Recht und Kapitalmarkt

Europa AG konkurriert mit internationalen Fusionen

Verschmelzungsrichtlinie setzt neue Rahmenbedingungen - In Deutschland verhaltene Resonanz auf neue Rechtsform

Europa AG konkurriert mit internationalen Fusionen

Von Christian Edyeund Jan-Robert Hamann *)Seit einigen Monaten ist es möglich, sogenannte Europa AGs zu gründen. Es handelt sich hierbei um die erste originär europäische Gesellschaftsform, die gegenüber den nationalen Aktiengesellschaften zahlreiche Vorteile bietet. In Deutschland ist die Resonanz im Vergleich zu anderen EU-Staaten allerdings noch verhalten. Das liegt im Wesentlichen an der Mitbestimmung, die deutsche Unternehmen “im Gepäck” haben. Hier wird die sogenannte Verschmelzungsrichtlinie der EU Erleichterungen bringen, die voraussichtlich ab 2007 grenzüberschreitende Fusionen ermöglichen soll. PioniereBisher haben sich erst wenige Unternehmen in eine Europa AG umgewandelt. Die österreichische Bauholding Strabag AG ging diesen Weg im Oktober 2004. Das österreichisch-italienische Brenner-Basistunnel-Projekt folgte im Dezember 2004, und im Januar 2005 nahm die ebenfalls aus Österreich stammende Personalberatung Neumann Partners diese Gesellschaftsform an. Gegenwärtig im Eintragungsverfahren befindet sich die von 16 Unternehmen gegründete erste deutsche Europa AG, die “Zoll Pool Hafen Hamburg SE”, die im Bereich der Zollabfertigung für Transitcontainer tätig ist.Eine Reihe weiterer Unternehmen hat die Umwandlung in eine Europa AG bereits konkret geplant, so zum Beispiel Nordea, eine Finanzgruppe von vier nordeuropäischen Banken, sowie der finnische Elektronikhersteller Elcoteq. Der französische Wirtschaftsprüfer Mazars plant den Schritt zur Europa AG für das Jahr 2006/07. Und die Umwandlung von Aventis in eine Europa AG war bereits beschlossen, als die Übernahme durch Sanofi-Sythélabo erfolgte. Der Hauptgrund für die Umwandlung ist für viele Unternehmen die Schaffung eines europäischen Images. Das Europa-Label soll dabei nicht nur nach außen wirken, sondern auch für die Mitarbeiter eine Corporate Identity über die Grenzen hinweg erzeugen. Es wird als weiterer Vorteil angesehen, alle Konzernunternehmen einem einheitlichen Management zu unterwerfen. Man geht davon aus, damit die Kosten senken und die betriebswirtschaftliche Effizienz erhöhen zu können. Einige Unternehmen hoffen, mit der Umwandlung in die Europa AG auch die Transparenz für die Kunden außerhalb des Stammlands zu verbessern.Weitere Motivation für die Umwandlung in eine Europa AG ist die Vereinfachung der Kapitalbeschaffung im Rahmen von grenzüberschreitenden Fusionen. Mit der neuen Rechtsform wird außerdem eine internationale Expansion des Unternehmens durch Flexibilität bei der Corporate Governance erleichtert. Denn eine Europa AG kann zwischen dem zweigliedrigen deutschen System von Vorstand und Aufsichtsrat und dem eingliedrigen Board-System, bei dem es nur einen Verwaltungsrat gibt, wählen. Man hofft zudem, als Europa AG die eigene Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere gegenüber großen Konzernen aus den USA und Asien, zu steigern. SitzverlegungGegenüber nationalen Gesellschaftsformen genießt die Europa AG den Vorteil, ihren Sitz über die Grenze hinweg verlegen zu können. Wesentliche Grundsätze der Europa AG sind zwar in allen EU-Staaten gleich. Allerdings unterliegt eine Europa AG dem nationalen Recht des Staates, in dem sie ihren tatsächlichen Sitz hat. Dadurch wird die Möglichkeit für ein Forum Shopping eröffnet. Unternehmen können ihren Sitz also in einen Staat verlegen, der möglichst günstige rechtliche Rahmenbedingungen aufweist. Ein Grund für die bislang niedrige Anzahl an Europa AGs dürfte die fehlende Erfahrung mit dieser Rechtsfigur sein. Der Hauptgrund für die schleppende Akzeptanz in Deutschland liegt in den Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer, das heißt in der Arbeitnehmervertretung im Aufsichts- beziehungsweise Leitungsorgan der Gesellschaft. Zwar soll hierfür vorrangig eine Lösung im Verhandlungsweg zwischen den Gründungsunternehmen und den