RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTIAN HANDKE

EuGH-Vorlage zur Entwicklung und Vermittlung von Versicherungen

Bundesfinanzhof hat Zweifel an Umsatzsteuerpflicht - Einheitliche Leistung

EuGH-Vorlage zur Entwicklung und Vermittlung von Versicherungen

Herr Handke, der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Entwicklung und anschließende Vermittlung von Versicherungsprodukten insgesamt umsatzsteuerfrei ist. Worum geht es in dem zu entscheidenden Fall?Die Klägerin ist kein klassischer Versicherungsmakler, sondern ein sogenannter Assekuradeur, der vor der Vermittlung das Versicherungsprodukt auch selbst entwickelt. Der Assekuradeur gewährte der Versicherung lediglich eine Lizenz an seinem entwickelten Versicherungsprodukt und verpflichtete sich daneben, die eventuell erforderliche Schadensregulierung und Vertragsabwicklung für die Versicherung zu übernehmen. Bei dem im Jahr 2011 entwickelten Versicherungsprodukt wurden Schiffe und deren Crews gegen Piraterie bei der Durchfahrt durch den Golf von Aden versichert. Hätte der Kläger lediglich Versicherungen vermittelt oder als Versicherung sein Produkt den Reedern angeboten, wären die Leistungen zweifelsfrei umsatzsteuerfrei. Da er aber das Versicherungsprodukt lediglich entwickelt hat und nicht selbst als Versicherer am Markt aufgetreten ist, soll nun seine Leistung insgesamt umsatzsteuerpflichtig sein. Das Ergebnis überrascht zunächst und hat deshalb wohl auch den BFH dazu bewogen, dieses Ergebnis vom EuGH überprüfen zu lassen. Welche umsatzsteuerrechtlichen Fragen hat der EuGH in diesem Zusammenhang zu klären?Der BFH geht aufgrund jüngst ergangener Rechtsprechung des EuGH davon aus, dass es sich bei den Tätigkeiten des Assekuradeurs um eine einheitliche Leistung, die mehrere Bestandteile umfasst, handelt, die insgesamt entweder umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig ist. Das Finanzamt wollte dagegen die drei Leistungen allesamt unterschiedlich besteuern. Die Vermittlung der Versicherungen sollte nach Auffassung des Finanzamtes umsatzsteuerfrei erfolgen. Die Überlassung der Lizenz sollte mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden und lediglich die Schadensregulierung und Vertragsdurchführung wollte das Finanzamt mit dem regulären Steuersatz von 19 % besteuern. Hierfür teilte es das Gesamtentgelt im Wege der Schätzung entsprechend auf. Der Assekuradeur begehrt dagegen die vollständige Umsatzsteuerbefreiung. Das Finanzgericht, die Vorinstanz, ging von einer einheitlichen Leistung aus, die insgesamt mit 19 % zu besteuern sei. Wie läuft das Verfahren jetzt weiter und wann ist mit einer finalen Entscheidung zu rechnen?Sobald der EuGH die Frage des BFH beantwortet hat, wird der BFH unter Beachtung der Vorgaben des EuGHs über diesen Fall entscheiden. Es ist auch möglich, dass der BFH das Verfahren zurück an die Vorinstanz verweisen muss, wenn beispielsweise weitere Sachverhaltsermittlungen des Finanzgerichtes erforderlich werden. Es ist deshalb schwer eine verlässliche Prognose über die Verfahrensdauer abzugeben. Im Jahr 2018 betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer beim EuGH etwa 16 Monate. Da die kürzlich veröffentlichte Vorlagefrage aus dem September 2019 stammt, ist wohl nicht mit einer Entscheidung vor 2021 zu rechnen. Sind lediglich Assekuradeure von der Entscheidung betroffen? Und wie sollen sich die betroffenen Steuerpflichtigen bis zu einer Entscheidung verhalten?Insbesondere Versicherungsmakler, die neben der reinen Vermittlung von Versicherungen weitere Leistungen, wie beispielsweise die Vertragsabwicklung und Schadensregulierung, an die Versicherungen erbringen, sollten überprüfen, ob sie von dieser Rechtsprechung betroffen sein könnten. Wenn die Vertragsabwicklung und die Schadensregulierung der Hauptbestandteil sein sollten, könnten zukünftig die Tätigkeiten dieser Versicherungsmakler insgesamt umsatzsteuerpflichtig sein. Wenn dagegen die Vermittlung der Versicherung der Hauptbestandteil wäre, wäre die Leistung wohl insgesamt umsatzsteuerfrei. Dies kann nicht nur Auswirkungen auf die Umsatzsteuer, sondern auch auf den Vorsteuerabzug haben und sollte bestenfalls bei den Entgelten für die Tätigkeiten berücksichtigt werden, bis eine EuGH-Entscheidung vorliegt. Christian Handke ist Rechtsanwalt und Steuerberater von BRL Boege Rohde Luebbehuesen. Die Fragen stellte Helmut Kipp.