Recht und Kapitalmarkt

Führungskräfte von Bankenfusionen besonders betroffen

Gesetz erleichtert Freisetzung von leitenden Angestellten - Viele Gruppen partizipieren nicht an Sozialplan

Führungskräfte von Bankenfusionen besonders betroffen

Von Norbert Pflüger *) Auch wenn für 2009 ein weiterer Rückgang der M & A-Aktivitäten erwartet wird, kommt es in einigen Branchen zu einer erheblichen krisenbedingten Konsolidierung. Zu diesen Branchen zählen die Banken, bei denen auch der Einfluss des Finanzgarantien bereitstellenden Staates die Tendenz verstärkt, sich zu größeren, resistenteren Einheiten zusammenzuschließen. Bei den Mitarbeitern, und dies gilt insbesondere für Führungskräfte, herrscht eine große Unsicherheit darüber, welche Auswirkungen diese Konsolidierung auf ihre Arbeitsplätze haben kann. Aderlass in der SpitzeVon Personalabbau ist die Spitze der Hierarchie am frühesten und am intensivsten betroffen. Das fängt bei den Vorständen an. Die Zahl der Vorstandsposten soll sich durch eine Fusion nicht wesentlich erhöhen.Für den Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen ist weiter die Architektur der zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands entscheidend. Ein Gegeneinander des Managements im Fusionsprozess ist zu vermeiden. Die zentrale Führung des neuen Instituts muss personell abgesichert werden. Eine Aufblähung der strategischen Bereiche würde die Nutzung von Synergien gefährden. Folglich ist das vorstandsnahe Management prozentual stärker von Unternehmenszusammenschlüssen betroffen als die Gruppe der Tarifangestellten. So kann ein Bankenzusammenschluss auch dann zu Kosteneinsparungen führen, wenn das Filialnetz des übernommenen Instituts unangetastet bleibt, etwa weil keine Überschneidungen der Vertriebsregionen vorliegen und sich so der Markt vergrößert.Die Personalabteilungen treten daher relativ früh an die im neuen Tableau nicht mehr vorgesehenen Führungskräfte heran. Sie sollen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags bewegt werden. Sind die Bankmanager hierzu nicht bereit, wird ihnen die Übertragung von Tätigkeiten unterhalb ihres jetzigen Qualifikationsniveaus angedroht, gegebenenfalls auch im Wege einer betriebsbedingten Änderungskündigung. Der vorher ausgesprochene Verzicht des Unternehmens auf Beendigungskündigungen steht dem nicht entgegen. Ist der Betroffene leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wird dem Unternehmen die Freisetzung erleichtert. Es kann einen nicht näher zu begründenden Auflösungsantrag stellen. In der Folge hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Festsetzung einer Abfindung aufzulösen. Das Gericht darf höchstens einen Betrag von zwölf Monatsverdiensten festsetzen. Nur bei Mitarbeitern, die 50 Jahre alt sind, können die Höchstbeträge bis auf 18 Monatsverdienste steigen. Solche Abfindungssätze liegen weit unter den Summen, die regelmäßig in freien Verhandlungen mit den Banken erzielt werden. Die Führungskräfte erfüllen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG aber nur, wenn sie zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Diese Befugnis muss im Innen- und im Außenverhältnis bestehen (Bundesarbeitsgericht BAG, Urteil vom 27.9.2001, 2 AZR 176/00). Doch bei der dezentralen Organisation der Banken ist es eher ausgeschlossen, dass eine einzelne Führungskraft ohne Zustimmung weiterer Stellen über Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern entscheiden darf. Schwache StellungEine Schwächung des Betroffenen tritt weiter ein, wenn dieser als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht vom Betriebsrat vertreten wird. Der Begriff des leitenden Angestellten nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist weiter als der nach dem Kündigungsschutzgesetz. Zu leitenden Angestellten gehören neben Einstellungs- und Entlassungsberechtigten auch Personen, die Prokura oder Generalvollmacht haben