Frühwarnsysteme von Krediten verlieren Wirkung
Von Guido Hoffmann *) Finanzierungen von Unternehmensakquisitionen mittels sogenannter Covenant-Lite-Strukturen sorgen im Markt gegenwärtig für einigen Gesprächsstoff. Bei derartig strukturierten Krediten verzichten die Kreditgeber weitgehend auf eine sanktionsbewehrte Überwachung der finanziellen Situation beim Kreditnehmer mittels dieser “Financial Covenants”. Kritiker deuten dies als ein Zeichen für eine Überhitzung der Kreditmärkte. Indes kommt dieser Vorstoß keineswegs überraschend. Die Idee, das Ausfallrisiko von Krediten von hochgradig fremdfinanzierten Unternehmensakquisitionen (Leveraged Buy-outs; LBO) mit Hilfe von Financial Covenants zu reduzieren, ist in jüngster Vergangenheit durch erhebliche Zugeständnisse bei deren Modellierung und durch eine zunehmende Verlagerung der zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen an das Laufzeitende nicht unerheblich aufgeweicht worden. Covenant-Lite-Strukturen sind insofern nur eine logische Folge dieses fortdauernden Prozesses. Zur Früherkennung Financial Covenants verpflichten den Schuldner über die Laufzeit des Kredites zur Einhaltung von bestimmten wirtschaftlichen Kennzahlen (absolut oder in Form von Relationen) hinsichtlich der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe. Sie sind insbesondere als ein Instrument zur Risikofrüherkennung zu verstehen und sollten daher möglichst so festgesetzt werden, dass sie nicht erst dann greifen, wenn der Zusammenbruch des Unternehmens unmittelbar bevorsteht. Vielmehr sollte bereits bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation ein solches Früherkennungssystem dazu führen, dass Restrukturierungsmaßnahmen ergriffen werden, die eine Abwendung der Krise ermöglichen. Die von Banken optional ausübbaren Sanktionen bei Verletzung der Financial Covenants reichen von Auszahlungssperre über allgemeine Konditionenanpassung und Nachbesicherung des Kredites bis zu dessen Kündigung und Fälligstellung. Liquiditätsgetrieben In den vergangenen zwei Jahren ist es bei den Vergabekonditionen für Akquisitionskredite aufgrund der hohen im Markt vorhandenen Liquidität insgesamt zu einer deutlichen Erosion zugunsten der LBO-Kreditnehmer gekommen, wovon die Financial Covenants keineswegs unbetroffen blieben. Bislang einigte man sich überwiegend dahin gehend, dem Kreditnehmer grundsätzlich ein Paket von traditionellen, marktüblichen Financial Covenants aufzuerlegen, dem Kreditnehmer bei den Berechnungsgrundlagen Freiräume zuzugestehen bzw. in das Paket Regelungen aufzunehmen, die die Konsequenzen bei Verletzung der Financial Covenants hinauszögern. In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass der sich im Markt bis dato etablierte Zuschlag (Headroom) auf die zwischen dem Private-Equity-Sponsor und den Banken im Geschäftsplan gemeinsam erarbeiteten Projektionen von ursprünglich 20 % über 25 % immer mehr in Richtung 30 % verschiebt. Darüber hinaus sind Private-Equity-Investoren bestrebt, Schlüsseldefinition zur Ertrags- und Zahlungskraft möglichst aufzublähen bzw. umgekehrt Definitionen, die Verbindlichkeiten des Unternehmens erfassen sollen, möglichst gering zu halten, um sich Spielraum zu verschaffen. Daneben finden sich in den Kreditverträgen heute mehrere Regelungen, die den Zeitpunkt für mögliche Sanktionen aufgrund der Verletzung der Financial Covenants hinauszögern. Für die ersten Quartale einer Akquisitionsfinanzierung wird vereinbart, auf einen Test der Financial Covenants gänzlich zu verzichten (“Covenant Honeymoon”). Ferner ist es üblich geworden, den Sponsoren “Equity Cure Rights” zu gewähren, also die Möglichkeit, im Vorfeld oder bei Verstoß gegen Financial Covenants diesen (potenziellen) Verstoß durch die Zuführung von zusätzlichen Eigenmitteln abzuwenden bzw. zu heilen. Entscheidend ist die Frage, wie diese zusätzlichen Eigenmittel in der Berechnung der Financial Covenants zu berücksichtigen sind. Betrachtet man beispielsweise die zum Standard gehörende Verschuldungsgradklausel (Leverage Ratio), also das Verhältnis der Verbindlichkeiten zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), zeigt sich, dass (aus Sponsoren-Sicht) eine Berücksichtigung der zusätzlichen Eigenmittel im Ebitda ungleich effektiver ist, als wenn man sie lediglich zur Reduzierung der Verbindlichkeiten nutzt. Der “Mulligan”Die Effizienz von Financial Covenants als Frühwarnsystem wird auch dadurch beeinflusst, wie viele Equity Cure Rights man den Sponsoren