RECHT UND KAPITALMARKT

Fallstricke beim Kauf aus der Insolvenz

Einsatz synthetischer Gewährleistungsversicherungen kann Haftungsrisiken eindämmen - Keine Wunderwaffe

Fallstricke beim Kauf aus der Insolvenz

Von Martin Tasma und Frank Burmeister *)Der Unternehmenskauf aus der Insolvenz unterscheidet sich von sonstigen M&A-Transaktionen in vielerlei Hinsicht. Die wohl prägendste Besonderheit besteht darin, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen einer übertragenden Sanierung (Erwerb des fortzuführenden Unternehmens im Wege des Asset Deal) nicht bereit ist, im Unternehmenskaufvertrag operative oder finanzielle Gewährleistungen abzugeben.Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen kennt der Insolvenzverwalter das insolvente Unternehmen zum Zeitpunkt der Veräußerung erst seit einigen Wochen und kann keine verlässlichen Aussagen zu dessen Zustand machen. Zum anderen ist der Verwalter daran interessiert, die Insolvenzmasse von langlaufenden Gewährleistungszusagen freizuhalten. Denn Gewährleistungsverbindlichkeiten sind als Masseverbindlichkeiten vorrangig zu befriedigen. Die hierfür vom Insolvenzverwalter zu bildenden Rückstellungen blockieren die Verteilung der Insolvenzmasse bis zum Ablauf der vereinbarten Gewährleistungsfrist. Schranken für InvestorenInsbesondere internationale Investoren hadern oftmals mit dem Umstand, dass der Erwerb aus der Insolvenz nicht durch Gewährleistungszusagen abgesichert wird. Bestimmten Finanzinvestoren ist der Unternehmenskauf ohne Verkäufergewährleistungen sogar durch interne Regularien untersagt. Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, ob das Fehlen von Verkäufergewährleistungen den Käuferwettbewerb um insolvente Unternehmen und somit eine effiziente Preisbildung beeinträchtigt. Dies ginge letztlich zulasten der Insolvenzgläubiger.Eine Lösung dieses Zielkonflikts – Haftungsminimierung bei gleichzeitiger Kaufpreisoptimierung – schien lange nicht in Sicht. Insbesondere die im normalen M&A-Geschäft mittlerweile marktüblichen Gewährleistungsversicherungen (sog. Warranty&Indemnity-Versicherungen, kurz “W&I-Versicherungen”), versprechen keine Abhilfe. Dies hat mit der Konstruktion solcher Versicherungen zu tun: Hier haftet der Versicherer dem Käufer für Verstöße gegen Gewährleistungen, die der Verkäufer gegenüber dem Käufer im Unternehmenskaufvertrag abgibt. Dabei beschränkt der Verkäufer seine Haftung gegenüber dem Käufer weitgehend, oft sogar nur auf 1 Euro.Eine solche Haftungsbeschränkung ist indes unwirksam, wenn der Verkäufer Gewährleistungszusagen ohne Prüfung “ins Blaue hinein” tätigt. Da Insolvenzverwalter eine solche Prüfung regelmäßig nicht durchführen, bergen Gewährleistungszusagen trotz umfassender Haftungsbeschränkungen Haftungsrisiken für den Insolvenzverwalter.Transaktionsberater und Versicherer diskutieren deshalb, ob dieser Zielkonflikt durch den Einsatz sogenannter synthetischer W&I-Versicherungen aufgelöst werden kann. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der Versicherer die Gewährleistungszusagen selbst abgibt, während der Verkäufer im Kaufvertrag überhaupt keine Zusagen macht und daher – so die Befürworter – keine Haftung für Aussagen ins Blaue hinein fürchten muss.Zwar sind synthetische Versicherungen zumindest bei großvolumigen Käufen aus der Insolvenz bislang nicht zum Einsatz gekommen. Nach Angabe von Versicherungsmaklern arbeiten Versicherer jedoch mit Hochdruck an diesem Produkt. Voraussetzung für eine Haftungsübernahme durch die Versicherung soll dabei sein, dass der Insolvenzverwalter dem Kaufinteressenten Unternehmensinformationen in einem Umfang zur Verfügung stellt, der eine angemessene Käufer-Due-Diligence ermöglicht. Zusätzlich soll erforderlich sein, dass der Versicherer Zugang zu Wissensträgern im insolventen Unternehmen bekommt, um die Ergebnisse der Käufer-Due-Diligence zu hinterfragen und die erforderlichen Anlagen zu den Gewährleistungszusagen (z. B. Liste anhängiger Rechtsstreitigkeiten) zu erstellen. Haftungsbedrohte