Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus Heuvels

"EuGH-Urteil fördert den freien Dienstleistungsverkehr in Europa"

Klare Grenzen für ausschreibungsfreie Aufträge der öffentlichen Hand gezogen

"EuGH-Urteil fördert den freien Dienstleistungsverkehr in Europa"

– Herr Dr. Heuvels, der EuGH hat in seiner am 11. Januar 2005 verkündeten Entscheidung zu umstrittenen Fragen der Auslegung des EU-Vergaberechts Stellung genommen. Worum geht es konkret? Der EuGH hat zum einen klargestellt, dass ein verhinderter Bieter auch die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, einen Auftrag nicht im Wege eines förmlichen EU-weiten Vergabeverfahrens an einen Dritten zu erteilen, von den Vergabekammern und -senaten nachprüfen lassen kann. Der subjektive Primärrechtsschutz des Vergaberechts erstreckt sich damit auch auf so genannte De-facto-Vergaben. Der Rechtsschutz kann in Anspruch genommen werden, sobald der Entschluss zur Direktvergabe umgesetzt wird – etwa durch die Aufnahme von konkreten Verhandlungen mit dem Dritten. Für praktisch noch bedeutsamer halte ich die Entscheidung im Hinblick auf die Voraussetzungen für ein nicht dem Vergaberecht unterliegendes Eigengeschäft der Verwaltung. Ein solches Eigengeschäft liegt nach Auffassung des EuGH dann nicht vor, wenn ein Auftrag einem Unternehmen erteilt werden soll, an dem ein privater Dritter eine Kapitalbeteiligung hält, ohne dass es hierbei auf deren Höhe ankommt. Öffentliche Auftraggeber müssen daher künftig jede Kooperation mit privaten Partnern öffentlich ausschreiben, sofern Bestandteil der Kooperation die Erteilung eines entgeltlichen an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ist. – Hat Sie die Entscheidung überrascht? Hinsichtlich des Rechtsschutzes verhinderter Bieter bei De-facto-Vergaben kam die Entscheidung nicht überraschend. Auch die deutschen Nachprüfungsinstanzen haben diese Erstreckung des subjektiven vergaberechtlichen Rechtsschutzes seit längerem mehrheitlich befürwortet. Es wäre schließlich auch schwer verständlich, wenn sich ein Bieter gegen jeden Verstoß gegen eine ihn schützende Bestimmung innerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Wehr setzen kann, nicht jedoch gegen den schwerwiegendsten aller denkbaren Verstöße, den ein Auftraggeber dann begeht, wenn er einen ausschreibungspflichtigen Auftrag unzulässigerweise direkt vergeben will. Bezüglich der In-house-Geschäfte konnte nicht in gleicher Weise mit dieser Entscheidung gerechnet werden. Hier haben die meisten wohl eher erwartet, dass der EuGH die bislang herrschende Meinung bestätigt, ein Auftrag könne auch dann direkt vergeben werden, wenn ein Privater am Auftragnehmer beteiligt ist, sofern nur die Kontrolle des Auftraggebers “wie über eine eigene Dienststelle” gewahrt bleibt. – Führt die Entscheidung zu mehr Rechtssicherheit, oder wird alles noch komplizierter? Ich glaube, dass auch diejenigen, die diese Entscheidung im Ergebnis kritisieren, nicht bestreiten können, dass sie in beiden Fragestellungen eindeutige Positionen fixiert und damit lange kontrovers diskutierte Auslegungsfragen beantwortet. Besonders die Nachprüfungsinstanzen dürften es sehr begrüßen, künftig der Notwendigkeit entzogen zu sein, anhand umfänglicher Einzelfallprüfungen, denen immer Wertungsunsicherheiten inhärent sind, feststellen zu müssen, ob eine ausreichende Beherrschung des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens durch den öffentlichen Partner vorliegt. – Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf die Realisierung von Public-Private-Partnerships-Modellen (PPP)? Die Entscheidung schafft einen klaren rechtlichen Rahmen, welche Elemente von PPP-Modellen ausgeschrieben werden müssen. Sie führt im Ergebnis dazu, dass solche Modelle mehr als bisher EU-weit ausgeschrieben werden müssen, da ja bereits jegliche Erteilung eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen nach Klarstellung des EuGH dem Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts unterfällt. Insofern stärkt die Entscheidung sicherlich den freien Dienstleistungsverkehr in allen Mitgliedstaaten. – Was geschieht nun mit Verträgen über PPP-Modelle, die nach Auffassung des EuGH hätten EU-weit ausgeschrieben werden müssen, tatsächlich aber direkt geschlossen wurden? Solche Altverträge genießen aus meiner Sicht uneingeschränkten rechtlichen Bestandsschutz. Ich vermag keine Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht oder in unserem Recht zu erkennen, nach der eine vorzeitige Auflösung oder Modifikation solcher Verträge erfolgen müsste. Für künftige Projekte bzw. Verträge müssen dagegen die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze strikt beachtet werden, weil man sich im Falle einer unzulässigen Direktvergabe nicht mehr auf eine höchstrichterlich noch nicht geklärte und damit unsichere Rechtslage berufen kann. Dr. Klaus Heuvels ist Partner im Frankfurter Büro von CMS Hasche Sigle – Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern. Die Fragen stellte Walther Becker.