Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Joachim von Falkenhausen

"Freigabeverfahren wie einstweilige Verfügung regeln"

Anwalt plädiert für Mindestquorum als Schritt gegen Berufskläger - "Sanktion des Stimmverbots beschränken"

"Freigabeverfahren wie einstweilige Verfügung regeln"

– Herr Dr. von Falkenhausen, verhindern sogenannte “Berufskläger” Unternehmenstransaktionen in Deutschland?Ja, leider finden in Deutschland viele Transaktionen nicht statt, weil man damit rechnen muss, dass sie durch Anfechtungsklagen verzögert oder sogar verhindert werden. Andere Transaktionen werden in sinnlos komplizierte Strukturen gepresst (z. B. die Verschmelzung auf sogenannte Newcos), die steuerlich wesentlich ungünstiger sind, nur um Anfechtungsklagen zu vermeiden. Viele Unternehmen geben die Börsennotierung auf, um flexibler handeln zu können. Schließlich werden die Hauptversammlungen unattraktiv, da der größte Teil der Zeit mit dem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Berufsklägern und der Verwaltung zugebracht wird. Die Mehrzahl der Aktionäre mag nicht mehr zu den Hauptversammlungen kommen; ausländischen Investoren kann man die Teilnahme nicht zumuten. – Wie könnte Abhilfe geschaffen werden? Ein erster Schritt wäre – wie von der Regierung erwogen -, einen gewissen Mindestbesitz an Aktien zur Klagevoraussetzung zu machen. Fraglich ist natürlich, ob sich dies und, wenn ja, in welchem Umfang es sich politisch durchsetzen lässt. Wünschenswert wäre, dass eine Anfechtungsklage wie heute schon Anträge auf Sonderprüfung oder Schadenersatzklagen gegen Vorstände und Aufsichtsräte einen Mindestbesitz von Aktien in Höhe von 1 % des Grundkapitals oder im “Nennwert” von 100 000 Euro voraussetzt. Der Stichtag sollte vor Einladung zur Hauptversammlung liegen. – Ist die Mindestbesitzanforderung nicht leicht auszuhebeln, indem sich Kleinaktionäre zusammenschließen oder Hedgefonds im Hintergrund haben?Ein Allheilmittel ist der Mindestbestand an Aktien sicherlich nicht. Ob er sich wird aushebeln lassen, bleibt abzuwarten. Das Aktionärsforum des elektronischen Bundesanzeigers, das es Aktionären erleichtern soll, sich zusammenzuschließen, ist bisher wenig aktiv. Sicherlich ist denkbar, dass sich Hedgefonds zur Unterstützung der Berufskläger bereit finden. Es würde aber für die Berufskläger erheblich mühsamer; es würde nicht mehr reichen, dass sie flächendeckend je eine Aktie an allen börsennotierten deutschen Gesellschaften vorhalten. Sie müssten sich auf wenige Verfahren konzentrieren. – Liegt das Hauptproblem nicht darin, dass die Gerichte in den Freigabeverfahren langsam und zögernd agieren?Das Freigabeverfahren kann nur beschränkt helfen. Ohne Gesetzesänderung wird es sich nicht wesentlich beschleunigen lassen. In der Regel dauert es ca. sechs Wochen ab der Hauptversammlung, bis alle Anfechtungsklagen der Gesellschaft zugestellt sind. Erst dann kann der Antrag im Freigabeverfahren gestellt werden. Angesichts der Bearbeitungsdauer in zwei Instanzen muss man wenigstens acht Monate von der Hauptversammlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung rechnen. Es wäre hilfreich, wenn der Gesetzgeber das Freigabeverfahren konsequent den Verfahrensregeln für einstweilige Verfügungen unterwerfen würde, über die in der Regel in wenigen Wochen rechtskräftig entschieden wird. – Anfechtungsklagen richten sich – nach endlosen Hauptversammlungen – oft gegen angebliche Informationsmängel. Könnte