Finanzen persönlich

Fondsversicherungen mit Garantien stecken in der Kostenfalle

Volatile Kapitalmärkte machen Absicherungskosten für Versicherer zu hoch - Verbraucherschützer warnen vor Variable Annuities

Fondsversicherungen mit Garantien stecken in der Kostenfalle

Von Stefan Terliesner Die Finanzbranche lebt von Innovationen. Als schlichte Versicherungen langweilig wurden, erfanden Produktentwickler die fondsgebundene Variante. Diese Kombination aus chancenreicher Fondsanlage und Versicherungsschutz verkaufte sich eine Zeit lang prächtig; die insgesamt hohen Kosten für das Fondsmanagement, die Verwaltung und den Vertrieb schreckten die Kunden nicht ab oder waren ihnen nicht bekannt. Erst die Baisse an den Aktienbörsen in den Jahren 2000 bis 2003 führte vielen Anlegern vor Augen, dass sie auch bei Fondsversicherungen die Risiken der Kapitalanlage tragen. Neue KombinationAls der Absatz von Fondsversicherungen ins Stocken geriet, reagierten die Anbieter erneut: Sie kombinierten das Kombinationsprodukt “Fondspolice” mit einer Garantie. Das Ergebnis: Variable Annuities. Diese Bezeichnung stellt auf die flexible Handhabung der Garantien ab. Charakteristisch sind vier Ausprägungen: Garantie im Todesfall, garantierte Rentenzahlungen, garantierte Erlebensfall- beziehungsweise Kapitalleistung und garantierte Teilauszahlungen.Bei der Garantie freilich müssen Sparer drei Dinge beachten: Erstens sind Garantien nie kostenlos. Zweitens setzt die Garantie bei Variable Annuities in der Regel erst zu Rentenbeginn ein, gilt also nicht während der Ansparphase. Und drittens wird die Garantie nicht über eine risikoarme Geldanlage abgesichert, sondern über Derivate eingekauft.Allein schon wegen der hohen Kosten warnen Verbraucherschützer vor Variable Annuities. Oft fallen im ersten Versicherungsjahr Kosten in Höhe von 5 % des Einmalbeitrags an. Hinzu kommen jährliche Verwaltungskosten von 1,2 bis 1,35 % plus jährliche Garantiekosten von 1,2 bis 1,65 % des individuellen Fondswertes. “Den Anbietern bietet sich die Chance auf satte Einnahmen hinter dem Rücken der Kunden”, sagt Verbraucherschützer Niels Nauhauser. In den USA alter HutAls “innovativ” gelten Variable Annuities in Deutschland. In den USA und Japan kennt man Fondspolicen verknüpft mit verschiedenen vom Versicherer gegebenen Garantien schon lange. Aufgrund der hiesigen bilanz- und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen ist das Produkt in Deutschland für die Anbieter relativ teuer. Also bringen einige Lebensversicherer diese Produkte vom Ausland aus auf den deutschen Markt. Die Dienstleistungsfreiheit, die seit 1994 in der Europäischen Union auch für Versicherungsprodukte gilt, erlaubt es, alle Produkte, die auf dem europäischen Binnenmarkt zugelassen sind, überall in der EU anzubieten. Axa war VorreiterVorreiter der Variable Annuities in Deutschland ist seit 2006 das “Twin-Star”-Angebot der Axa. Der Versicherer bietet das Produkt von Irland aus an. Axa hat “Twin Star” offensiv vermarktet. Der Erfolg rief die Konkurrenz auf den Plan. In den folgenden Jahren folgten weitere Versicherer wie zum Beispiel Ergo mit dem Produkt “Global Top Return” und Allianz mit “Invest4Life”. Anbieter sind stets Tochtergesellschaften mit Sitz im Ausland – meist Irland oder Luxemburg. Entsprechend unterliegt das Vermögen der Kunden den dortigen Sicherheitssystemen. Der deutsche Sicherungsfonds Protektor sichert nur die Kunden von deutschen Lebensversicherungen ab. Einige Muttergesellschaften wie zum Beispiel Allianz SE bürgen zumindest für die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen “Invest4Life”, wie es auf Anfrage hieß. Inzwischen gerät bei wohl allen Anbietern das Geschäft mit Variable Annuities ins Stocken. Schuld sind erneut die Turbulenzen an den Kapitalmärkten.Pionier Axa hat teilweise den Rückzug angetreten. Das Produkt “TwinStar” bietet Axa in der Invest-Variante in den