Europa braucht neue Produktideen
Passives Investieren via Exchange Traded Funds (ETF) erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Möglichkeit, ganze Märkte oder gar Regionen mittels eines einzigen, relativ kostengünstigen Produktes abdecken zu können, das obendrein börsentäglich fortlaufend über die Börse oder Market Maker handelbar ist, hat viele Anhänger gewonnen.Die originäre Idee von ETF ist es, Märkte repräsentativ abzubilden. Dies wird mit Indizes erreicht, die ausschließlich die jeweils aktuellen Marktkapitalisierungsverhältnisse widerspiegeln, sich also sowohl bei Selektion der Indexmitglieder als auch bei deren Indexgewichtung an der Marktkapitalisierung orientieren. Die Indizes verändern sich somit quasi im Zeitablauf von allein.Aufgrund der wachsenden Nachfrage der Anleger legen die Anbieter in den USA seit einigen Jahren zunehmend ETF auf Indizes auf, die alternative Selektions- und Gewichtungskriterien verwenden. Hier sind als Beispiele die Dividendenindizes, gleichgewichtete Indizes, Low-Volatility-Indizes, Minimum-Varianz-Indizes sowie Marktbarometer zu nennen, die bei der Selektion auf fundamentale Unternehmenskennzahlen (Buchwert, Kurs-Gewinn-Verhältnis u. a.) abstellen. Diese Indizes werden unter dem Begriff Smart Beta als Abgrenzung vom klassischen Beta (der Aktienmarktrisikoprämie) zusammengefasst.Letztendlich verbergen sich hinter diesen Indizes regelgebundene Strategien, die verschiedene Faktorprämien nutzbar machen. Gleichgewichtete Indizes profitieren von der Small-Cap-Prämie, fundamental gewichtete Indizes von der Value-Prämie und Low-Volatility-Indizes von der Low-Volatility-Prämie. Dividendenindizes haben ebenso einen Value Bias, zusätzlich bedienen sie das Anlegerinteresse an regelmäßigen Ausschüttungen im Niedrigzinsumfeld. Einige Anbieter in den USA konnten mit ihren Smart-Beta-ETF bereits Assets in Milliardenhöhe einsammeln wie beispielsweise der Guggenheim S & P 500 Equal Weight (4,3 Mrd. Dollar), SPDR S & P 500 Dividend ETF (11,2 Mrd. Dollar) oder der PowerShares S & P 500 Low Volatility ETF (4,4 Mrd. Dollar).In Europa konzentrieren sich die Assets im Aktienbereich dagegen noch weitaus stärker auf die bekannten marktkapitalisierungsgewichteten Indizes wie den Dax, Euro Stoxx 50, MSCI World, MSCI Emerging Markets, S & P 500.In den USA ist in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Anbieter in den Markt getreten, die Indexkonzepte anbieten oder lizenzieren, mit denen vormals aktive Strategien durch die Eingliederung in ein transparentes Regelwerk per ETF investierbar gemacht wurden. Märkte abgedecktIn dem Moment, in dem die gängigen marktkapitalisierungsgewichteten Indizes bereits von einem halben Dutzend ETF-Anbieter investierbar sind, macht es für neue Marktakteure wenig Sinn, ein weiteres Produkt auf diese Indizes anzubieten. In Europa ist die Zeit gekommen, in der alle ausreichend handelbaren Märkte, Regionen, Sektoren mittels eines oder sogar mehrerer Indexfonds investierbar gemacht worden sind.Zwangsläufig werden sich unserer Ansicht nach die Überlegungen hinsichtlich neuer Produkte auf Seiten der Index- und ETF-Anbieter auf den Bereich der Smart-Beta-Indizes verlagern. Für Investoren ist dies eine gute Entwicklung, da das zur Verfügung stehende Instrumentarium erweitert wird und Anleger, die diese Faktorprämien einstreichen möchten, dieses dann regelbasiert mit den eingangs beschriebenen Vorteilen in einer ETF-Hülle tun