bei den Informationspflichten der Gesellschaft nicht auch ein Ansatzpunkt für den Gesetzgeber sein?Ja, der Gesetzgeber sollte eingreifen. Zurzeit können Anfechtungsklagen auf Informationsmängel – also insbesondere unvollständige oder unzutreffende Antworten auf Fragen in der Hauptversammlung – gestützt werden, wenn der Mangel für den angefochtenen Beschluss “relevant” war. Eine strikte Ursächlichkeit wird nicht gefordert, so dass die Anfechtungsklage selbst dann Erfolg haben kann, wenn eine Mehrheit von 99 % trotz der angeblichen Mängel für den Beschluss war. Der Gesetzgeber sollte vorsehen, dass der Informationsmangel für den Beschluss ursächlich gewesen sein muss. Die Aktionäre werden dadurch nicht rechtlos; sie können die angeblich verweigerten oder falsch gegebenen Auskünfte im Verfahren nach § 132 AktG einfordern. Wenn man durch lange Fragenkataloge keine Anfechtungsgründe mehr provozieren kann, werden die Berufskläger davon abgehen, die Hauptversammlungen in die Länge zu ziehen. Dann würde die Teilnahme wieder für alle Aktionäre interessant. – Ist das Thema Nebenintervenienten nach dem BGH-Urteil endgültig vom Tisch?Das wird man sehen müssen. Der BGH hat in seiner Entscheidung den Nebenintervenienten die Erstattung von Anwaltsgebühren verweigert, wenn sich die Gesellschaft mit den anderen Klägern ohne ihre Beteiligung vergleicht. Die Begründung ist sehr technisch gehalten. Besser wäre es, wenn der Gesetzgeber die Nebenintervention im Anfechtungsprozess von denselben Voraussetzungen (Aktienbesitz vor der Hauptversammlung, Mindestbesitz, Widerspruch zu Protokoll etc.) abhängig macht wie die Anfechtungsklage selbst. – Was könnte der Gesetzgeber außerdem tun? Der Gesetzgeber sollte die von den Berufsklägern am häufigsten vorgebrachten Anfechtungsgründe analysieren. Sie stützen ihre Klagen meistens auch darauf, dass die Stimmrechtsmeldungen der Großaktionäre fehlerhaft seien. Diese nach dem WpHG vorgeschriebenen Meldungen sind technisch und juristisch hoch kompliziert und damit sehr fehleranfällig. Jeder Fehler zieht als Sanktion nach sich, dass der Aktionär vom Stimmrecht ausgeschlossen wird. Die Berufskläger tragen gern vor, dass die Stimmen falsch ausgezählt seien, weil ein solcher Stimmrechtsausschluss nicht berücksichtigt worden sei. – Wie könnte man hier reagieren?Der Gesetzgeber sollte die sehr harte Sanktion des Stimmverbotes auf Fälle beschränken, in denen der Aktionär vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder nicht gemeldet hat. Nur in diesen Fällen besteht ein Interesse, ihn von der Abstimmung auszuschließen, nicht aber, wenn die Meldung nur aus Fahrlässigkeit oder unverschuldet falsch war oder unterblieben ist. Ein geeigneter Ort für diese Änderung wäre das als Regierungsentwurf vorliegende “Risikobegrenzungsgesetz”. – Neulich hat das Landgericht Frankfurt einen Berufskläger zum Schadenersatz verurteilt. Wird das Urteil Schule machen?Leider wird es so einfach nicht sein. Der Anfechtungskläger, der verurteilt wurde, hat offen Sondervorteile für sich als Gegenleistung für eine Beendigung des Verfahrens verlangt; das machte es dem Gericht leicht, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung festzustellen. So unvorsichtig sind die Berufskläger in der Regel nicht. Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen ist Partner der internationalen Kanzlei Latham & Watkins in Hamburg.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.