Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jens Uhlendorf

Für den Verkauf einer Tochterfirma ist kein Aktionärsvotum notwendig

Dennoch hohe Schranken für einen Deal nach dem Vorbild von ABN Amro

Für den Verkauf einer Tochterfirma ist kein Aktionärsvotum notwendig

Die niederländische Großbank ABN Amro steht in einem Übernahmegefecht zwischen Barclays und einem Konsortium um die Royal Bank of Scotland (RBS). Der Vorstand bevorzugt die Barclays-Offerte, denn das Trio will die Bank zerteilen. Zentrales strategisches Vehikel für RBS & Co. ist jedoch LaSalle, die US-Tochter der ABN Amro. Als Giftpille gegen RBS wollte ABN Amro den US-Ableger an die Bank of America (BoA) verkaufen. Doch gegen den LaSalle-Verkauf hatte die niederländische Aktionärsvereinigung VEB mit Erfolg geklagt. Ein Amsterdamer Gericht hatte die Trennung Anfang Mai untersagt, weil darüber die Aktionäre abstimmen müssten. Gegen das Urteil sind ABN Amro und BoA in Berufung gegangen. Mit einem Urteil wird bis Ende Juli gerechnet. – Herr Uhlendorf, in den Niederlanden läuft eine rechtliche Auseinandersetzung, ob ABN Amro ihre US-Tochter zur Abwehr eines Bieters im Übernahmegefecht ohne Zustimmung der Hauptversammlung verkaufen darf. Wie sähe der Fall nach deutschem Recht aus?Weder aus aktien- noch aus übernahmerechtlichen Gründen wäre eine Zustimmung der Hauptversammlung für einen solchen Verkauf notwendig. Dies ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Eine solche Transaktion kann daher jedenfalls nicht durch Anfechtungsklagen von Aktionären behindert oder aufgehalten werden. Es bestehen jedoch erhebliche anderweitige Schranken für eine solche Transaktion. – Welche Voraussetzungen für eine solche Transaktion wären hierzulande zu beachten?Ein solcher im Ergebnis zu einer “Poison Pill” für den Bieter werdender Verkauf darf insbesondere nicht gegen das den Vorstand der Zielgesellschaft treffende übernahmerechtliche Verhinderungsverbot (§ 33 WpÜG) verstoßen. Hiernach wäre unter anderem zu prüfen, ob der Verkauf einen so bedeutenden Bestandteil des Vermögens der Zielgesellschaft zum Gegenstand hat, dass er geeignet ist, die Übernahme der Zielgesellschaft zu verhindern. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls, feste Schwellenwerte gibt es hier nicht. – Welche Gremien wären vom Vorstand der Zielgesellschaft zu befragen?Die Transaktion dürfte vom Vorstand der Zielgesellschaft nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates getätigt werden. Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat müssten ihre Zustimmung zum Verkauf davon abhängig machen, ob der Verkauf im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft liegt. In Übernahmesituationen ist es schwierig, aber nicht unmöglich, ein solches Unternehmensinteresse zu bejahen. Beispielsweise kann ein solcher Verkauf im Unternehmensinteresse liegen, wenn er Teil einer bereits vor der Übernahmesituation eingeschlagenen Unternehmensstrategie ist. – Deutsche Unternehmen müssen seit kurzem mögliche Übernahmehindernisse offen legen. Wäre die grundsätzliche Erwägung, sich im Fall des Falles von größeren Unternehmensteilen zu trennen, in diesem Rahmen offenzulegen? Nein, die relevanten Vorschriften (§§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB) verpflichten nicht zur Offenlegung solcher Erwägungen. Allerdings wären bereits diese Erwägungen als solche übernahmerechtlich kritisch, denn hier ist alleinige Verkaufsmotivation die Übernahmeabwehr. Ein gezielter Verkauf allein zur Übernahmeabwehr ist nicht durch das Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft gerechtfertigt und damit unzulässig. – Kann es rechtliche Probleme in Zusammenhang mit der Bewertung der zu veräußernden Unternehmensteile geben? Ja, und auch hier spielt das Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft eine Rolle. Der Vorstand der Zielgesellschaft darf eine solche Transaktion nicht zu unangemessenen Bedingungen oder auf Basis einer willkürlichen, zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis führenden Bewertung tätigen. Anderenfalls macht er sich schadenersatzpflichtig. – Wie schnell könnte so ein Verkauf realisiert werden?Dies hängt vor allem von dem Verkaufsgegenstand und der Kenntnis des Käufers von dem Verkaufsgegenstand ab. Steht beispielsweise ein Tochterunternehmen der Zielgesellschaft zum Verkauf, das der Kaufinteressent seit längerer Zeit kennt – beispielsweise weil er Wettbewerber des Tochterunternehmens ist -, benötigt der Kaufinteressent womöglich nur eine relativ kurze Zeit für eine Due Diligence. Dann kann es sehr rasch gehen, wie der manchem geradezu handstreichartig erscheinende Verkauf der US-Tochter der ABN Amro zeigt.Jens Uhlendorf ist Counsel im Düsseldorfer Büro der Sozietät Lovells. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.