insgesamt einräumt (üblicherweise zwei bis vier), in welchen Abständen man diese zulässt und wie lange ein Equity Cure bei der Berechnung der Financial Covenants berücksichtigt wird (“Equity Cure Roll Off”).Darüber hinaus findet sich in Akquisitionskrediten zuweilen ein “Covenant Mulligan”, wonach erst die Nichteinhaltung einer Financial Covenant an zwei aufeinanderfolgenden Testzeitpunkten zu Sanktionen führt. Derzeitig kann man jedoch noch nicht davon sprechen, dass ein genereller Covenant Mulligan bei LBO-Finanzierungen gängige Marktpraxis ist. Ein Covenant Mulligan in Bezug auf einzelne Financial Covenants kann zudem im Einzelfall sinnvoll sein, um so die Folgen etwaiger antizipierter Fluktuationen in der Cash-flow-Situation des Kreditnehmers zu glätten. Mit einem Covenant Mulligan verwandt ist das “Major-Event-Konzept”, das jedoch in der Praxis bislang nur bei Transaktionen im Tourismus oder Personentransport Eingang gefunden hat. Der Ansatz ist dabei folgender: Wenn und soweit es durch einen Akt höherer Gewalt (insbesondere Naturkatastrophen oder Terroranschläge) in der Folgezeit zu einer punktuellen Verletzung der Financial Covenants kommt, so soll diese Verletzung folgenlos bleiben, wenn der Kreditnehmer darlegen kann, dass ohne den Eintritt eines solchen Aktes höherer Gewalt die Financial Covenants nicht verletzt worden wären. Immer stärker endfälligBei der Strukturierung von Akquisitionskrediten ist ein weiterer Trend zu beobachten, der aus Sicht der Kreditnehmer und Sponsoren das Risiko, in Konflikt mit Financial Covenants zu geraten, ebenfalls reduziert. Während der Laufzeit der Kredite wird in jüngster Zeit weitgehend auf Tilgungsleistungen verzichtet, der gesamte Kreditbetrag wird somit erst zum Ende der Laufzeit fällig (“Bullet Repayment”). Aus dem Cash-flow müssen daher über mehrere Jahre nur Zinsleistungen erbracht werden. Ein zusätzlicher Aufwand für Tilgungsleistungen entfällt. Darüber hinaus wird bei nachrangigen Kredittranchen dem Kreditnehmer bereits heute die Möglichkeit eingeräumt, für einen bestimmten Zeitraum die effektive Zahlung von Zinsen ganz oder teilweise auszusetzen, die stattdessen über diesen Zeitraum kapitalisiert werden (“Toggle”). Schließlich verbreitet sich unaufhaltsam der Einsatz von Krediten und Schuldtiteln, wo Zinsen von vornherein über die gesamte Laufzeit des Kredites kapitalisiert werden und die Zahlung zusammen mit der Rückzahlung des Kredites erst am Ende der Laufzeit erfolgt (PIK-Loans bzw. PIK-Notes). In einem solchen Marktumfeld ist es dementsprechend nur konsequent, darüber nachzudenken, auf ein “traditionelles” Set von Financial Covenants ganz oder weitgehend zu verzichten und stattdessen mit einer Covenant-Lite-Struktur zu arbeiten. Im Falle der von KKR beabsichtigten Übernahme der Drogeriekette Alliance Boots soll die Finanzierung nach Reuters-Informationen lediglich eine Klausel zum Verschuldungsgrad enthalten. Erste erfolgreiche Covenant-Lite-Finanzierungen gab es in Europa im März 2007 (VNU). Gänzlich verzichtetLaut Reuters-Informationen wird bei den genannten Transaktionen gänzlich auf kredittypische Covenants verzichtet, die dem Kreditnehmer permanent zu beachtende Verpflichtungen auferlegen (“Maintenance Covenants”). Stattdessen würde dort ausschließlich mit “Incurrence Covenants” gearbeitet, wie sie insbesondere bei High Yields zu finden sind und lediglich bei Eintritt von bestimmten Ereignissen Überwachungs- und gegebenenfalls Eingriffsrechte zugunsten der Gläubiger auslösen. Hierin jedoch bereits den Durchbruch von Covenant-Lite in Europa zu sehen wäre verfrüht. Im Falle von VNU handelt es sich um die Refinanzierung eines gesunden und etablierten Kreditengagements, und bei Trader-Media-Finanzierung soll es laut Reuters ein großes Eigenmittel-Polster geben. Dass man jedoch angesichts dieses Erosionsprozesses aus Sicht der Banken nunmehr auch gänzlich auf Financial Covenants verzichten kann, erscheint nicht angezeigt. Wenn und soweit sich die Kreditgeber auf diese Entwicklung einstellen bzw. eingestellt haben und nachvollziehen können, was im Einzelfall durch die Vereinbarung von Covenant Headroom, umfassender Ertrags- und Zahlungskraftdefinitionen, Equity Cure Rights, Covenant Mulligan und anderem ein konkretes Financial-Covenants-System zu leisten vermag bzw. wo seine Schwächen liegen, erfüllt es auch unter diesen Umständen seine Funktion als Frühwarnsystem. *) Dr. Guido Hoffmann ist Anwalt für Bank- und Finanzrecht bei Clifford Chance.