RECHT UND KAPITALMARKT

Experten fordern mehr Schutz vor Übernahmen

Freshfields-Studie gibt politischer Debatte Futter

Experten fordern mehr Schutz vor Übernahmen

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Der vom Abwehrkampf des Baukonzerns Hochtief gegen die spanische ACS ausgelöste Sturm hat sich gelegt, doch die Diskussion über einen Reformbedarf im deutschen Übernahmerecht läuft hinter den Kulissen weiter. In der Politik gibt es nach wie vor Bestrebungen, den Schutz vor Übernahmen zu verbessern.Entsprechend hatten sich Sachverständige Anfang November in einem Fachgespräch des Finanzausschusses des Bundestags geäußert. Im Anschluss sind Prüfaufträge an Bundesjustiz- bzw. Finanzministerium gegangen. Untersucht werden sollen dort Sanktionen für die Verletzung von Meldepflichten bei Übernahmen sowie die Möglichkeit von Stimmrechtshöchstgrenzen in Unternehmenssatzungen, sagen Beteiligte. Richtlinie unter der LupeParallel läuft die Überprüfung der EU-Übernahmerichtlinie aus dem Jahr 2004. Die zu Mazars gehörende Kanzlei Marccus Partners hat aus Brüssel den Auftrag erhalten, die nationale Umsetzung der Richtlinie zu untersuchen und Kontrollstrukturen und Übernahmehindernisse unter die Lupe zu nehmen. Grundlegendere Reformen dürften erst nach Veröffentlichung dieses Gutachtens, die nicht vor Januar 2012 erwartet wird, erörtert werden.Unterlegt wird die Diskussion mit einer Studie der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die 375 Experten aus Unternehmen, Investmentbanken, Wissenschaft, Anlegergruppen, Rechtsberatung und Gewerkschaften befragt hat – mit einem Rücklauf von 158 Antworten. Die Mehrheit hat sich dafür ausgesprochen, deutsche Unternehmen stärker vor Übernahmen zu schützen. Erschwert werden solle speziell die Strategie von Bietern, sich möglichst kostengünstig eine Kontrollposition von mehr als 30 % zu verschaffen, um die Beteiligung danach sukzessive auszubauen (sog. Low Balling) – so geschehen bei ACS/Hochtief, Deutsche Bank/Postbank, VW/MAN. Seit dem gehäuften Auftreten dieser Praxis wird auch hierzulande diskutiert, ob einem Anschleichen (“Creeping in”) zu Niedrigstkursen ein Riegel vorgeschoben werden soll. Überlegt wird, oberhalb der Schwelle von 30 % der Stimmrechte ein weiteres Pflichtangebot an die außenstehenden Aktionäre vorzuschreiben, wenn innerhalb von zwölf Monaten mehr als 2 % an der Zielgesellschaft dazu erworben werden. Diesen Vorschlag unterstützt die Mehrheit der Befragten in der Studie. Auch in anderen großen europäischen Ländern sind solche Klauseln üblich.Freshfields-Partner Christoph H. Seibt, der Initiator der Umfrage und Sachverständiger im Bundestag-Finanzausschuss, regt jedoch an, “die Effekte auf den Übernahmemarkt vor einer Gesetzesänderung sehr sorgfältig zu prüfen”. Seibt sieht eine mögliche Lösung für die Low-Ball-Angebote in der Nachjustierung der Nacherwerbsregeln. Bislang ist ein Bieter, der innerhalb von zwölf Monaten nach seinem Angebot zu einem höheren Preis zukauft, von einer Nachbesserung befreit, wenn die Aktien über die Börse erworben werden. Diese Ausnahme könnte man streichen und erspart damit die Einführung eines weiteren Pflichtangebots, meint der Jurist.In der Freshfields-Studie hat sich die Mehrheit dafür ausgesprochen, an der am Börsenkurs orientierten Mindestpreisvorschrift festzuhalten. Abgelehnt werden Überlegungen, die Aufsichtsbehörde BaFin mit der Befugnis zur Änderung des Mindestpreises auszustatten. Dafür plädierte allein die Mehrheit der Gewerkschaftsvertreter – allerdings nur zur Erhöhung des Mindestpreises.In Unternehmen findet der Vorschlag großen Zuspruch, eine Stimmrechtshöchstgrenze in der Satzung festschreiben zu dürfen. Diese Satzungsfreiheit besteht laut Seibt in der Schweiz sowie einer Vielzahl der EU-Mitgliedsländer und findet breite Resonanz in der deutschen Politik – dort weniger als Übernahmeschutz, sondern als Unterstützung für Familienunternehmen, die an die Börse möchten. Für große Konzerne mit internationalem Aktionärskreis wäre eine nachträgliche Einführung eines solchen Höchststimmrechts auch kaum zu erreichen.Breite Unterstützung – auch bei Seibt – findet die in Großbritannien jüngst eingeführte “Put-up-or-shut-up”-Regel. Analog könnte die BaFin im Fall von Übernahmegerüchten den potenziellen Bieter auffordern, sich innerhalb einer kurzen Frist zu erklären.