Recht und Kapitalmarkt

Firmen müssen auf Aktionärsaktivismus vorbereitet sein

Hedgefonds agieren zunehmend aggressiver - Erheblicher Einfluss - Klar formulierte Informationspolitik hilft bei Abwehr

Firmen müssen auf Aktionärsaktivismus vorbereitet sein

Von Ralf Thaeter *) Shareholder Activism – dieses Thema beschäftigt aktuell deutsche Aktiengesellschaften. An sich ist es nicht per se negativ, wenn Aktionäre ihre Rechte aktiv wahrnehmen. Im Gegenteil sind Aktionäre, die ihre besondere Expertise in die Gesellschaft einbringen können, sicher gern gesehen. In letzter Zeit ist eine Gruppe besonders in den Fokus der Überlegungen in Vorstandsetagen und Rechtsabteilungen deutscher Aktiengesellschaften getreten: institutionelle Investoren, allen voran Hedgefonds, die sich sehr aktiv in die Geschäftspolitik der Gesellschafter einbringen. Zum Rücktritt gezwungenSchwierig wird die Lage für Aktiengesellschaften, wenn sich “Eindringen” in “Einmischen” verändert. Das Vorgehen mancher Aktionäre wird als rabiat empfunden. Vorstände haben sich zu überlegen, wie sie mit diesen aktiven Aktionären umgehen. Gut in Erinnerung ist der öffentlich ausgetragene Schlagabtausch zwischen Werner Seifert, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse AG, und Christopher Hohn, dem Chef des Hedgefonds “The Children’s Investment Fund”, kurz TCI, aus dem Frühjahr 2005. Immerhin gelang es Hohn und anderen, Werner Seifert und den Aufsichtsratsvorsitzenden Rolf Breuer sowie weitere Aufsichtsratsmitglieder zum Rücktritt quasi zu zwingen. Seifert verarbeitete seine Sicht der Dinge in einem Buch unter dem Titel “Invasion der Heuschrecken”, ein Einzelfall?Wohl kaum. Nach Schätzungen sind an 40 % aller größeren Aktiengesellschaften Hedgefonds beteiligt, an 20 % beträgt der Anteil mehr als 10 %. Die Wachsamkeit in deutschen Vorstandsetagen ist nicht nur deshalb gestiegen, und zwar nicht nur bei kleineren Aktiengesellschaften wie der IWKA AG, die Schlagzeilen um den Einstieg eines aktiven institutionellen Investors machte. Sind die Sorgen deutscher Vorstände berechtigt? Ganz sicher, wie der Blick über die Grenze in die Niederlande oder über den Kanal nach Großbritannien zeigt: Carphone Warehouse, eine Mobilfunkgesellschaft in Großbritannien, kennt inzwischen verschiedenste Strategien der Hedgefonds zur Genüge. Während Carphone Warehouse in das Breitbandgeschäft einsteigen will, sehen einige Hedgefonds dies ganz anders. Einige haben sich von Brokern in großem Umfang Aktien an der Carphone Warehouse geliehen in der Hoffnung, diese später, wenn sie sie zurückgeben müssen, erst zu einem viel günstigeren Preis einkaufen zu müssen. Diese Fonds wetten also darauf, dass der Kurs einbricht. Sollte der Kurs steigen, verlören sie stattdessen massiv Geld. Diese Anlagestrategie ist zwar nicht neu. Neu ist aber das aggressive Vorgehen dieser Fonds, die aktiv darauf hinwirken, ihre eigenen Anlageziele zu erreichen. Hedgefonds haben es leicht, solche Anlagestrategien zu verfolgen, denn sie sind bei weitem nicht in dem Umfang reguliert wie andere Vermögensverwalter. Hedgefonds haben deshalb ein viel größeres Arsenal von Handelsstrategien. Dadurch werden sie selbst mit kleinen Anteilen an einer Gesellschaft zu einem bedeutenden Einflussfaktor. Hinzu kommt, dass Hedgefonds häufig von hochintelligenten Fondsmanagern geleitet werden, die ihr Handwerk von der Pike auf bei Traditionshäusern der Investmentbranche gelernt haben. Häufig kennen sich die Manager der Fonds und tauschen sich untereinander über ihre Strategien aus, ohne sich auch tatsächlich formell abzustimmen. So konnte die BaFin bei ihren Ermittlungen gegen verschiedene Fonds, u. a. TCI, bei den Ereignissen um die Deutsche Börse im Jahr 2005 kein sog. Acting in Concert nachweisen, das eine gegenseitige Abstimmung unter den Fonds über die weitere Strategie erfordert hätte. Auch die aktuell fortschreitende europäische Börsenkonsolidierung in Europa und den USA wird offenbar vorwiegend von Hedgefonds getrieben. Dabei sind die Interessen alles andere