Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Sven Schelo

Finanzielle Restrukturierung ergänzt M & A

Alternativen für in Schieflage geratene Unternehmen - Oft schwierige Interessenlage

Finanzielle Restrukturierung ergänzt M & A

– Herr Dr. Schelo, wie können Unternehmen, die in eine Schieflage geraten sind, ihren weiteren Bestand sichern? Aktuell beobachten wir im Markt folgende Restrukturierungstrends: Zum einen den Bereich Distressed Merges & Acquisitions (M & A). Verbreitet ist dabei der Verkauf des krisengeschüttelten Unternehmens selbst, etwa aus dem Beteiligungsportfolio eines Nicht-Finanzinvestors – sowie der Verkauf von Assets durch das sanierungsbedürftige oder sogar insolvente Unternehmen. Weiteres Instrument ist das Financial Restructuring, also die Umstrukturierung von Fremdfinanzierungen (LBOs) in der Krise. – Das heißt?Hierbei handelt es sich zumeist um mehrstufige Finanzierungen, bestehend aus einem vorrangigen Senior Darlehen und einem nachrangigen Mezzanine- oder Second-Lien Darlehen. Kernelemente einer solchen Umstrukturierung waren in der Vergangenheit eine (teilweise) Refinanzierung des Senior Darlehens und insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital durch ein sogenanntes Debt-to-Equity-Swap. Im Ergebnis wurden die vorrangigen Darlehen häufig zurückgeführt, während die nachrangigen erlöschen und deren Inhaber Gesellschafter des Unternehmens werden. Allerdings ist derzeit diese Form der Restrukturierung durch die veränderten Kreditmärkte nicht immer möglich. – Welche Vorteile hat ein Kauf aus der Insolvenz?Beim Kauf vom Insolvenzverwalter entfällt unter anderem die Haftung für Alt-Steuerverbindlichkeiten des Unternehmens. Darüber hinaus scheidet eine Insolvenzanfechtung aus – es ist also die juristisch sicherste Variante. Wird die Insolvenz allerdings öffentlich, stehen in der Regel zahlreiche Investoren vor der Tür des Insolvenzverwalters und es ist unklar, ob man als Bieter tatsächlich den Zuschlag bekommt. Außerdem sinkt häufig der Wert eines Unternehmens durch die Insolvenz. – Lassen sich Financial Restrukturierung und Distressed M & A miteinander verbinden?Ja, das ist in zwei Konstellationen denkbar. So können Investoren gemeinsam mit den Gläubigern das Unternehmen erwerben, also ein Debt-to-Equity-Swap mit einem Beteiligungskauf kombinieren. Ob solche Konstellationen für Investoren interessant sind, hängt davon ab, welche Beteiligungshöhe sie an dem Unternehmen erwerben können. Üblicherweise werden externe Investoren auf eine Mehrheitsbeteiligung Wert legen. Diese Variante dürfte daher nur dann wirklich in Betracht kommen, wenn der externe Investor substantiell neue liquide Mittel mitbringt und in das Unternehmen fließen lässt. – Und die zweite Konstellation?Die zweite Möglichkeit ist eine mehrstufige LBO-Finanzierung, bei der das sanierungsbedürftige Unternehmen vollständig – oder auch in einzelnen Teilen – an einen Investor verkauft werden kann, also ohne Debt-to-Equity-Swap. Die Idee ist dabei, dass die Verbindlichkeiten zurückgelassen werden und der Kaufpreis zur Rückführung der vorrangigen Darlehenstranchen verwendet wird. Dieses Instrument wird häufig einher gehen mit einer Insolvenz des zurückbleibenden Unternehmens, da ja die Verbindlichkeiten zurückbleiben. Auf diese Weise schließt sich der Kreis zum Kauf aus der Insolvenz. – Lässt sich eine solche Restrukturierung im Wege einer Insolvenz kontrollieren? Eine Restrukturierung durch eine Insolvenz wird nur dann Akzeptanz finden, wenn sich der Prozess jedenfalls in gewissem Rahmen kontrollieren lässt. Hierbei ist der Insolvenzverwalter die Schlüsselperson: Gelingt es ihm nicht, das Unternehmen in der Insolvenz zu stabilisieren und einen Verkauf zügig durchzuführen, scheitert das Unterfangen. Zudem wird der Insolvenzverwalter nicht etwa durch Gläubiger oder das Unternehmen bestimmt, sondern durch das Gericht. Allerdings beobachten wir, dass die Insolvenzpraxis hier in den vergangenen Jahren transparenter und flexibler geworden ist und mehr Einflussnahme seitens des Managements und der Gläubiger ermöglicht. – Was ist bei der Wahl dieser Instrumente zu beachten?Unabhängig davon, welche Instrumente gewählt werden, gilt: Es sollte in jedem Einzelfall geprüft werden, wie die wechselseitigen Interessen unter einen Hut gebracht werden können. Kurzfristig orientierte Finanzinvestoren müssen dabei ebenso bedient werden wie Investoren mit langfristigen, strategischen Zielen. Dieses verbunden mit der Rettung des Unternehmens und möglichst vieler Arbeitsplätze stellt nicht selten die Quadratur des Kreises dar. Dennoch ist eine für alle Seiten befriedigende Lösung möglich, etwa indem mehrere finanzielle Restrukturierungsmaßnahmen miteinander verknüpft werden. Dr. Sven Schelo ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Linklaters.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.