RECHT UND KAPITALMARKT – IM INTERVIEW: ANTJE GÜNTHER, ROBIN EYBEN

Fremdkapital für reifere Unternehmen

Venture Debt wird im Finanzierungsmix auch in Deutschland immer wichtiger

Fremdkapital für reifere Unternehmen

– Der Venture-Capital-Markt in Deutschland ist solide gewachsen, immer mehr amerikanische und asiatische Fonds investieren hier. Reifere Wachstumsunternehmen stehen aber häufiger vor Finanzierungslücken. Herr Eyben, Frau Günther, wie können diese Lücken geschlossen werden? Antje Günther: In den USA sind Venture Loans oder Venture Debt schon lange ein wichtiger Baustein im Finanzierungsmix – jetzt beraten wir auch in Deutschland immer mehr Mandanten dazu. Einerseits fragen eine wachsende Zahl reiferer Wachstumsunternehmen und ihre immer professioneller werdenden CFOs und Finanzberater Fremdkapital nach. Andererseits ist auf der Angebotsseite das Potenzial erkannt worden: Der erste deutsche Venture-Debt-Fonds Davidson Capital hat bereits einige Investments getätigt; im Geschäft sind auch große angelsächsische Fonds wie Kreos, Ares und Harbert. Mit der Silicon Valley Bank steigt zudem gerade der Venture -Debt-Pionier aus den USA mit hoher Finanzkraft in den deutschen Markt ein. – Fragen: Was genau ist Venture Debt?Robin Eyben: Bei der klassischen Venture-Capital-Finanzierung in Form von Eigenkapital erhält der Investor für seinen Investmentbetrag Geschäftsanteile am Unternehmen; seinen Gewinn erzielt er durch Teilhabe am Erlös bei einem erfolgreichen Verkauf des Unternehmens. Im Gegensatz dazu stellt Venture Debt eine Art der Fremdfinanzierung des Unternehmens dar, meist in Form eines Darlehens. Der Investor stellt dem Unternehmen seinen Finanzierungsbetrag nur vorübergehend zur Verfügung, für eine feste Laufzeit und gegen die Gewährung von Sicherheiten. – Wo ist der Unterschied zum klassischen Bankdarlehen?Günther: Junge Wachstumsunternehmen erhalten nur selten Darlehen wegen des relativ geringen Cash-flows oder geringen Wertes von Vermögensgegenständen. Um diesen Besonderheiten gerecht zu werden, erhält der Kreditgeber bei Venture Debt bei einem erfolgreichen Verkauf des Unternehmens eine Beteiligung am Eigenkapital, Equity Kicker oder Equity Upside genannt. – Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen?Eyben: Grundsätzlich verlangt unserer Erfahrung nach jeder Investor einen gewissen Mindestumsatz, oft circa 10 Mill. Euro, von Venture-Fonds oder institutionellen Investoren zur Verfügung gestelltes Eigenkapital, ein tragfähiges Geschäftsmodell und ein starkes Umsatzwachstum, erste Gewinne beziehungsweise das Potenzial, alsbald die Gewinnzone zu erreichen. Damit die Rückzahlung der Darlehenssumme in Form von meist monatlichen Raten realistisch zu leisten ist, muss ein Wachstumsunternehmen die positive Zukunftsprognose aufweisen, dass die Zahlungsansprüche während der Laufzeit aus dem positiven Cash-flows des Unternehmens in der Regel erfüllt werden können. Jeder Investor hat aber im Einzelfall besondere Präferenzen.- Welche Vorteile hat Venture Debt?Eyben: Aus Sicht des Venture-Debt-Investors besteht statistisch eine höhere Wahrscheinlichkeit, die erwartete Rendite zu erzielen. Die Rendite-Erwartung ist absolut allerdings auch geringer als beim klassischen VC. Gründer und Bestandsgesellschafter können die Finanzmittel des Unternehmens kurzfristig und unbürokratisch steigern, unabhängig von einer Kapitalerhöhung. Damit schaffen sie Flexibilität für unvorhergesehenen Kapitalbedarf. Es werden insbesondere keine neuen Anteile am Unternehmen ausgegeben; die Anteile der bestehenden Gesellschafter werden nicht verwässert. Damit kann Venture Debt wesentlich günstiger sein als eine Eigenkapitalfinanzierung.- Welche Marktwirkung hat ein Venture Debt Loan?Günther: Die erfolgreiche Venture-Debt-Finanzierung wird potenziellen Käufern die fortgeschrittene Reife und das große Potenzial des Unternehmens signalisieren. Venture Debt kann eine sinnvolle Komponente eines gesunden Finanzierungsmixes sein, um das Wachstum des Unternehmens weiter zu beschleunigen und das Exitpotenzial zu steigern oder erhöhte Flexibilität zu schaffen.—-Robin Eyben und Antje Günther sind Partner von Osborne Clarke. Die Fragen stellte Walther Becker.