Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Thomas Mayrhofer

Frist für "jährliches Dokument" läuft BaFin beendet Rechtsunsicherheit

Anforderungen immer komplexer: "Mittelständler sind zunehmend überfordert"

Frist für "jährliches Dokument" läuft BaFin beendet Rechtsunsicherheit

– Herr Mayrhofer, noch ist unklar, wann das im Wertpapierprospektgesetz vorgesehene “Jährliche Dokument” vorgelegt werden muss. Worum handelt es sich dabei? Unternehmen, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, müssen einmal jährlich dieses in § 10 Wertpapierprospektgesetz geforderte Dokument erstellen. Das Gesetz geht auf eine Europäische Prospektverordnung zurück. Gemäß Artikel 27 dieser Verordnung ist das Dokument spätestens 20 Arbeitstage nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses dem Publikum zur Verfügung zu stellen. Vorher ist es bei der Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu hinterlegen. – Gibt es Hinweise, wie die BaFin damit umgeht?Wir haben im Rahmen einer mündlichen Anfrage von der BaFin die Auskunft erhalten, dass als Arbeitstage die Tage von Montag bis Freitag angesehen werden. Der Emittent hat also vier Wochen Zeit. Für den Beginn der Frist kommt es auf die Publizierung des Abschlusses auf der Internetseite der Gesellschaft an. Folglich wäre das jährliche Dokument bis spätestens 28. April 2006 einzureichen, wenn der Konzernabschluss zum 31. März 2006 veröffentlicht wurde. Falls der Abschluss früher publiziert wurde, begann die Frist bereits zu diesem Zeitpunkt. – Hier tickt für viele Gesellschaften schon die Uhr?Ja, da Unternehmen, die sich nach den Vorgaben des Corporate Governance Kodex richten, ihren Abschluss bis zum 31. März 2006 publiziert haben. – Welche Zeit ist denn betroffen? Das Dokument muss Informationen zum Geschäftsjahr 2005 enthalten, nicht nur, wie man hätte annehmen können, seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 2005. Darin liegt nach Meinung der BaFin keine unzulässige Rückwirkung. Emittenten, deren Aktien im Amtlichen oder Geregelten Markt zugelassen sind, müssen somit ein jährliches Dokument veröffentlichen, welches das gesamte vergangene Jahr 2005 umfasst. – Wie reagieren Ihre Mandanten auf diese Forderung?Es herrscht durch das neue Wertpapierprospektgesetz in einigen Bereichen noch eine große Verunsicherung in rechtlichen Fragen. Die Einhaltung aller Börsenzulassungsfolgepflichten wird immer komplexer. Besonders die von uns betreuten mittelständischen Gesellschaften werden zunehmend überfordert. Das Verständnis für die Erstellung des jährlichen Dokuments fehlt vollends, weil die dort aufzuführenden Nachweise ohnehin vom Emittenten unterjährig publiziert werden müssen. – Welches Prozedere sieht die BaFin für die Veröffentlichung vor? Das jährliche Dokument ist noch vor Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft gegen eine Gebühr bei der BaFin zu hinterlegen. Die BaFin will noch im April einen Leitfaden über das jährliche Dokument veröffentlichen. Darin dürfte sie ihre Verwaltungspraxis und Rechtsauffassungen konkretisieren. Die Tatsache, dass die BaFin an einem solchen Leitfaden arbeitet, zeigt deutlich, dass in der Praxis noch großer Aufklärungsbedarf besteht. Angesichts der für die Einreichung geltenden Fristen ist dies etwas abenteuerlich. – Welche Informationen muss das jährliche Dokument enthalten?Im “Jährlichen Dokument” sind alle Informationen aufzunehmen, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach § 10 des Wertpapierprospektgesetzes in den vorangegangenen zwölf Monaten veröffentlicht worden sind. Dies umfasst zum Beispiel Ad-hoc-Mitteilungen, Meldungen über Directors’ Dealings, den Halbjahres- und Jahresabschluss sowie den Lagebericht. Ferner zählen Mitteilungen über Dividendenausschüttungen, die Ausgabe neuer Aktien und die Ausübung von Umtausch-, Bezugs- und Zeichnungsrechten dazu. Im Prime Standard kommen die Quartalsberichte, der Unternehmenskalender und die Adhoc-Mitteilungen in englischer Sprache hinzu. Im Grunde genommen handelt es sich also um eine Wiederholung ohnehin bereits publizierter Dokumente. – Welche Vorgehensweise raten Sie börsennotierten Gesellschaften bei der Erstellung? Prinzipiell ist es ratsam, alle anzeigepflichtigen Veröffentlichungen laufend so zu dokumentieren, dass sich daraus am Ende des Jahres automatisch das “Jährliche Dokument” ergibt. Damit entfällt der doppelte Aufwand. In der aktuellen Situation sollten sich alle betroffenen Unternehmen sputen, die Fristen der BaFin einzuhalten. Denn Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Wer die gesetzlichen Fristen versäumt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. Ich gehe aber davon aus, dass in diesem Jahr die Bußgelder noch human ausfallen werden. Thomas Mayrhofer ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Mayrhofer & Partner in München.Die Fragen stellte Walther Becker.