Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Markus Friedl

EuGH-Verfahren über Insiderhandel verunsichert Emittenten

Generalanwältin legt Schlussanträge zur Verwendung von Informationen vor

EuGH-Verfahren über Insiderhandel verunsichert Emittenten

– Herr Dr. Friedl, die Generalanwältin des EuGH, Juliane Kokott, hat kürzlich ihre Schlussanträge in dem Vorabentscheidungsersuchen Spector Photo Group vorgelegt. Worum ging es?Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen Stellung zu der Frage genommen, wann ein Nutzen von Insiderinformationen aufgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie und damit ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vorliegt. Dem Verfahren liegt der Fall der belgischen Spector Photo Group zugrunde. Diese informierte die Börse über ihre Absicht, zur Erfüllung eines Aktienoptionsplans eigene Aktien zu erwerben. Beim Erwerb wurden einige Kaufaufträge hinsichtlich der Zahl und des Preislimits nachträglich geändert. Die belgische Finanzaufsicht sah darin einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot. Sie verwies darauf, dass die Gesellschaft von künftigen guten Umsatzzahlen sowie einer geplanten Übernahme wusste und deshalb einen höheren Aktienkurs erwartete.- Inwiefern ist dieser Fall für das deutsche Recht von Bedeutung?Auch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verbietet in 14 Abs. 1, unter Verwendung einer Insiderinformation Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern. Die Vorschrift beruht auf der Marktmissbrauchsrichtlinie und führt zu den gleichen Anwendungsproblemen, die nun den EuGH beschäftigen. Denn seit Umsetzung der Richtlinie ist ungeklärt, wann derjenige, der ein Wertpapiergeschäft ausführt, unter Verwendung von Insiderinformationen handelt. Einerseits wird angenommen, dass jemand Insiderinformationen verwendet, wenn er in Kenntnis der Informationen das Wertpapiergeschäft ausführt. Andererseits wird eingewandt, dass ein Verwenden von Informationen nur dann vorliegt, wenn diese Kenntnis auch ursächlich für das Handeln geworden ist.- Welcher Auslegung folgt die Generalanwältin?Sie plädiert dafür, dass ein Nutzen von Insiderinformationen gemäß der Richtlinie, was der Verwendung im WpHG entspricht, regelmäßig dann vorliegt, wenn die Person, die über die Insiderinfos verfügt und weiß oder wissen müsste, dass es sich dabei um Insiderinformationen handelt, Wertpapiere erwirbt oder veräußert. Nur in Konstellationen, in denen von Vornherein feststeht, dass die Insiderinformation nicht in das Handeln einer Person einfließt, liegt in der bloßen Kenntnis keine Nutzung.- Mit welcher Begründung?Das Nutzen von Insiderinformationen sei grundsätzlich weit auszulegen. Nur so seien die Handhabbarkeit des Insiderhandelsverbots und die Verfolgung von Verstößen gewährleistet. Allerdings macht die Generalanwältin auch deutlich, dass bei einem Handeln in Kenntnis einer Insiderinformation nicht zwangsläufig auch ein Nutzen der Information vorliegt. In Fällen, in denen ausgeschlossen ist, dass die Kenntnis der Insiderinformation in das Handeln einfließen kann, liegt kein Nutzen der Insiderinformation vor.- Was bedeutet diese Interpretation für die Praxis?Die Auslegung bewegt sich im Rahmen der in Deutschland herrschenden Interpretation des Insiderhandelsverbots. Die Ausführungen der Generalanwältin sprechen aber für einen weiten Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots und lassen anderweitige Befreiungsmöglichkeiten wohl nicht zu. Insider, die Wertpapiere erwerben oder veräußern wollen, werden daher weiterhin verstärkt dokumentieren müssen, dass die Kenntnis von Insiderinformationen nicht in ihr Handeln eingeflossen ist. Dies gilt vor allem im Rahmen eines nachfolgenden Paketerwerbs oder öffentlichen Angebots beim Gebrauch von Informationen, die bei einer Due Diligence erlangt wurden, oder bei Aktienrückkäufen.- Wie geht das Verfahren weiter?Nun ist der EuGH am Zug. Er wird in dem Verfahren das Urteil fällen und in den vom belgischen Gericht gestellten Fragen entscheiden. Der EuGH folgt dabei in den allermeisten Fällen den Schlussanträgen der Generalanwälte. Allerdings kommt es auch zu Überraschungen, und der EuGH schließt sich nicht der Argumentation der Generalanwälte an. So ist dies vor kurzem in der Rechtssache Cartesio zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung passiert. Wann der EuGH entscheidet, steht allerdings noch nicht fest.—-Dr. Markus Friedl ist Partner bei Beiten Burkhardt. Die Fragen stellte Walther Becker.