können.Auch für Anleihen deutet sich ein Sinneswandel an. Wenn das weltweit ausstehende Volumen im Anleihenbereich doppelt so hoch ist wie die weltweite Marktkapitalisierung der Aktienmärkte, verhält es sich mit der Anzahl der ausgegebenen ETP (Exchange Traded Products) umgekehrt. Hier stehen den 2 787 Aktien-ETP nur 714 Fixed-Income-Produkte gegenüber. Dieser starke Überhang der Aktienprodukte herrscht somit nicht nur im Smart-Beta-Bereich vor, sondern ist ein generell zu beobachtendes Phänomen.Für die ETP-Anbieter ist die Lancierung eines Fixed-Income-Produktes meist mit vergleichbar höherem Aufwand verbunden. Der Handel der Anleihen ist grundlegend unterschiedlich zu vielen börsennotierten Instrumenten wie Aktien oder Futures. Anleihen werden im Regelfall außerbörslich und in substanziell größeren Stückelungen gehandelt, sodass sich die Nachbildung eines Anleihenindex deutlich schwieriger gestaltet. Erhöhter HandelsaufwandSobald man von den klassischen Gewichtungskonzepten (Marktkapitalisierung bei Aktienindizes, Gewichtung nach ausstehendem Nominalvolumen bei Anleihenindizes) abweicht, müssen Portfoliomanager mit einem erhöhten Handelsaufwand rechnen, da “kleine” Aktien und Anleihen im Vergleich zu den klassischen Konzepten übergewichtet werden. Während im Aktienbereich dieser erhöhte Handelsaufwand überschaubar ist und durch Überrendite-Chancen ausreichend kompensiert wird, ist dies im Anleihenbereich nicht der Fall.Gerade in einem Niedrigzinsumfeld, wie es aktuell vorherrscht, wird der erhöhte Aufwand und die damit verbundenen erhöhten Handelskosten nicht durch ausreichende Überrenditen kompensiert. Genau dieser erhöhte Handelsaufwand gepaart mit der Preisbildungs- bzw. Nachbildungsproblematik sowie der Liquidität machen Fixed-Income-Smart-Beta-Produkte wenig attraktiv für die Emittenten.Welche Möglichkeiten gibt es also, im Fixed-Income-Bereich eine Faktorprämie zu erzielen? Der Großteil der Fixed-Income-ETF bilden Märkte ab, die man als Core Investment bezeichnen kann. So gibt es verschiedene ETF auf Staatsanleihen, Emerging-Markets-Anleihen oder Unternehmensanleihen in verschiedenen Rating- und Laufzeitenklassen. Dennoch kann man auch hier graduelle Veränderungen durch eine zunehmende Sättigung des Marktes feststellen.Die ETP-Anbieter entwickeln zunehmend neue Konzepte, die auch dem Smart-Beta-Bereich zugeordnet werden können und vor allem in dem aktuellen Marktumfeld sinnvoll erscheinen. So haben verschieden ETF-Anbieter in den USA fundamental basierte Produkte lanciert, die in Staatsanleihen auf Basis des Verschuldungsgrades des jeweiligen Landes investieren. Ein anderes Beispiel bieten sogenannte Target-Maturity-Produkte, die Anleihen halten, die im selben Jahr auslaufen und so besonders zur Absicherung bestimmter Zinsrisiken verwendet werden können. Diese Konzepte sind in den vergangenen Monaten vielfältig weiterentwickelt worden – zum Beispiel Target Maturity mit Inflationsschutz oder Target Maturity High Yield.Smart-Beta-Produkte erfreuen sich in Amerika bereits großer Beliebtheit. Es hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt, dass die dortige Entwicklung hier in Europa mit einigen Jahren Verzögerung ebenfalls einsetzt. Gerade bei den Smart-Beta-Produkten gehen wir davon aus, dass dies ebenfalls der Fall sein wird. Die unterschiedliche Markt- und Vertriebsstruktur in Europa und die verschiedenen Replikationstechniken machen weitere Produktideen notwendig.