Europa ringt mit US-Börse um Spacs

Bis zu zehn Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) sind in Europa für 2021 geplant. Doch zuletzt haben europäische Technologie-Unternehmer für ihre Übernahmevehikel eine Notierung an einer US-Börse vorgezogen. Dort treffen sie offenbar auf weniger Regulierung, mehr Nachfrage und mehr Liquidität.

Europa ringt mit US-Börse um Spacs

cru Frankfurt

Bisher geht das Geschäft mit den IPOs von Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) an Europas Börsen weitgehend vorbei. Die US-Übernahmevehikel werden sogar dafür eingesetzt, um deutsche Unternehmen an die US-Börsen zu holen. So schaffte das Tübinger Biotechunternehmen Immatics durch die Fusion mit einem Spac den Sprung an die Nasdaq.

Auch europäische Spac-Gründer wenden sich für Finanzierungen ihrer Vehikel bisher lieber an die Börsen in den USA. Nach dem immer noch anhaltenden Boom der Spac-IPOs in den USA zu urteilen, könnte der Trend zulasten der hiesigen Finanzplätze auch 2021 anhalten. Nach den Biotechnologiewerten und vielen Tech-Unternehmen würde damit eine weitere IPO-Anlageklasse in Europa kaum stattfinden oder sogar abwandern.

Scion Tech Growth I beispielsweise, ein in Großbritannien ansässiges Vehikel unter der Führung des italienischen Fintech-Tycoons Andrea Pignataro, hat mit dem Spac-IPO in den USA gerade 500 Mill. Dollar für Zukäufe in Europa eingesammelt. Damit haben zugleich Investoren zum ersten Mal die Möglichkeit, mit Aktien an der Seite des 50-jährigen Gründers der europäischen Investmentschmiede für Handelssoftware und Finanzdaten, Ion Investment Group, zu investieren. Pignataro hat den Ex-Credit-Suisse-Investmentbanker Mathew Cestar als CEO von Scion Tech engagiert. Die Bookrunner waren UBS und Citigroup.

Skeptische Investoren

Hiesige Großinvestoren haben den US-Spac-Markt bisher zurückhaltend aus der Ferne beobachtet. Genügend Liquidität für Spac-Investments gäbe es jedoch. Jetzt wird von vielen Akteuren erwartet, dass 2021 das Jahr wird, in dem Spacs sich in Europa etablieren. Doch könnte dies über Notierungen in den USA erfolgen.

Während im Jahr 2020 bis dato 231 Spacs an US-Börsen notiert wurden, ist kein einziger an der Londoner oder Frankfurter Börse gelistet worden. In London war das letzte Spac-IPO die 340 Mill. Dollar schwere Everarc Holdings im Dezember 2019. Der US-Investor Martin Franklin, ein großer Spac-Sponsor mit sechs Vehikeln, scheiterte im September mit dem Versuch, 750 Mill. Dollar über den Spac Harvester Holdings aufzubringen, der an die Londoner Börse gehen sollte.

Im Dezember gab es jedoch einen Hoffnungsschimmer, als der französische Telekommunikationsmagnat Xavier Niel und der Banker Matthieu Pigasse ankündigten, dass sie mindestens 250 Mill. Euro über einen Spac aufbringen wollen, der nach Öko-Lebensmittelunternehmen suchen wird, die ihre Produkte lokal beziehen. Die Anwaltskanzlei White&Case machte ein Webinar zum Thema „European Spacs: Hype or Opportunity?“ Zu den Ergebnissen zählte es, dass es schwierig sei, die US-Strukturen auf Europa zu übertragen, weil Investoren und Regulierer hier vorsichtiger seien – aber es sei durchaus möglich. Es brauche nur einige erfolgreiche Deals, um die Blockade aufzulösen.

Zwar streben bis zu zehn Spacs mit einem Volumen von je 300 Mill. Dollar ein IPO an europäischen Börsen im Jahr 2021 an. Darunter ist das für ein Frankfurter IPO vorgesehene geplante Spac-Vehikel des Wagniskapitalgebers Lakestar. Dennoch bleiben die US-Börsen für viele europäische Unternehmer möglicherweise die bevorzugte Option. Sie kommen häufig zu dem Schluss, dass es letztlich darauf ankommt, welcher Handelsplatz die größte Liquidität bietet, und das ist die US-Börse.

Die britische Private-Equity-Firma Investindustrial trug im November zum Exodus bei und wählte die Nyse für das 400 Mill. Dollar schwere IPO von Investindustrial Acquisition, die auf die Übernahme von Mittelständlern aus den Branchen Industrie, Gesundheitswesen, Konsumgüter und Technologie abzielt. Full Circle Capital, eine weitere Private-Equity-Firma mit Hauptsitz in Großbritannien, trug gerade zur Abwanderung bei, indem sie beim IPO von Golden Falcon Acquisition in den USA 300 Mill. Dollar aufnahm. UBS und Moelis konnten das Angebot von ursprünglich 250 Mill. Dollar sogar aufstocken. Golden Falcon, das vom Ex-Barclays- und KKR-Banker Makram Azar geleitet wird, hat Telekom-Assets in Europa im Visier.

Struktureller Vorteil in USA

Neben der Handelsliquidität gibt es strukturelle Details, die es für Spacs vorteilhaft machen, in den USA zu notieren. Während US-Spacs den Anlegern die Möglichkeit geben, ihre Anteile zurückzugeben, wenn ihnen eine geplante Akquisition nicht gefällt, sind sie bei den in Europa notierten Spacs typischerweise dazu verpflichtet, sich zu beteiligen. Noch ein Problem besteht darin, dass der Handel bei europäischen Spacs oft nach der Vereinbarung einer Übernahme bis zu deren Abschluss ausgesetzt wird, wodurch die Anleger gezwungen sind, die Spac-Anteile in der Zwischenzeit als illiquiden Vermögenswert zu verbuchen.

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