Vertretern ihrer Belegschaften gefunden werden. Führen die Verhandlungen jedoch innerhalb von sechs Monaten oder maximal einem Jahr nicht zum Erfolg, setzt sich grundsätzlich das höchste Mitbestimmungsniveau durch. Export der MitbestimmungDa die Standards in Deutschland am höchsten sind, exportiert ein deutsches Unternehmen, das der Mitbestimmung unterliegt, diese also in die Europa AG, sofern nicht bestimmte Bagatellgrenzen unterschritten werden. Im Ausland ist die Bereitschaft gering, wegen der Gründung einer Europa AG mit einem deutschen Unternehmen bis zu 50 % Arbeitnehmervertreter in das Aufsichts- beziehungsweise Leitungsorgan aufzunehmen. Deutsche Unternehmen werden deshalb auch in Zukunft möglicherweise nur ungern an einer Europa AG beteiligt.Durch neue Rechtsentwicklungen auf europäischer Ebene könnte die Europa AG jedoch bald weiter an Bedeutung verlieren. Voraussichtlich im Laufe des Sommers dieses Jahres wird die sogenannte Verschmelzungsrichtlinie vom Europäischen Rat verabschiedet, die grenzüberschreitende Fusionen von Kapitalgesellschaften ermöglicht. Da die europäischen Vorgaben jedoch noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen, werden solche Fusionen voraussichtlich erst ab dem Jahr 2007 möglich sein.Gegenüber der Europa AG bringt die Verschmelzungsrichtlinie insbesondere in Bezug auf die Mitbestimmung Erleichterungen. Grundsätzlich findet das Recht des Mitgliedstaats, in dem die fusionierte Gesellschaft ihren Sitz hat, Anwendung. Beschäftigen die beteiligten Unternehmen aber jeweils mehr als 500 Arbeitnehmer, muss das für die Europa AG entwickelte Verhandlungsverfahren durchgeführt werden. Kommt es dabei zu keiner Einigung, greift die Auffangregelung, nach der das weitestgehende Mitbestimmungsniveau gilt, wenn mindestens ein Drittel aller Arbeitnehmer der neu fusionierten Gesellschaft zuvor einer Mitbestimmung unterlag. Bei der Europa AG liegt diese Schwelle niedriger, nämlich bei 25 %. Es bleibt abzuwarten, ob deutsche Unternehmen dadurch als Fusionspartner in Europa interessanter werden.Die Regeln zur Mitbestimmung unterscheiden sich noch in zwei weiteren Punkten von der für die Europa AG gefundenen Lösung. Zum einen soll es den fusionierenden Unternehmen aus Zeitgründen möglich sein, sich ohne Verhandlungen auf die weitestgehende nationale Mitbestimmung zu einigen. Zum anderen sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ein als zu hoch empfundenes Mitbestimmungsniveau abzuwenden, indem sie die Anzahl der Arbeitnehmervertreter im Board-System auf ein Drittel begrenzen. Deutsche Unternehmen werden die Mitbestimmung also durch grenzüberschreitende Fusionen wahrscheinlich reduzieren können. Um eine weitere Flucht aus der Mitbestimmung einzuschränken, wird die bei einer Verschmelzung gefundene Mitbestimmungsregelung für die Dauer von drei Jahren gegen Veränderungen im Zuge von innerstaatlichen Folgefusionen geschützt. Kritiker der Europa AG glauben, dass diese Gesellschaftsform spätestens mit der Verabschiedung der Verschmelzungsrichtlinie erheblich an Attraktivität einbüßen wird. Sicherlich ist es als Misserfolg für die Europa AG zu werten, dass die für diese Rechtsfigur erarbeitete Mitbestimmungslösung schon nach kurzer Zeit aufgegeben und durch flexiblere Regeln für grenzüberschreitende Fusionen ersetzt wurde. IdentitätsfrageAllerdings erscheinen die daraus resultierenden Vorteile nicht so erheblich, dass interessierte Gesellschaften der Europa AG für immer den Rücken kehren werden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die ihre europäische Identität betonen möchten, was durch den mit der Europa AG verbundenen Namenszusatz “SE” (Societas Europaea) ermöglicht wird. Für eine abschließende Bewertung über den Erfolg der Europa AG ist es noch zu früh. Es ist gut möglich, dass Unternehmen zunächst einmal die ersten Erfahrungen der Pioniere abwarten und in verstärktem Maße auf die Europa AG zurückgreifen, je mehr diese an Bekanntheit gewinnt. *) Dr. Christian Edye ist Partner und Dr. Jan-Robert Hamann Associate im Hamburger Büro von Latham & Watkins LLP.