Recht und Kapitalmarkt

Financial Assistance ante portas

Umsetzung der EU-Richtlinie schafft neue Möglichkeiten für Leveraged Buy-outs - Deutsche Besonderheiten

Financial Assistance ante portas

Von Nikolaos Paschos *) Als Bestandteil eines bereits 2003 beschlossenen “Aktionsplans” zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und der Verbesserung der Corporate Governance in der EU ist vor wenigen Monaten die EU-Änderungsrichtlinie (2006/68/EG) in Kraft getreten. Die Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten bis zum 15. April 2008 umzusetzen ist, ändert die Kapitalrichtlinie von 1976 (2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie, 77/91/EWG) und enthält u. a. Erleichterungen für den zulässigen Erwerb eigener Aktien, die Sacheinlagenprüfung und die finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs Dritter durch die Aktiengesellschaft (AG), die sogenannte Financial Assistance. Insbesondere die Liberalisierung der Financial Assistance könnte Leveraged Buy-outs (LBOs) erleichtern – wenn der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung den deutschen Besonderheiten Rechnung trägt. Erweiterter AktienrückkaufZukünftig ist es den Mitgliedstaaten gestattet, den Erwerb eigener Aktien in größerem Umfang als bislang zuzulassen. Bislang war das zulässige Erwerbs- und Bestandsvolumen in Deutschland durch das Aktiengesetz (AktG) grundsätzlich auf 10 % des Grundkapitals beschränkt; künftig können die Mitgliedstaaten Unternehmen erlauben, eigene Aktien im Umfang des Nettoaktivvermögens zu erwerben. Zudem kann die zeitliche Höchstgrenze für die Geltungsdauer einer Ermächtigung der Hauptversammlung (HV) zum Aktienrückerwerb von 18 Monaten auf fünf Jahre verlängert werden.Zudem soll die Prüfung der Werthaltigkeit einer Sacheinlage durch einen (externen) Prüfer insbesondere dann wegfallen können, wenn börsennotierte Wertpapiere in die AG eingebracht werden oder für den Einlagegegenstand ein geprüfter Jahresabschluss aus dem letzten Geschäftsjahr oder ein früherer Sachverständigenbericht existiert, der nicht älter als sechs Monate ist. Ist der darin zum Ausdruck kommende Wert nach Ansicht des Vorstands noch zutreffend, erfolgt eine sachverständige Bewertung und Prüfung nur, wenn dies mindestens 5 % der Aktionäre verlangen. NeulandWichtigster Aspekt der Neuregelung ist die Erleichterung der Financial Assistance, die für deutsche Aktiengesellschaften bislang grundsätzlich unzulässig ist; neben der Kapitalerhaltungsnorm des § 57 AktG verbietet dies insbesondere die Vorschrift des § 71a AktG. Die Gesellschaft darf danach einem Dritten, der Aktien der Gesellschaft erwerben will, weder Darlehen, Vorschüsse noch sonstige Sicherheiten zum Zwecke des Aktienerwerbs gewähren. Vom Verbot erfasst werden nach herrschender Meinung auch sonstige Unterstützungsmaßnahmen finanzieller Art, die zu einem Vermögensabfluss bei der Gesellschaft führen.Diese diffuse Rechtslage, verbunden mit der drakonischen Nichtigkeitssanktion im Falle eines Verstoßes, führte vor allem im Rahmen von LBOs zu Rechtsunsicherheit: Die Erwerber-(Zweck-)gesellschaft, die über kein weiteres wesentliches Vermögen verfügt, besichert das Akquisitionsdarlehen zunächst mit den (zu erwerbenden) Aktien an der Zielgesellschaft und wird anschließend regelmäßig auf sie verschmolzen. Als Folge vereinigen sich die in der Zielgesellschaft vorhandenen Aktiva mit den Schulden der Erwerbergesellschaft. Ob derartige Gestaltungen eine unzulässige Financial Assistance darstellen, wird von den meisten Experten zwar verneint, ist höchstrichterlich allerdings noch nicht geklärt.Auch die Änderungsrichtlinie hebt das grundsätzliche Verbot der Financial Assistance nicht völlig auf. Sie gibt jedoch ein kompliziertes Verfahren vor, wonach AGs die Unterstützung des Erwerbs ihrer Aktien durch einen Dritten gestattet werden kann. Erlaubt sind nur Unterstützungshandlungen, die zu fairen und marktüblichen Konditionen eines Drittgeschäfts (“at arm’s length”) erfolgen, d. h. insbesondere eine marktübliche Verzinsung und Besicherung vorsehen. Erfolgt der von der AG unterstützte Aktienerwerb von ihr selbst, d. h. im Rahmen einer Kapitalerhöhung oder durch die Veräußerung zuvor zurückerworbener eigener Aktien, so muss auch dieser Erwerb zu