaften nach der Rechtsprechung grundsätzlich nichtig.Besonders pikant ist hierbei, dass nach Auffassung der EU-Kommission die kreditgewährende Bank gerade nicht als Begünstigte anzusehen ist. “Beihilfeempfänger” ist grundsätzlich nur der Kreditnehmer. Denn dieser profitiert aufgrund der Staatsgarantie von erheblich günstigeren Konditionen. Allenfalls in eng gelagerten Ausnahmefällen sieht die Kommission auch die Bank als Nutznießer an – zum Beispiel wenn eine Bürgschaft für einen Altkredit “nachgeschoben” wird oder wenn ein unbesicherter Kredit mit Hilfe eines staatlich garantierten Kredits zurückgezahlt wird. Nichtigkeit umstrittenAus Sicht der Bank drängt sich natürlich die Frage auf, ob sie im Ernstfall “leer ausgeht”, obwohl sie kein Nutznießer der Staatshilfe ist. Konkret würde dies bedeuten, dass sie nicht aus der Bürgschaft vorgehen kann, wenn der Kreditnehmer insolvent wird, eben weil diese nichtig ist. Oder soll die Nichtigkeit gewissermaßen nur inter partes wirken, das heißt zwischen Staat und Kreditnehmer? Dies alles ist unter Juristen hoch umstritten.Mittlerweile gibt es Anlass zur Hoffnung für die betroffenen Kreditinstitute. In seinem Urteil vom 8. Dezember 2011 in der Sache Residex (C-275/10) scheint der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) davon auszugehen, dass die Bank im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers die Bürgschaft in Anspruch nehmen kann – auch wenn diese gegen Beihilferecht verstößt. Nach dieser “bankenfreundlichen Lösung” kann sie also auf die Garantie zugreifen, es sei denn die Bank wäre ausnahmsweise selbst Beihilfeempfänger. Faire LösungDiese Lösung erscheint fair, denn letztlich war es ja der Staat selbst, der die Beihilferegeln verletzt hat. Es erschiene unbillig, wenn dieser unter Berufung auf das Beihilferecht seiner Garantie entkommen könnte und nur die Bank auf dem Schaden sitzen bliebe. Letzteres würde geradezu einen Anreiz für den Staat schaffen, leichtfertig rechtswidrige Bürgschaften zu vergeben und das finanzielle Risiko des Geschäfts auf die privaten Kreditgeber abzuwälzen. Dies gilt umso mehr, da der Beihilfeempfänger in solchen Fällen längst wegen Zahlungsunfähigkeit vom Markt verschwunden ist. Eine Wettbewerbsverzerrung, die das Beihilferecht verhindern will, findet also schon lange nicht mehr statt.Der EuGH impliziert jetzt in seinem neuen Urteil, dass sich die Bank auch bei einem Verstoß gegen die EU-Beihilferegeln an den staatlichen Bürgen halten kann. Leider waren die Luxemburger Richter in ihrem Urteil nicht ganz so deutlich wie zuvor Generalanwältin Kokott. Vielmehr haben sie noch eine Hintertür offen gelassen: Die Richter beschränken sich auf die Feststellung, dass sich die Folgen eines Beihilferechtsverstoßes nach nationalem (im entschiedenen Fall niederländischen) Zivilrecht richten.Nach den vergleichsweise vagen Urteilsgründen gebietet das Unionsrecht in solchen Fällen zwar nicht zwingend die Nichtigkeit; es soll aber auch nicht ausgeschlossen sein, dass eine solche Nichtigkeit aus dem nationalen Recht folgt. Dies bedeutet – wie so oft im EU-Recht – Steine statt Brot für den Rechtsanwender. Wieder einmal hängt es von den nationalen Gerichten ab, wie sie den Ball aufnehmen, der ihnen aus Luxemburg zugespielt wurde. Theoretisch ist es ist immer noch denkbar, dass nationale Richter auf dieser Grundlage über das vom EuGH vorgegebene Ziel hinausschießen und von einer Nichtigkeit der Garantie ausgehen. Offene FragenDie Bilanz des Urteils lautet: Es wurden erneut nicht alle Zweifelsfragen restlos geklärt. Die Institute sind weiterhin gut beraten, die EU-Konformität von Staatsgarantien akribisch zu prüfen, um jegliches Nichtigkeitsrisiko auszuschließen. Diese äußerst komplexe Beurteilung wird weiterhin Ressourcen in den Rechtsabteilungen der Banken binden. Und diese Rechtsunsicherheit wird leider auch manche Kreditvergabe verhindern.—-*) Dr. Ulrich Soltész ist Partner bei Gleiss Lutz in Brüssel.