ANLAGEPRODUKTE

Faktorzertifikate erobern den Markt

Handelsumsatz von 1,2 Mrd. Euro im Gesamtjahr erwartet - Anleger schätzen Hebel in trendstarken Phasen

Faktorzertifikate erobern den Markt

Hebelprodukte wie Optionsscheine und Knock-out-Papiere dominierten bisher den Handel. Einen rasanten Aufschwung haben zuletzt die Faktorzertifikate erlebt. Von den Anlegern werden der konstante Hebel und das fehlende Knock-out-Risiko geschätzt. Doch die Struktur birgt Risiken in volatilen Seitwärtsphasen des Marktes.Von Armin Schmitz, FrankfurtFaktorzertifikate haben den Nerv der Anleger getroffen wie kaum ein Produkt vorher. Die Zertifikate, die einen konstanten Hebel bieten, keine Gefahr eines Knock-out bergen und ohne Laufzeitbegrenzung ausgestattet sind, haben in sehr kurzer Zeit einen festen Platz unter den Hebelprodukten erobert. Erzielten rund 500 Produkte im Januar 2011 auf Scoach noch einen Umsatz von 7,3 Mill. Euro, kamen 878 Papiere ein Jahr später bereits auf ein Handelsvolumen von 28,6 Mill. Euro monatlich. Im September 2012 generierten 1 138 Faktor-Produkte bereits einen Umsatz von fast 40 Mill. Euro. Im gesamten Jahr 2011 lagen die Umsätze bei geschätzten 200 Mill. Euro. Experten erwarten, dass der Börsenumsatz in Stuttgart und Frankfurt im Gesamtjahr 2012 hochgerechnet bei 1,2 Mrd. Euro liegen wird.Obwohl bereits 2004 von Goldman Sachs als Rolling Turbos eingeführt, ging die Erfolgsgeschichte erst mit der Einführung als Faktorzertifikate durch die Commerzbank 2009 los. “Der Handel hat sich in den vergangenen Jahren moderat entwickelt. Seit dem Frühjahr 2012 steigt der Umsatz kontinuierlich an”, sagt Thomas Kolb von Scoach. Mittlerweile bieten neben den beiden genannten Häusern auch die Deutsche Bank, die Raiffeisen Centrobank und die Royal Bank of Scotland Faktorzertifikate an. Obwohl sie derzeit noch als Partizipationszertifikate eingestuft werden, sind es faktisch Hebelprodukte. “Die Branche sollte die Produkte in eine eigene Kategorie einordnen”, sagt Kolb und weist dabei auch auf die Risiken hin. Zwei verschiedene SystemeBei diesen Papieren werden im Wesentlichen zwei verschiedene Underlying-Systeme genutzt. Während den Commerzbank-Zertifikaten ein selbst berechneter Strategieindex zugrunde liegt, der die Bewegungen des Basiswerts mit moderaten Hebeln (Faktoren) verstärkt, nutzt die Deutsche Bank den von der Deutschen Börse kreierten ShortDax oder den LevDax als Basiswert. Die Hebel sind im Vergleich zu den seit Jahren am Markt befindlichen Mini-Futures, Waves oder Turbos relativ niedrig. Die angebotenen Faktoren bewegen sich meist zwischen 2 und 6. So hält sich das Risiko noch in Grenzen. Damit sprechen diese Produkte nicht nur spekulativ eingestellte Selbstentscheider, sondern auch konservative Anleger an.Der Faktor bzw. Hebel wird am Ende eines jeden Handelstages quasi wieder auf den Ausgangspunkt zurückgestellt. Damit unterscheidet sich das Produkt von den Optionsscheinen oder Knock-out-Zertifikaten, bei denen sich auch der Hebel verändert, sofern der Kurs des Basiswertes steigt oder fällt.Mit Hilfe des Faktor 4x LevDax Indexzertifikats der Deutschen Bank (DE000DE4LEV7) erklärt sich die Funktionsweise. Der Index basiert auf den täglichen Bewegungen des Index und bildet die Entwicklung des deutschen Leitindex gegenüber dem jeweiligen Vortag mit einer Hebelwirkung von + 4 ab. Steigt der Dax also um 2 %, müsste der LevDax quasi um 8 % steigen. Der Hebel beziehungsweise Faktor bleibt täglich gleich. Basierend auf den täglichen Schlusskursen des Dax wird die Hebelwirkung an jedem Handelstag wieder auf + 4 zurückgesetzt.Zusätzlich zur gehebelten Entwicklung des Dax beinhaltet der LevDax auch die durch die Anlagestrategie anfallenden Zinszahlungen in Höhe des dreifachen Tagesgeldsatzes. Faktorzertifikate bieten besonders in trendstarken Phasen Chancen. Wegen der Berechnung auf täglicher Basis entspricht dann allerdings die Entwicklung, die sich daraus ergibt, nicht mehr exakt der vierfachen Wertentwicklung des Dax über den gleichen Zeitraum. Der Vorteil des LevDax und des ShortDax ist die Transparenz. Anleger können die laufenden Aktualisierungen auf der Indexseite der Deutschen Börse verfolgen.In der Praxis bildet das Produkt die Veränderungen der Indizes meist nicht linear ab. Bei den Faktorzertifikaten wird der Kursverlauf durch die sogenannte Pfadabhängigkeit beeinflusst; ein Phänomen, das von den Leverage- oder Short-ETF bekannt ist. Die Abbildungsqualität ist von der Volatilität abhängig. Sie ist in Zeiten geringer Marktvolatilität am besten. Wegen der Eonia-Komponente kann das Zertifikat sogar den Index schlagen. Problematisch wird es, wenn es zu einem starken Volatilitätsanstieg kommt. Es zeigt sich, dass die Beziehung zum Index nachlässt, was von den Experten als Pfadabhängigkeit bezeichnet wird. Steigt die Volatilität an, schwächt sich auch die Performance ab, was negative Konvexität genannt wird. Die laufende Anpassung des Hebels und die Pfadabhängigkeit verschlechtern die Möglichkeit, eine Absicherung eines Portfolios vorzunehmen, wie man es von Futures oder Optionen kennt. Der Anleger muss eine laufende Anpassung des Bestands vornehmen.Schlecht wirkt sich auch eine volatile Seitwärtsbewegung auf die Faktorzertifikate aus. Aufgrund der täglichen Anpassung des Hebels, die die tägliche Kursentwicklung der Aktie bei der Indexberechnung berücksichtigt, kann es zu Verlusten in dem Faktorzertifikat kommen, obwohl der Basiswert am Ende der Seitwärtsphase wieder sein ursprüngliches Kursniveau erreicht. Je höher der Hebel, desto stärker die Einbußen.Die Faktorzertifikate eignen sich am ehesten für erfahrene Anleger für den kurzfristigen Einsatz in Märkten, in denen ein eindeutiger konstanter Trend vorliegt. Sie entwickeln sich in den trendstarken Phasen besser als die Knock-out-Produkte mit anfänglich vergleichbarem Hebel. Im Vergleich zu diesen gibt es aber zudem keine Knock-out-Schwelle, die bei einer Verletzung zu einem Totalverlust führt.