Altersvorsorgeschichten 1 und 3 nicht mehr an. Bekanntlich handelt es sich bei der Schicht 1 um die Basisvorsorge wie zum Beispiel die “Rürup-Rente” und bei der Schicht 3 um die rein private Vorsorge, die nicht zwingend für die Altersvorsorge genutzt werden muss. Nur in der Riester-Variante (Schicht 2) bietet Axa “TwinStar” noch an. Axa betont, dass nicht ein unzureichendes Risikomanagement der Garantien für den Rückzug verantwortlich ist, sondern allein die inzwischen deutlich höheren Kosten für die Absicherung der Garantien. Rückzug nur im Neugeschäft”Bei unseren beiden TwinStar-Varianten mit hinterlegten Publikumsfonds mussten wir feststellen, dass aufgrund der deutlich höheren Volatilitäten durch die Kapitalmarktkrise der Aufwand für den Einkauf der Instrumente für die Absicherung der Garantien die einkalkulierten Kosten weit übersteigt”, sagt Markus Willmes, Leiter des Vorsorgeproduktmanagements bei Axa. Der Rückzug betreffe nur das Neugeschäft. Bei allen Kunden mit einem bestehenden Vertrag trage Axa selbstverständlich den höheren Aufwand.Die Garantieleistungen waren für die Anbieter bisher das beste Verkaufsargument. Jetzt aber sind sie eine Last. Nach einer Präsentation von Hans-Joachim Zwiesler, Professor am Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität Ulm, auf einer MCC-Fachkonferenz in Köln werden die Garantiegebühren in der Regel in Prozent des Fondsguthabens erhoben.Dadurch entsteht ein Problem: Bei fallenden Kursen wird die Garantie werthaltig, die Gebühren nehmen hingegen ab. Bei steigenden Kursen muss der Versicherer nichts für die Garantie bezahlen, die Gebühren sind jedoch sehr hoch. Aus Anbietersicht kommen weitere Probleme hinzu, die aus dem Verhalten des Kunden (beispielsweise Stornohäufigkeit und Ausübung von Wahlrechten) resultieren. Derivate werden eingesetztZumindest die Kapitalmarktrisiken (insbesondere Entwicklung der Zinssätze und der Volatilität) können grundsätzlich durch Derivate abgesichert werden. “Ziel dieses Hedging”, so Zwiesler, “ist die Investition der Garantiegebühren in ein Portfolio, das auf Kapitalmarktänderungen genauso reagiert wie der Wert der Garantien.” Für die Biometrie (Sterblichkeit im Bestand) und das Kundenverhalten habe der Versicherer – bisher – feste Annahmen gewählt.Auf dieser Basis könne er durch kontinuierliche Anpassung des Hedging-Portfolios erreichen, dass die Risiken eliminiert würden. Dies erfolge auf Bestandsebene, das heißt, der Versicherer muss den gesamten Bestand unter den getroffenen Annahmen über das Kundenverhalten simulieren.Allein diese Ausführungen zeigen, dass das Risikomanagement komplexe Berechnungen erfordert. Zudem fallen bei den Umschichtungen für den Versicherer Transaktionsgebühren an. Daher ist in turbulenten Börsenzeiten und bei hoher Volatilität der Aktienkurse die Absicherung der Garantie für den Anbieter so teuer. Hinzu kommt: “Wenn sich Kunden signifikant anders verhalten, als der Versicherer annimmt, funktioniert der Hedge nicht”, betont Zwiesler. Modelle auf dem PrüfstandAngesichts der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise stellen die Anbieter von Variable Annuities ihre Modelle auf den Prüfstand. “Wir arbeiten an einer neuen Modellreihe, die die völlig veränderte Marktsituation berücksichtigt”, sagt Axa-Manager Willmes. Axa sei aber “eindeutig weiterhin von dem Mehrwert von Variable Annuities überzeugt”. Dem Vernehmen nach will der Versicherer Anfang des kommenden Jahres bekannt geben, wann er die beiden ausgesetzten Twin-Star-Varianten wieder verkaufen will.Auch bei der Allianz geht man davon aus, “dass Produkte dieser Kategorie in Europa auf Dauer neue Marktsegmente erschließen”. Mag sein, dass die Innovationskraft der Anbieter dazu führt, dass die Kosten dieses Produkts beherrschbar sind oder sogar sinken. Dann freilich sollte die Ersparnis auch beim Kunden ankommen. Verbraucherschützer haben da so ihre Zweifel.