oder Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 und 3 BetrVG). Diese Personengruppe partizipiert nicht an einem vom Betriebsrat ausgehandelten Sozialplan. Auch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht leitenden Angestellten kein Anspruch auf Sozialplanabfindung zu (BAG, Urteil vom 16.7.1985, 1 AZR 206/81). Weiterhin trifft das Unternehmen keine Verpflichtung, vor Ausspruch einer Änderungskündigung den Betriebsrat anzuhören (§ 102 Abs. 1 BetrVG).Von den Statusfragen abgesehen können sich aber Führungskräfte wie jeder Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz berufen. Sie genießen also in vollem Umfang Schutz gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen. Die Bank muss also für jede Kündigung betriebsbedingte Gründe nachweisen. Damit ergeben sich drei Voraussetzungen für eine wirksame (Änderungs-)Kündigung:Erstens muss der Arbeitsplatz entfallen sein, zweitens dürfen im Unternehmen keine freien Stellen vorhanden sein und drittens muss die Bank eine Sozialauswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern durchführen.Im Fusionsgeschehen ist bereits fraglich, ob der Arbeitsplatz einer Führungskraft entfällt, bloß weil ein anderer Mitarbeiter unter Leistungsgesichtspunkten die Stelle besetzen soll. Betroffene sollten sehr genau kontrollieren, ob sich ihr Stellenprofil tatsächlich verändert. Ist dies nicht der Fall, lässt sich ein Arbeitsplatzwegfall nicht begründen. Kein Betroffener ist zudem verpflichtet, sich auf seine eigene Stelle im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu bewerben, selbst wenn ein solches Verfahren mit dem Betriebsrat in einem Interessenausgleich festgelegt wurde. Sollte die Vorstellung sich als richtig erweisen, dass alle vorstandsnahen Führungspositionen neu konzipiert worden sind, steht zunächst fest, dass alle entsprechenden Stellen unbesetzt sind. Der Betroffene kann also das Argument der bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gegen die Änderungskündigung nutzen. Die Neubesetzung der vorstandsnahen Positionen darf von der Bank zudem nicht allein nach Leistungsgesichtspunkten vorgenommen werden. Eine Beachtung sozialer Belange ist auch für die Besetzung freier Stellen vorgeschrieben (vgl. BAG, Urteil vom 22.9.2005, 2 AZR 544/05). Das heißt: Ältere Arbeitnehmer mit längerer Berufserfahrung sind regelmäßig vor einem jüngeren Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Eine besondere Situation ergibt sich für den Mitarbeiter eines übernommenen Instituts bis zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit einer Fusion. Bis dahin gehört er nämlich noch nicht zu dem Unternehmen, in dem freie Positionen bestehen.In die Sozialauswahl sind schließlich nur Beschäftigte einzubeziehen, die innerhalb eines Betriebs tätig und miteinander austauschbar sind. Von diesen müssen bei einem fusionsbedingten Überhang nur diejenigen weichen, die infolge Lebensalters, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen sozial weniger schutzwürdig sind. Für ältere Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit ist dies eine gute Argumentationsgrundlage. Allerdings ist die übernehmende Bank so lange im Vorteil, wie sie die betrieblich-organisatorischen Strukturen noch nicht zusammengeführt hat. “Weichkochen”Für die Banken zeichnet sich damit die Schwierigkeit ab, einen fusionsbedingten Arbeitskräfteüberhang durch Änderungskündigungen rechtssicher umzusetzen. Das dürfte die Neigung fördern, Führungskräfte durch Nichtbeschäftigung “weichzukochen”. Der Nichtbeschäftigung können sich die Mitarbeiter unter Berufung auf den Weiterbeschäftigungsanspruch entgegenstellen. Solange das Arbeitsverhältnis ungekündigt besteht, ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG, Beschluss vom 27.2.1985, GS 1/84). Der entsprechende Anspruch kann mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden. *) Dr. Norbert Pflüger ist geschäftsführender Gesellschafter der Pflüger Rechtsanwälte GmbH.