einem angemessenen Preis erfolgen. In formaler Hinsicht ist für die Financial Assistance die vorherige Zustimmung der Hauptversammlung der AG mit qualifizierter Mehrheit erforderlich. Sie ist vorzubereiten durch einen ausführlichen Bericht des Vorstands über Zweck, Konditionen und Risiken des Geschäfts sowie den Preis, zu dem der Dritte die Aktien erwerben soll. Der Bericht muss zum Handelsregister eingereicht werden. Schließlich darf die Financial Assistance zu keinem Zeitpunkt zum Absinken des Nettoaktivvermögens der Gesellschaft unter die Summe aus gezeichnetem Kapital und gesetzlichen Rücklagen führen. Zusätzlich gefordert ist die Bildung einer nichtausschüttungsfähigen Rücklage in Höhe der gewährten Unterstützung. Das Ziel, durch Deregulierung die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit börsennotierter Unternehmen zu stärken, ist zu begrüßen. Durch die erweiterten Möglichkeiten zum Aktienrückerwerb und zur Financial Assistance werden die nicht gebundenen Rücklagen der AG weitgehend zur Disposition der Hauptversammlung gestellt und die AG der Rechtsform der GmbH insoweit angenähert. Allerdings dürfte die Änderungsrichtlinie hinsichtlich der Financial Assistance nur in sehr eingeschränktem Maße praktische Erleichterungen bringen. Ein wesentliches Erschwernis: Die Hauptversammlung hat jeweils über die Angemessenheit der Transaktionskonditionen zu befinden; die überstimmten Aktionäre können den Beschluss anfechten, z. B. mit der Begründung, das Geschäft habe den Erfordernissen der Fairness und Marktüblichkeit tatsächlich nicht entsprochen (Bewertungsrüge). VerzögerungDa bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage regelmäßig mehrere Jahre vergehen, ein Vorratsbeschluss jedoch nicht möglich ist, ergeben sich zumindest zeitliche Verzögerungen; da die Erwerbsgesellschaft beim LBO bis zur Leistung der Financial Assistance durch die Zielgesellschaft auf der Zwischenfinanzierung mit den Finanzierungskosten festsitzt, sind bereits diese für die Beteiligten regelmäßig nicht hinnehmbar.Zwar tritt die Kassationswirkung einer gegen den Ermächtigungsbeschluss erhobenen Anfechtungsklage erst mit der Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteils ein, so dass der Ermächtigungsbeschluss in der Zwischenzeit eine wirksame Grundlage für die Leistung der Financial Assistance ist. Solange die Gefahr besteht, dass die Ermächtigung nachträglich kassiert wird, wird der Vorstand sie jedoch nicht umsetzen. Er könnte nach Ausübung der Ermächtigung zwar einen Bestätigungsbeschluss einholen, der materiell die Begründetheit der Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbeschluss beseitigt. Allerdings werden dadurch nur formale Fehler der Beschlussfassung geheilt, nicht aber die auf das Fehlen der materiellen Voraussetzungen abzielende Bewertungsrüge – und sie wird regelmäßig im Mittelpunkt der Anfechtungsklage stehen. Eilverfahren nicht tauglichAuch die Schaffung eines spezifischen Eilverfahrens zur vorzeitigen Überwindung etwaiger Anfechtungsklagen – etwa nach dem Vorbild des für Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge geregelten aktienrechtlichen Freigabeverfahrens – würde in der Praxis nicht ohne weiteres helfen. Denn ein wie auch immer geartetes summarisches Verfahren ist zur Beurteilung komplexer Bewertungsfragen nicht geeignet. Um dem zu begegnen, müsste man die Bewertungsrüge zusätzlich in ein – völlig neu zu konzipierendes – Spruchverfahren verweisen, so dass im Freigabeverfahren nur über die im Rahmen der Anfechtungsklage geltend gemachten formalen Rügen zu entscheiden wäre. Scheut der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung diese komplexen Regelungskonzepte, könnte er allenfalls noch die Befugnis zur Anfechtung des Ermächtigungsbeschlusses an bestimmte Mindestquoren knüpfen. Man darf also gespannt sein, ob und in welcher Weise der deutsche Gesetzgeber von den eröffneten Spielräumen Gebrauch macht. Dem Vernehmen nach ist das Bundesjustizministerium mit seinem Gesetzesentwurf bereits weit fortgeschritten. Parallel denkt die Kommission bereits darüber nach, den Kapitalschutz wieder vollständig in die Hände der Mitgliedstaaten zu legen. *) Dr. Nikolaos Paschos ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro von Linklaters.