RECHT UND KAPITALMARKT

Finanzierungen ohne Bank in Coronazeiten

Unternehmen und Investoren können in der Krise flexible und bewährte Instrumente jenseits des klassischen Kredits nutzen

Finanzierungen ohne Bank in Coronazeiten

Von Robert Kramer und Tobias Riethmüller *)Die Coronakrise verändert die Finanzierungslandschaft grundlegend. Im Bereich der Unternehmensfinanzierung stehen Kreditzusagen plötzlich auf wackligen Beinen. In der Transaktionsfinanzierung führt nicht nur die zunehmende Unsicherheit unter Investoren über die generelle Entwicklung der Märkte, sondern auch die ausbleibende Bereitschaft zur Begebung von Fremdkapital dazu, dass Deals eingefroren werden. Klassische Banken reagieren, wenig überraschend, mit Zurückhaltung auf die veränderte Risikolage. OptimierungsaufgabeDiese Situation bietet an anderer Stelle eine Chance für hierauf spezialisierte institutionelle bzw. professionelle Investoren, die auch in der aktuellen Situation nach attraktiven Anlagemöglichkeiten suchen. Sie können das zurückgehende Angebot an klassischem Fremdkapital zumindest teilweise ergänzen. Kapitalnehmer können die aktuelle Situation nutzen, um die Passivseite der Bilanz stärker zu diversifizieren und von einzelnen Kapitalgebern unabhängiger zu werden. Mit dem Einwerben von Kapital in maßgeschneiderter Form – etwa in Form von Mezzanine-Instrumenten – kann zudem die Zins- und Tilgungsstruktur exakt an die eigenen operativen Erfordernisse angepasst werden.Zur Strukturierung solcher Transaktionen bieten die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Märkte eine Vielzahl von Instrumenten, die unterschiedlichste Finanzierungssituationen abbilden können. Ihre Stärke besteht darin, dass sie sehr flexibel auf die jeweiligen Anforderungen von Kapitalnehmern und Kapitalgebern zugeschnitten werden können. Aspekte, die dabei eine Rolle spielen, sind die grundlegende Ausgestaltung als Eigen-, Mezzanine- oder Fremdkapital, die angestrebten Volumina, eine etwaige Besicherung sowie die Governance des Finanzierungskontrakts. Hinzu kommen Besonderheiten, die sich aus den individuellen Umständen der finanzierten Unternehmung oder Transaktion bzw. dem Projekt oder Vermögensgegenstand ergeben. Daneben dürfen auch steuerliche und subventionsrechtliche Aspekte, regulatorische Vorgaben für Kapitalgeber und/oder Kapitalnehmer, das Ausmaß der mit einer bestimmten Struktur verbundenen Rechtssicherheit und die Transaktionskosten nicht vernachlässigt werden. Dies macht die Wahl der optimalen Finanzierungsform zu einer komplexen Optimierungsaufgabe, die den Beteiligten allerdings – richtig gelöst – interessante neue Perspektiven eröffnen kann.Alternative Investmentfonds im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs (AIFs) bzw. ihre Verwalter sind von den genannten Instrumenten am intensivsten reguliert. Sie bieten als kollektives Investitionsvehikel den Vorteil der möglichen inhärenten Diversifikation, flexibler Volumina, einer zum Teil steuerlichen Privilegierung und der regulatorisch bedingten Rechtssicherheit. Im Gegenzug ist ihre Strukturierung – auch bei Einbindung einer sogenannten Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft, die den notwendigen regulatorischen Rahmen bereitstellt, – mit tendenziell höheren Kosten verbunden als bei anderen Finanzierungsinstrumenten. Dieser Aufwand kann bei Unterschreitung bestimmter Investitionsvolumina durch gesetzliche Erleichterungen verringert werden. Neben klassischen eigenkapitalgebenden Fonds u. a. zur Unternehmens- und Immobilienfinanzierung haben gerade Kreditfonds in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch diese sind, ähnlich wie Banken, bei der Kreditvergabe an besondere Risikomanagementgrundsätze, nicht jedoch an die strengen Eigenmittelausstattungsvorschriften gebunden. Anders als Banken können Kreditfonds individueller und flexibler auf die jeweiligen Anforderungen und Bedürfnisse eingehen, einschließlich der Risikogeneigtheit der Investoren. Angebote von Wertpapieren haben in den letzten Jahren – u. a. im Zuge der gesetzgeberischen Initiativen zur EU-Kapitalmarktunion – eine Liberalisierung erfahren und sind dadurch für viele Finanzierungssituationen attraktiver geworden.Ein Knackpunkt ist häufig