Zusagen sollen weder der Insolvenzverwalter noch die befragten Wissensträger machen müssen.Ob sich synthetische W&I-Versicherungen beim Kauf aus der Insolvenz durchsetzen werden, hängt davon ab, wie groß das Bedürfnis in der Praxis tatsächlich ist und ob das Produkt so konzipiert wird, dass keine zusätzlichen Haftungsrisiken für die Beteiligten entstehen. Letzteres wäre der Fall, wenn der Insolvenzverwalter keine vertraglichen Zusagen – weder gegenüber dem Käufer noch gegenüber der Versicherung – abgeben und lediglich Informationen für eine Due Diligence zur Verfügung stellen muss.Auch heute stellen Verwalter Kaufinteressenten Informationen zur Verfügung, auf deren Grundlage diese ihre Kaufentscheidung treffen. Geben Insolvenzverwalter keine Gewährleistungen ab, haftet die Insolvenzmasse bzw. der Verwalter nur bei Vorsatz und arglistiger Täuschung. Holt der Käufer eine synthetische W&I-Versicherung ein und gibt der Insolvenzverwalter keine Gewährleistung ab, ändert sich insofern nichts. Insbesondere besteht auch keine erhöhte Prüfungspflicht aufseiten des Insolvenzverwalters. SpezialinstrumentAllerdings ist zu hinterfragen, ob das Bedürfnis nach synthetischen W&I-Versicherungen tatsächlich so groß ist wie teilweise behauptet. Da der Käufer die Passivseite des insolventen Rechtsträgers beim Asset Deal aus der Insolvenz zurücklässt, liegt sein Hauptaugenmerk auf der Aktivseite der Bilanz. Insofern gilt zwar, dass Insolvenzverwalter regelmäßig keine Gewährleistungen zu Rechtsinhaberschaft oder Lastenfreiheit der Kaufgegenstände abgeben. Allerdings zeigen sich Verwalter oft bereit, diese Themen über betragsmäßig begrenzte Kaufpreisanpassungsmechanismen zu regeln.Synthetische W&I-Versicherungen versprechen unter diesem Aspekt nur begrenzten Mehrwert. Andere zentrale Themen wie das Bestehen bedeutsamer, überzuleitender Vertragsverhältnisse kann der Käufer anderweitig adressieren – etwa durch Verständigung mit dem jeweiligen Vertragspartner, derer es zur Überleitung von Vertragsverhältnissen ohnehin bedarf. Und auch mit Blick auf den aus Käufersicht relevanten Umstand der Richtigkeit historischer Jahresabschlüsse erscheint der Mehrwert synthetischer Versicherungen beschränkt: So befinden sich die Bücher insolventer Gesellschaften oft in keiner guten Verfassung, und die letzten Jahresabschlüsse sind nur selten testiert. In dieser Situation kann eine Versicherung allenfalls stark eingeschränkte Gewährleistungen abgeben, deren Mehrwert naturgemäß begrenzt ist.All dies ändert jedoch nichts daran, dass synthetische W&I-Versicherungen beim Kauf aus der Insolvenz in bestimmten Fällen Vorteile bieten können. So verfügen insolvente Unternehmen oft über gesunde Tochtergesellschaften, die im Rahmen der übertragenden Sanierung mitveräußert werden. Hier können operative und finanzielle Gewährleistungen zu den zu veräußernden Tochtergesellschaften durchaus Mehrwert schaffen: Für den Käufer, der sich zusätzliche Sicherheit über den Zustand der zu erwerbenden Unternehmen verschafft, ebenso wie für die Insolvenzmasse, der bei Vermeidung käuferseitiger Sicherheitsabschläge gegebenenfalls ein höherer Kaufpreis zufließt.Ebenso kann der Einsatz synthetischer W&I-Versicherungen beim Unternehmenserwerb über einen Insolvenzplan sinnvoll sein, in dessen Rahmen der bisherige Gesellschafter des insolventen Unternehmens seine Gesellschaftsbeteiligung oft vollständig verliert und keine Gewährleistungen abgibt.Festzuhalten bleibt: Wenngleich synthetische W&I-Versicherungen beim Kauf aus der Insolvenz wohl nicht zur universalen Wunderwaffe avancieren werden, sollten Käufer und Insolvenzverwalter stets prüfen, ob das Instrument in der konkreten Situation zum Nutzen aller Beteiligten eingesetzt werden kann. Die Akzeptanz des Produkts wird wesentlich davon abhängen, wie die Versicherer es ausgestalten und ob zusätzliche Haftungsrisiken – insbesondere aufseiten der Insolvenzverwalter – vermieden werden.—-*) Dr. Martin Tasma und Dr. Frank Burmeister sind Partner von Hengeler Mueller.