RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ALEXANDER CAPPEL

Europäische Unternehmen in realer Sanktionsgefahr

Folge der Aufkündigung der Iran-Vereinbarungen durch die US-Regierung

Europäische Unternehmen in realer Sanktionsgefahr

– Herr Cappel, die USA ziehen sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurück. Die EU und die anderen Partner wollen – Stand jetzt – das Abkommen halten. Was bedeutet diese Gemengelage für deutsche Unternehmen mit Iran-Geschäft?Die weitreichenden neuen Sanktionen der USA gegen den Iran haben für Verunsicherung gesorgt. Im Iran tätige Unternehmen laufen jetzt sehr real Gefahr, durch die USA sanktioniert zu werden – selbst wenn ihre Geschäfte auf Basis der aktuellen EU-Sanktionen möglich sind und sie Maßnahmen ergriffen haben, nicht unter den Anwendungsbereich von US-Sanktionen zu fallen. Um sich diesem Risiko nicht auszusetzen, bliebe betroffenen Unternehmen nur die Möglichkeit des Rückzugs aus dem Iran-Geschäft. Dabei wiederum drohen erhebliche wirtschaftliche Schäden, da Projekte meist längerfristig angelegt sind. – Sind Geschäfte im Iran damit auch für europäische und deutsche Unternehmen grundsätzlich am Ende?Man wird beobachten müssen, inwieweit Deutschland und die EU im Iran tätige Unternehmen vor Sanktionen oder Strafen durch die USA schützen können. Rein rechtlich könnten deutsche Unternehmen im bisherigen Rahmen weitermachen. Doch faktisch wird der Druck aus den USA enorm wachsen, und vor allem Banken werden noch zurückhaltender agieren. Viele Unternehmen, die zuletzt den Schritt in den Iran gewagt haben, werden sich überlegen, diese Geschäfte wieder rückabzuwickeln, wenn sie hierfür rechtliche Möglichkeiten sehen. – Wie lang ist der Arm der US-Behörden bei Wirtschaftssanktionen, wie weitreichend der Begriff des US-Bezugs?Dieser US-Bezug dürfte künftig noch weiter ausgelegt werden als bisher. In der Praxis tun sich deutsche Unternehmen oft schwer, den Ausgriff von amerikanischen Sanktionen zu überblicken, und laufen so Gefahr, unwissentlich in den Anwendungsbereich hineinzurutschen. Sogenannte US Primary Sanctions greifen, wenn in das konkrete Iran-Geschäft eine US-Person involviert ist – also US-Staatsbürger, Greencard-Inhaber oder US-Gesellschaften – oder andere US Elements bestehen – etwa Zahlungen in Dollar oder Lieferung von US-Ursprungswaren. – Wie weit geht das? Es kann auch reichen, wenn Personen involviert sind, die sich physisch in den USA aufhalten und aktiv an Iran-Geschäft mitwirken. Hinzu kommen US Secondary Sanctions, die bereits drohen, wenn ein Iran-Geschäft als “significant transaction” mit von den USA sanktionierten Personen und Gesellschaften gewertet wird. Dass die USA alle deutschen Unternehmen aufgefordert haben, sich aus dem Iran zurückzuziehen, könnte heißen, dass man gewillt ist, die schwarzen Listen zu verlängern und Unternehmen auch für Iran-Geschäfte ohne jeden US-Bezug zu sanktionieren. – Welche Risiken und Strafen drohen deutschen Unternehmen bei Beibehaltung von Geschäftsbeziehungen, die durch die USA sanktioniert werden? Bei Verstößen gegen US Primary Sanctions drohen hohe Strafzahlungen, die sich am Geschäftsvolumen orientieren. Mitunter können diese Strafen in die Milliarden gehen. Bei Secondary Sanctions drohen betroffene Unternehmen selbst auf die US-Listen zu geraten und damit mittelbar aus dem US-Markt gedrängt zu werden, weil US-Personen verboten wäre, mit diesen Unternehmen Geschäfte zu machen. Möglich sind auch individuelle Strafen gegen Unternehmensmanager.- Wie können sich deutsche Unternehmen auf die zunehmenden Unsicherheiten vorbereiten?Im Iran tätige Unternehmen sollten prüfen, ob sie unmittelbar in den Anwendungsbereich der US-Sanktionen fallen könnten. Da die USA eine “wind-down period” von 90 bis 180 Tagen eingeräumt haben, sollte geprüft werden, ob laufendes Iran-Geschäft in dieser Zeit abgewickelt werden kann. Solche Schritte haben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen, deshalb werden Unternehmen beobachten, ob EU oder Bundesregierung Möglichkeiten eröffnen, laufende Iran-Geschäfte fortzuführen. Darauf verlassen sollte man sich aber nicht.—-Dr. Alexander Cappel ist Counsel im Frankfurter Büro von Clifford Chance und berät zu Ermittlungen, Verfahren, internen Untersuchungen, Compliance und Sanktionen. Die Fragen stellte Walther Becker.