die Frage, ob zunächst zeit- und kostenintensiv ein Emissionsprospekt erstellt werden muss. Bereits früher war es Emittenten möglich, Wertpapiere kapitalstarken Investoren anzubieten, ohne dass dieses Erfordernis bestand, solange beispielsweise eine Mindeststückelung von 100 000 Euro eingehalten wurde. Seit 2018 besteht für Emittenten in Deutschland zusätzlich die Möglichkeit, unabhängig von dieser Restriktion bis zu 8 Mill. Euro (auf zwölf Monate gesehen) in Wertpapieren prospektfrei einzuwerben.Im Bereich der Mittelstandsfinanzierung wird hierüber klassisches Fremdkapital vermehrt in Form von prospektfrei angebotenen Anleihen transaktionskostengünstig eingeworben. Hierbei handelt es sich üblicherweise um depotfähige Inhaberpapiere, deren konkrete Ausgestaltung im Mezzanine- und Fremdkapitalbereich durch den Emittenten bzw. im Verhandlungsweg mit den Kapitalgebern völlig flexibel festgelegt werden kann. Dabei können auch Nachrangabreden, zweitrangige Besicherungen, “Equity Kicker” und andere Gestaltungen umgesetzt werden, die klassisches Fremdkapital ergänzen, um den Finanzierungsbedürfnissen des jeweiligen Emittenten optimal Rechnung zu tragen.Auch im Bereich der eigenkapitalbasierten Unternehmensfinanzierung finden seit Geltung der neuen Regeln immer wieder relativ kleinteilige Emissionen (Mini-IPOs) statt. Als klassisches, gesetzlich standardisiertes und mit Stimmrechten ausgestattetes Finanzierungsinstrument bietet sich hierfür die Aktie an, die freilich nur von Aktiengesellschaften emittiert werden kann. Ein weiteres, für die Unternehmens- und Transaktionsfinanzierung interessantes Instrument, das rechtsformunabhängig – insbesondere auch von GmbHs – genutzt werden kann, ist der Genussschein. Dieser kann ebenfalls als Eigenkapital im Sinne des Handelsgesetzbuchs ausgestaltet werden, gewährt den Investoren dabei anders als die Aktie aber keine Stimmrechte. VerbriefungenEine Stellung zwischen Wertpapieren und Fonds nehmen Verbriefungen ein, die in Deutschland, häufiger aber in Jurisdiktionen wie Luxemburg aufgelegt werden, die hierfür spezifische Regelungen kennen. Klassischerweise handelt es sich bei derart strukturierten Finanzprodukten, wie etwa den Asset-Backed Securities, um die Abbildung der Cash-flows aus tranchierten Kreditportfolien in Wertpapieren. Zunehmend beobachtet man aber auch sogenannte Single-Asset-Verbriefungen, bei denen Cash-flows aus einem beliebigen Vermögensgegenstand wie einer Unternehmensbeteiligung, einer Immobilie oder einer Projektentwicklung in dem Wertpapier abgebildet werden.Ein weiteres bewährtes Instrument zur Unternehmensfinanzierung ist das Schuldscheindarlehen. Bei diesem nicht wertpapierförmig ausgestalteten Instrument handelt es sich typischerweise um langfristiges Fremdkapital, das im ersten Schritt von einer Bank an Unternehmen ausgereicht und dann ganz oder teilweise an Investoren verkauft wird. Genussrechte Vermögensanlagen (im Sinne des Vermögensanlagengesetzes) sind die derzeit noch am wenigsten streng regulierte, nicht wertpapierförmig ausgestaltete Kategorie von Finanzinstrumenten. Kapitalnehmer profitieren von einer hohen Flexibilität und vergleichsweise geringen Transaktionskosten. In diese Kategorie fallen unter anderem (partiarische oder festverzinsliche) Nachrangdarlehen, Genussrechte und GmbH- sowie KG-Anteile. Nachrangdarlehen und Genussrechte können unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einem Betrag von 6 Mill. Euro (auf zwölf Monate gesehen) prospektfrei emittiert werden.Längst spielen auch bei der Strukturierung, Emission und Abwicklung von Finanzinstrumenten die Möglichkeiten, die die fortschreitende Digitalisierung bietet, eine gewichtige Rolle. Technologische Entwicklungen wie digitale Finanzierungsplattformen, die (teil-)automatisierte Erstellung der Vertragsdokumentation und die blockchainbasierte Abwicklung von Verträgen können Prozesse vereinfachen und beschleunigen sowie Transaktionskosten senken. So bleibt zu hoffen, dass auch bankenunabhängige Finanzierungswege, gepaart mit den jüngsten technologischen Entwicklungen, einen Beitrag zur Linderung der aktuellen Krise leisten können. *) Robert Kramer und Tobias Riethmüller sind Partner von GSK Stockmann in München und Frankfurt.