Fairness für den Anleger
Wenn es um den Anlegerschutz geht, vertreten einige Verbraucherschützer und so mancher Politiker einen simplen, aber vermeintlichen wirksamen Lösungsansatz: am besten alle komplexen und undurchsichtigen Finanzprodukte verbieten. Solche Produkte würden ja ohnehin nur große Risiken bergen und außerdem versteckte Kosten beinhalten. Das hört sich gerade vor Wahlen nach einem pragmatischen und tatkräftigen Vorschlag an.Für das Verbot eines gefährlichen Finanzprodukts müssen allerdings nachprüfbare Kriterien definiert werden. Häufig genannt werden in diesem Zusammenhang fehlende Transparenz, übermäßige Komplexität und zu hohes Risiko. Wer beispielsweise Zertifikate einer solchen Prüfung unterzieht, wird möglicherweise überrascht sein – und sich von liebgewordenen Fehl- und Vorurteilen verabschieden müssen. Spitzenplatz bei TransparenzDas für den Anlegerschutz wichtigste Kriterium ist eindeutig die Transparenz. Jeder Anleger sollte nur das Finanzprodukt kaufen, dessen wesentliche Eigenschaften er auch wirklich kennt. Zudem muss er vor Risiken geschützt werden, die er nicht erkennen kann und dementsprechend beim Kauf eines Finanzprodukts nicht freiwillig übernimmt. Dafür muss ein Finanzprodukt transparent sein. Wie schneiden hier Zertifikate ab?Auch wenn es die Kritiker nicht hören wollen: Zertifikate weisen ein Höchstmaß an Produkttransparenz auf. Der Anleger kennt stets den aktuellen Wert seines Zertifikats, er kennt die Vertriebskosten sowie den Basiswert, der dem Zertifikat zugrunde liegt. Zudem kann er das Zertifikat börsentäglich jederzeit problemlos wieder verkaufen. Er kann im Produktinformationsblatt leicht nachlesen, an welche Bedingungen die Rendite geknüpft ist. Und auch die Risiken werden bei den Zertifikaten klar benannt. Es gibt für jedes Zertifikat entsprechende Kennzahlen. Das alles trifft zumindest für viele gängige Finanzprodukte nicht zu.Pioniere sind die Zertifikate-Emittenten jetzt auch in Sachen Kostentransparenz. Die Mitglieder des Deutschen Derivate Verbands (DDV) haben vor kurzem die Kernpunkte eines neuen Fairness Kodexes verabschiedet. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Selbstverpflichtung mit strengen Leitlinien für die deutschen Zertifikate-Emittenten.Neu am Fairness-Kodex ist insbesondere die Selbstverpflichtung zur Kostentransparenz. So haben sich die Mitgliedsbanken darauf verständigt, künftig in den Informationsblättern den vom Emittenten geschätzten Wert (“Issuer Estimated Value”, kurz IEV) des Produkts als Prozentsatz oder in Euro auszuweisen. Der Differenzbetrag zwischen dem Ausgabepreis des Produkts gegebenenfalls zuzüglich eines Ausgabeaufschlags und dem vom Emittenten geschätzten Wert (IEV) beinhaltet die erwartete Emittentenmarge und gegebenenfalls eine Vertriebsprovision. Die erwartete Emittentenmarge deckt u.a. die Kosten für Strukturierung, Handel und Abwicklung des jeweiligen strukturierten Wertpapiers ab und enthält auch den erwarteten Ertrag für den Emittenten.Bei jedem Finanzprodukt ist die erwartete Rendite ein zentrales Kaufkriterium, aber der Ausweis der Kosten bietet dem Anleger eine zusätzliche Orientierungshilfe. Bei Zertifikaten ist dies insbesondere in der Zeichnungsphase von Vorteil. Keine andere Branche hat sich bislang einer derart strengen Selbstverpflichtung bezüglich der Kostentransparenz unterworfen.Mangelnde Transparenz kann ein guter Grund für ein Produktverbot sein, aber gilt dies auch für eine zu hohe Komplexität und ein zu hohes Risiko? Für Zertifikate gilt: Aus der Komplexität eines Zertifikats kann man nicht auf sein Risikogehalt schließen.Bei Zertifikaten dient eine höhere Komplexität fast immer dazu, das Verlustrisiko für den Anleger zu verringern. Strukturierte Wertpapiere bestehen häufig aus zwei und manchmal aus mehr Komponenten. Das sichert den Anleger ab. So benötigt man zusätzliche Komponenten, um den 100-prozentigen Kapitalschutz von Kapitalschutz-Zertifikaten zu gewährleisten. Das macht sie zwar komplex, führt aber zu einem Höchstmaß an Sicherheit. Denn der Anleger erhält am Ende der Laufzeit mindestens den Nennwert des eingesetzten Kapitals zurück. Aktien und Mittelstandsanleihen haben zwar eine einfache Struktur, weisen aber ein weit größeres Risiko als die meisten Zertifikate auf. Es ist im Übrigen völlig willkürlich und höchst subjektiv, ob man ein Finanzprodukt als einfach oder als zu komplex einstuft.Strukturierte Produkte mit hohen Risiken wie Optionsscheine werden im Beratungsgeschäft der Banken nicht vertrieben. Man unterscheidet sehr genau zum einen Anleger, die im Rahmen einer Anlageberatung eher defensive Finanzprodukte erwerben, und zum anderen sogenannte Selbstentscheider, die ohne Beratung selbstständig investieren.Informierte Selbstentscheider erhalten risikoreiche Hebelprodukte nur auf ausdrücklichen Wunsch und müssen dafür ihre Termingeschäftsfähigkeit nachweisen. Weshalb sollten Banken ihren gut informierten Kunden diese aktiv nachgefragten Produkte vorenthalten müssen? Wer so etwas will, müsste konsequenterweise alle risikoreichen Finanzprodukte und damit auch Aktien oder Aktienfonds verbieten.Das wäre aber für eine sozialistische Planwirtschaft typisch, in der die oberste Planbehörde zu wissen glaubt, was für den Einzelnen gut ist. Mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung und einem freiheitlichen Rechtsstaat wie dem unseren ist dieser Ansatz nicht vereinbar. Zu Recht orientieren wir uns am Leitbild des mündigen Verbrauchers, der auch in finanziellen Dingen selbst entscheidet. Anlegerschutz ist sinnvoll und notwendig, aber es darf dabei keine Bevormundung von den Anlegern geben, die bereit sind, für höhere Renditechancen auch größere Risiken einzugehen.—-Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV).