FINANZEN UND TECHNIK

Experimentierfeld digitaler Geschäftsbericht

Unternehmen halten eisern an Printausgabe ihrer Bilanzen fest - Der Gesetzgeber verpflichtet dazu nicht

Experimentierfeld digitaler Geschäftsbericht

Von Katharina Gail, Frankfurt”Große Veränderungen fangen klein an”, hängt die Deutsche Telekom allen E-Mails ihrer Mitarbeiter an. Um Ressourcen zu schonen, möge der Empfänger Telekomscher Nachrichten davon absehen, diese auszudrucken. Der Umwelt zuliebe gänzlich auf Papier verzichten wollen die Bonner selbst dann aber doch nicht. Den Geschäftsbericht lässt der Konzern Jahr für Jahr drucken. Eine gängige Praxis, nach der bislang alle im Dax notierten Unternehmen verfahren, obwohl dazu keine Pflicht besteht. Dem Gesetzgeber zufolge ist ein Printexemplar nämlich nicht erforderlich, um die handels- und kapitalmarktrechtlichen Publizitätsanforderungen zu erfüllen.In einigen Fällen ist die gedruckte Version des Geschäftsberichts nicht einmal mehr zulässig. Gemäß den Publizitätspflichten der Deutschen Börse müssen im Prime Standard gelistete Unternehmen ihre Zahlen seit Anfang 2003 via Exchange Reporting System elektronisch übermitteln. Seit 2006 sind sie zudem nach Handelsrecht dazu angehalten, offenlegungspflichtige Unterlagen beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers in digitaler Form einzureichen.Dass Unternehmen trotzdem so eisern am papiernen Bericht festhalten, hängt vornehmlich mit den Publizitätspflichten während der Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung (HV) zusammen. In der Theorie besteht hier zwar auch keine Pflicht zu drucken. Voraussetzung ist dann aber, dass die Bilanz vor der HV auf der firmeneigenen Homepage zugänglich gemacht und während der HV ausgelegt wird. Um Letzteres zu gewährleisten, steht es den Unternehmen dabei frei, elektronische Medien – wie z. B. ein iPad – einzusetzen.Für die Deutsche Post ist das keine Option: “Die Hauptversammlung mit iPads zu pflastern ist derzeit nicht realistisch.” Man stelle keine Überlegungen an, den Geschäftsbericht ausschließlich elektronisch zu veröffentlichen. Eine Erklärung liefern die Bonner nicht mit, ausschlaggebend sind hier aber offenbar die Kosten; Deutsche Bank, Telekom und SAP schieben wiederum dem Aktionär den schwarzen Peter zu. Der verlange explizit nach einer gedruckten Fassung.”Die Zugriffsrate auf unseren Online-Bericht nimmt seit Jahren stetig zu”, weist unterdessen der Chemiekonzern BASF aus. Die Zahl der Abonnenten des Print-Jahresabschlusses sei hingegen rückläufig. Noch überwöge bei den Aktionären der Wunsch nach einer gedruckten Broschüre. Durch den “stattfindenden Generationswechsel in der Zielgruppe” könne man sich aber durchaus vorstellen, in einigen Jahren auf die papierne Version zu verzichten.Bis die Online-Ausgabe den gedruckten Bericht ersetzen kann, muss allerdings mehr als ein Generationswechsel ins Land ziehen. Die Möglichkeiten, einen Geschäftsbericht online zu präsentieren, nutzen bislang nur 67 % der Dax-Unternehmen voll aus (siehe Grafik). Dabei können Firmen im Vergleich zum schlichten PDF-Upload ihres Berichts gerade hier punkten. In der in HTML programmierten Vollversion hat der Nutzer Zugriff auf Kennzahlenvergleiche, interaktive Tabellen oder Links zu Definitionen.Bei allen Chancen die das Internet bietet, birgt es aber auch eine Reihe von Risiken. So laufen Unternehmen Gefahr, den Leser online mit Informationen zu fluten. Das ist mitunter eher unübersichtlich als anwenderfreundlich. Problematisch ist auch, dass online bislang keine Trennungspflicht zwischen geprüften und nicht geprüften Inhalten besteht. Im Gegensatz zu auf Papier verewigten und deshalb schwer zu fälschenden Zahlen lauert im World Wide Web darüber hinaus auch immer die Gefahr, dass Zahlen manipuliert werden.