als gebündelt. Während einige Aktionäre der Euronext N.V., einer niederländischen Aktiengesellschaft, eine Fusion mit der Deutschen Börse favorisieren, offenbar, weil sie in beiden Gesellschaften Positionen halten, sind andere für einen Zusammenschluss mit der New York Stock Exchange. Die Interessen scheinen hier häufig zu wechseln. Die Deutsche Börse hat aus ihren Erfahrungen im Umgang mit Hedgefonds offenbar gelernt. Bleibt abzuwarten, welches Ergebnis die Konsolidierung der europäischen Börsen nehmen wird, nachdem die Deutsche Börse ihr Werben um Euronext aufgegeben hat. Auch bei einem Giganten, Royal Dutch/Shell, haben institutionelle Anleger erheblichen Einfluss geltend gemacht, indem sie die Straffung der ausgesprochen schwierigen und komplexen Managementstruktur verlangten. Dies führte dazu, dass Royal Dutch/Shell nicht länger als Konzern mit Doppelsitz in den Niederlanden und Großbritannien firmiert, sondern unter einer einzigen Holding mit einer monistischen Verwaltungsstruktur (Boardsystem). Die Liste ließe sich mit weiteren Beispielen fortsetzen. Können deutsche Aktiengesellschaften, die Vorstände und Aufsichtsräte oder andere Aktionäre sich gegen die Aktivitäten dieser Aktionäre wehren? An sich ist die Aktiengesellschaft als ein Sammelbecken für anonymes Kapital diejenige Rechtsform, in der jeder Aktionär seine eigenen Interessen verfolgen darf. Ein Aktionär darf seine Rechte aus seinen Aktien wahrnehmen, und zwar auch so, dass es ihm selbst, aber nicht der Gesellschaft oder den anderen Aktionären nützt. Der Aktionär muss kein Altruist sein. Die Grenze ist die Schädigung anderer. So kennt das deutsche Aktiengesetz die Vorschrift § 117 AktG, wonach ein Aktionär, der seinen Einfluss auf die Aktiengesellschaft dazu verwendet, Leitungsorgane zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu beeinflussen, zum Schadenersatz verpflichtet ist. Es ist auch allgemein anerkannt, dass jeder Einfluss, auch nur ein faktischer, genügt. Gleichwohl gibt es praktisch keine Gerichtsentscheidungen zu § 117 AktG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in der Praxis so gut wie nie beweisbar. Auch Schadenersatzforderungen wegen sog. sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB scheitern regelmäßig daran, dass einem Aktionär, der aus Eigennutz handelt, keine Schädigungsabsicht nachzuweisen ist. Eine sittenwidrige Zielverfolgung aus grobem Eigennutz kommt eben nur dann als Grundlage für eine Haftung in Betracht, wenn die Gesellschaftsinteressen so unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, dass Aktionärs- und Gesellschaftsinteresse exzeptionell auseinanderklaffen. Dies ist praktisch nie beweisbar. Auf der anderen Seite haben die Fonds viele Trümpfe in ihrer Hand. Häufig reicht es aus, wenn sie eine bloße Drohkulisse aufbauen. Der Vorstand kann nicht nachvollziehen, ob tatsächlich eine Mehrheit vorhanden ist, den Aufsichtsrat abzuwählen, wie es angeblich (so Seifert in seinem Buch) Christopher Hohn wenig verhüllt erklärt habe: Er habe so viele Stimmen, dass er Mickey Mouse in den Aufsichtsrat wählen lassen könne . . . Showdown unerwünschtWelcher Vorstand wird sich schon auf einen Showdown in der Hauptversammlung einlassen? Auch bei der öffentlichen Auseinandersetzung hat die Verwaltung der Gesellschaft häufig einen schwierigen Stand. Die Aktionäre können aus allen Richtungen öffentlich “schießen”. Im Rampenlicht und im Fokus des öffentlichen Interesses steht der Vorstand, der seine Strategie rechtfertigen muss gegen solche Anwürfe, eine oft hoffnungslose Angelegenheit. Was also tun? Es hilft offensichtlich nur eine klar formulierte Informationspolitik. Ansetzen muss die Verwaltung, bevor es zum Einstieg aggressiver aktiver Aktionäre kommt. Ein hoher Börsenkurs schützt. Ein zeitiges Gegensteuern bei unrentablen Betriebseinheiten ebenso. Fazit: Auf deutsche Aktiengesellschaften kommt noch jede Menge Aktionärsaktionismus zu. Vorbereitet sein ist das Gebot der Stunde. *) Dr. Ralf Thaeter ist Partner bei Gleiss Lutz in Berlin.