Recht und Kapitalmarkt

Europäische Nachbarn machen Druck auf die GmbH

Ist die Wettbewerbsfähigkeit der Rechtsform noch zu retten? - Durchgreifende Reformen sind nötig

Europäische Nachbarn machen Druck auf die GmbH

Von Carsten Flaßhoff und Dr. Michael Krömker *)Die Rechtsform der GmbH steht unter erheblichem Druck. Ein halbherziger Reformversuch der Regierung wurde im Bundestag gestoppt, und auch CDU-Pläne zur Einführung einer “Unternehmensgründergesellschaft” ohne Stammkapital führen nicht daran vorbei: die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH ist nur noch durch eine ausgewachsene Reform zu retten – das zeigt ein Vergleich mit den europäischen Nachbarn. Reformbedarf verdrängtSeit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs “Überseering” und “Inspire Art” können Unternehmen in Deutschland statt der GmbH auch haftungsbeschränkte Rechtsformen anderer EU-Staaten nutzen, soweit der andere Staat deren ausschließliche Geschäftstätigkeit jenseits seiner eigenen Grenzen zulässt. Immer beliebter wurden infolgedessen die englische Limited und andere Rechtsformen, die insbesondere durch ihr niedriges oder gar nicht vorhandenes Mindestkapital attraktiv sein können. Als Reaktion hierauf wollte die Bundesregierung das Mindestkapital der deutschen GmbH von 25 000 auf 10 000 Euro senken. Eine Verabschiedung noch vor den Neuwahlen verhinderte die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag durch Anrufung des Rechtsausschusses. Aber die Reform wäre ohnehin unzureichend gewesen – und dies nicht nur, weil durch die Absenkung nicht einmal der europäische Mindestkapital-Durchschnittswert von ca. 9 000 Euro erreicht worden wäre. Zunächst muss sich der Gesetzgeber fragen, ob ein (vom Umsatz unabhängiges) Mindestkapital heute überhaupt noch ein probates Mittel gegen die Unterkapitalisierung einer Gesellschaft in ihrer Gründungsphase und zugleich Ausweis der hinreichenden Seriosität der Gesellschafter ist. Auch stellt sich die Frage, ob sich das durch Gesetz, zahlreiche Analogien und unübersehbare Rechtsprechung überregulierte Kapitalerhaltungs- und -ersatzrecht nicht durch einfachere und transparentere Regelungen ersetzen lässt.Außerdem muss eine Reform die immer häufigeren “Firmenbeerdigungen” in den Griff bekommen. Dabei wird eine überschuldete oder zahlungsunfähige GmbH zur Umgehung der gesetzlichen Liquidations- und Insolvenzvorschriften auf einen “Firmenbestatter” übertragen. Der wiederum beruft den alten Geschäftsführer ab, entlastet ihn und verlegt den Sitz der Gesellschaft an einen Ort, an dem es für die Gläubiger schwierig ist, auf die Gesellschaft zuzugreifen. All diese Probleme hatte die Bundesregierung ausweislich der Gesetzesbegründung des gescheiterten Entwurfs erkannt, ihre Lösung allerdings ausdrücklich auf unbestimmte Zeit verschoben. Langwierige ProzedurAuch in anderen Bereichen ist die GmbH heute nicht mehr wettbewerbsfähig. Das deutsche Recht erlaubt es der GmbH nach wie vor nicht, Geschäftsführung und Geschäftstätigkeit ausschließlich im europäischen Ausland zu haben, die Registrierung im deutschen Handelsregister dabei jedoch zu behalten. Auch die Handelsregisterdaten lassen sich noch immer nicht flächendeckend elektronisch abrufen, ganz zu schweigen von einem zentralen Unternehmensregister. Außerdem dauert die Eintragung einer neugegründeten Gesellschaft in das Handelsregister – von Ausnahmen abgesehen – immer noch mehrere Wochen. Schließlich stellt sich die Frage, ob das Beurkundungsbedürfnis für die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen noch zeitgemäß ist.Die europäischen Nachbarn machen vor, dass es anders geht. Die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Staat unter Beibehaltung des registrierten Sitzes im Heimatstaat lassen nicht nur England und die Niederlande zu, sondern auch die Tschechische Republik, Italien, Malta sowie die skandinavischen EU-Staaten. Unter gewissen rechtlichen Einschränkungen ist dies auch in Belgien und Luxemburg sowie Portugal, Spanien und Slowenien möglich. Konkurrieren muss die GmbH derzeit also mit