Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jürgen Detlef W. Klengel

Firmen sollten auf eine Razzia vorbereitet sein

Richtlinien für Durchsuchungen im Unternehmen erforderlich - Ausländisches Recht strahlt aus

Firmen sollten auf eine Razzia vorbereitet sein

– Herr Klengel, Unternehmen sind gerade in der Finanzkrise immer wieder Ermittlungen ausgesetzt. Welche Sachverhalte stehen hier im Vordergrund?Einer der Hauptaugenmerke der Staatsanwaltschaften liegt derzeit sicherlich auf dem Verdacht der “Bankenuntreue” durch Investitionen in sogenannte Asset Backed Securities (ABS). Die strafrechtliche Würdigung ist dabei sehr umstritten, da eine konkrete bankenaufsichtsrechtliche Reglementierung nicht bestand. Klar ist natürlich, dass risikobehaftete Geschäfte nicht grenzenlos zulässig sein können. Es besteht aber die Gefahr, dass Vorstände im Zuge systemischer Krisen oder erheblicher Marktstörungen strafrechtlich haftbar gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht hielt in einem aktuellen Beschluss den Tatbestand der Untreue in der recht breiten Auslegung der Rechtsprechung für noch verfassungskonform. Es unterstrich aber zugleich auch die Notwendigkeit einer Begrenzung durch das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung und wies deutlich auf die Reichweite des Bestimmtheitsgebots hin.- Wo wird noch ermittelt?Andere Sachverhalte, die momentan im Fokus der Ermittler stehen, betreffen Korruptionshandlungen und Bilanzfälschungen sowie Steuerhinterziehung in Form von sogenannten Umsatzsteuerkarussellen. Letztere sollen angeblich im Zusammenhang mit dem Handel von Emissionszertifikaten aufgetreten sein.- Gibt es Segmente, die besonders im Fokus stehen?Die Ermittlungen im Rahmen der Finanzmarktkrise richten sich überwiegend gegen den Finanz- und Bankensektor. Im Fokus stehen bislang insbesondere Landesbanken. Die Behörden schrecken nicht davor zurück, gegen Entscheidungsträger großer Unternehmen zu ermitteln.- Wie sollten sich Unternehmen bei Durchsuchungen verhalten?Wichtig ist vor allem, in einer solchen Ausnahmesituation Ruhe zu bewahren. Die Maßnahme erfolgt in aller Regel für die Betroffenen völlig überraschend und führt zu der ersten Konfrontation mit den Ermittlungsbehörden. Erscheinen Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung oder Kartellbehörden, sollten in dem meisten Fällen Kooperationsbereitschaft signalisiert und zugleich externe Rechtsanwälte verständigt werden.- Was sind die ersten Schritte?Zu Beginn sollten die “Formalia der Durchsuchung” geprüft werden. Das bedeutet, dass man sich den Durchsuchungsbeschluss aushändigen lässt und diesen im Rahmen des Möglichen auf Richtigkeit und Reichweite überprüft. Überstürzte Handlungen, wie etwa die Vernichtung von Beweismaterial oder übereilte Rechtfertigungen im Rahmen informeller Befragungen, sind dringend zu unterlassen. Von den wichtigsten beschlagnahmten Unterlagen sollten Kopien hergestellt werden. Im Anschluss einer stattgefundenen Durchsuchung ist es wichtig, Durchsuchungsprotokoll und Beschlagnahmeverzeichnis auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.- Wie kann sich ein Konzern für den Fall der Fälle vorbereiten?Natürlich gilt es zunächst, präventiv tätig zu sein, um etwaige strafrechtliche Haftungsrisiken schon im Vorfeld zu vermeiden. Hierfür sollte eine ausgeprägte Compliance-Struktur aufgebaut werden. Eine Vorbereitung auf eine etwaige Durchsuchung ist unbedingt erforderlich und kann sinnvoll nur mit externer anwaltlicher Hilfe geschehen. Sie sollte sich zunächst an dem Ziel orientieren, eine Beeinträchtigung des Betriebablaufs durch gute Organisation gering zu halten.- Wie kann das gelingen?Hierfür erforderliche Maßnahmen sind neben der Erstellung von Richtlinien für Durchsuchungen im Unternehmen die Bestimmung zentraler Koordinatoren sowie die Aufstellung eines Organisationsplans. Das sofortige Hinzuziehen vorbestimmter externer Rechtsanwälte sowie die interne Kommunikation müssen geregelt sein. Zudem sollten Mitarbeiter in Bezug auf Verhaltensweisen gegenüber den Beamten geschult werden um unnötige Risiken zu vermeiden. Auch sollte eine unternehmensschädliche Presseberichterstattung verhindert werden.- Sind allein deutsche Rechtsnormen zu beachten, oder strahlen ausländische Regeln aus?Nun ja, von deutschen Strafgerichten werden grundsätzlich nur deutsche Strafnormen angewandt. Dennoch tangieren ausländische Strafregeln verstärkt auch deutsche Unternehmen, die international tätig sind. Als Beispiel will ich neben dem U.S. Foreign Corrupt Practices Act hier nur die Einführung des UK Bribery Act Anfang nächsten Jahres nennen.- – Worum geht es dabei?Dieser wird im britischen Rechtskreis zu einem umfassenden Wandel bei der Bewertung von Korruptionsstraftaten führen. Dabei kann sich das Unternehmen im Gegensatz zum deutschen Strafrecht sogar selbst strafbar machen, wenn Korruptionstaten im Zusammenhang mit Geschäften für das Unternehmen auftreten und das Unternehmen keine effizienten Vermeidungsstrukturen vorweisen kann. Das Gesetz besitzt in seinem Anwendungsbereich eine extraterritoriale Wirkung und kommt damit über das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs hinaus auch auf Auslandssachverhalte zur Anwendung. Zudem hat der Bundesgerichtshof in einem neueren Urteil die Anwendbarkeit ausländischen Gesellschaftsrechts im Rahmen des Untreuetatbestandes bejaht.- Mit welchen Konsequenzen?International tätige Unternehmen müssen daher vorhandene Strukturen auch im Hinblick auf ausländische Rechtsordnungen einer detaillierten Überprüfung unterziehen und gegebenenfalls Ergänzungen der eigenen Richtlinien und Verhaltensregeln vornehmen.—-Jürgen Detlef W. Klengel ist Partner der internationalen Kanzlei White & Case LLP und leitet die Abteilung Wirtschaftsstrafrecht/Compliance in Frankfurt am Main. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.