ihren Schwestergesellschaften aus diesen Ländern, ohne jedoch selbst die Möglichkeit zu haben, in ein anderes Land verlegt zu werden.Auch in Bezug auf die Gründungsformalitäten finden sich im europäischen Ausland Staaten, die wesentlich unbürokratischere Verfahren anbieten, ohne dass die jeweilige Rechtsform dort als unseriös empfunden würde. So bedarf es unter anderem in den Staaten, die dem angelsächsischen Rechtssystem angehören, also Großbritannien, Irland, Malta und Zypern, und außerdem in Dänemark, Schweden und Finnland keiner Beteiligung eines Notars zum Aufsetzen der Gründungsdokumente der jeweiligen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob die Einbindung eines Notars bei der Gründung einer deutschen GmbH noch zeitgemäß ist. Historische Argumente des Gesetzgebers von 1892 waren zwar die Belehrungsfunktion des Notars und der Schutz der Gründer vor Übereilung. Kann dies jedoch im Informationszeitalter, in dem sich die Gründer aus vielfachen Quellen über die Risiken der Gründung und ihre Pflichten informieren können, und angesichts der Notwendigkeit, Existenzgründungen in Deutschland stärker zu fördern, immer noch gelten? Oder wäre hier nicht etwa Dänemark ein nachahmenswertes Vorbild, das eine Onlinegründung ermöglicht? Schnelligkeit zähltBei der Geschwindigkeit der Eintragung ins Register, die Voraussetzung für die Erlangung der Rechtsfähigkeit und Haftungsbeschränkung ist, kann Deutschland ebenfalls von den Nachbarn lernen. Während in der Slowakei die Register gesetzlich verpflichtet sind, die Eintragung innerhalb von maximal fünf Werktagen vorzunehmen, ist in Dänemark und Finnland sowie in Großbritannien und Malta eine Eintragung der Gesellschaft sogar noch am Tag der Gründung ohne weiteres möglich. Wählt man die in Dänemark mögliche Online-Registrierung, dauert diese nur 15 bis 20 Minuten. Angesichts der geringen Formalitäten wundert es nicht, dass die Gründung einer ausländischen GmbH in den skandinavischen und angelsächsischen Ländern im europaweiten Vergleich am kostengünstigsten ist. Während in Großbritannien die Registrierung der Gesellschaft, abgesehen von möglicherweise erforderlichen Rechtsberatungskosten, lediglich 30 Euro kostet, ist sie in Dänemark völlig kostenfrei.Auch die in Deutschland erforderliche Beurkundung einer Anteilsübertragung ist nur in wenigen europäischen Staaten bekannt. Die Kostenlast führt bekanntlich zum rechtlich nicht ganz unbedenklichen “Beurkundungstourismus” in die Schweiz. Einige der EU-Beitrittstaaten, etwa Polen, Tschechien und Slowenien, folgen dem deutschen und österreichischen Modell zwar. Die Mehrzahl der europäischen Staaten verfolgt allerdings das Ziel, die Handelbarkeit von GmbH-Geschäftsanteilen einzuschränken, mit anderen Maßnahmen, etwa Zustimmungsvorbehalten bestimmter Gremien der Gesellschaft oder Anteilsregistern, die durch die Geschäftsführung der Gesellschaft geführt werden. Solche Anteilsregister mit Beweiskraft für und gegen jedermann sind etwa in Litauen, Slowenien, Dänemark und Schweden bekannt. Kette von ÜbertragungenMit ihnen könnte sich ein anderes Problem der GmbH-Praxis lösen lassen: Das Eigentum an GmbH-Anteilen lässt sich derzeit in Deutschland nur mittels einer ununterbrochenen Kette von notariellen Anteilsübertragungen beweisen. Bei einer Jahrzehnte alten GmbH ist dies oft nur mit großem Aufwand, manchmal überhaupt nicht mehr möglich.Neben der Mindestkapital- und Haftungsproblematik werden also viele Aspekte des GmbH-Rechts in den europäischen Nachbarländern flexibler und unbürokratischer gehandhabt. Wer heute schnell und kostengünstig eine haftungsbeschränkte Rechtsform benötigt, wählt schon jetzt die englische Limited, die niederländische BV oder eine skandinavische Rechtsform. Weitere Reformen in diesen und anderen EU-Mitgliedstaaten sind geplant. Diesem Druck kann der deutsche Gesetzgeber nur eine umfassende Modernisierung des GmbH- und Registerrechts entgegensetzen.*) Carsten Flaßhoff ist Rechtsanwalt und Junior Partner, Dr. Michael Krömker Rechtsanwalt im Kölner Büro von Linklaters Oppenhoff & Rädler.