Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Ulrich Ehricke *)

Für die Fusion von Suez und GdF muss Brüssel mit der Wertung warten

"Politik Frankreichs trägt protektionistische Züge" - Bisher nicht angemeldet

Für die Fusion von Suez und GdF muss Brüssel mit der Wertung warten

– Herr Professor Ehricke, die Hauptversammlung des französischen Energiekonzerns Suez hat jüngst “Giftpillen” gegen eine Übernahme beschlossen. Die Regierung in Paris will die Fusion von Gaz de France (GdF) mit Suez. Ist Frankreich auf dem Weg in den einzelstaatlichen Protektionismus?Im vergangenen Jahr hat die EG-Kommission mit ihrer Untersuchung der Gas- und Strommärkte begonnen, mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten ihrer eingegangenen Verpflichtung, wettbewerbsfähige Energiemärkte zu schaffen, auch nachkommen. Dies bedeutet auch eine aktive und vorausgreifende Anwendung des Wettbewerbsrechts. Vor diesem Hintergrund ist in den vergangenen Monaten erhebliche Bewegung in den europäischen Energiemarkt gekommen, die jedoch von nationaler Seite zum Teil mit erheblichem Argwohn beobachtet wird. Besonders auffällig ist dabei das Verhalten Frankreichs mit Blick auf die Fusion von Gaz de France und Suez. Die Politik in Paris hat deutlich protektionistische Züge. – Inwiefern?Offenbar denkt die französische Regierung immer noch in den Kategorien nationaler Sicherheit und Autarkie. Der europäische Grundgedanke der Liberalisierung der Energiemärkte und einer gemeinsamen Energiepolitik bleibt ihr fremd. – Kollidiert diese Haltung nicht mit EG-Recht?Aus rechtlicher Sicht stößt das französische Fusionsvorhaben auf erhebliche Bedenken. Zum einen hat der EuGH schon mehrfach nationale Gesetze als EG-rechtswidrig beurteilt, die dem Staat besondere Rechte in Unternehmen sicherten oder die den Erwerb von Anteilen oder Mehrheiten an nationalen Unternehmen reglementieren. Zum anderen ist fraglich, ob die ins Auge gefasste Fusion mit dem europäischen Wettbewerbsrecht in Einklang steht. Rein fusionskontrollrechtlich betrachtet und vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis wäre eine Genehmigung der Fusion durch die Kommission nicht unwahrscheinlich. – Was passiert, wenn die Fusion genehmigt wird?Allein die Marktmacht eines entstehenden Unternehmens hat die Kommission bisher nur selten gehindert, ein Fusionsvorhaben zu gestatten. Den negativen Effekten für den Markt versucht sie in der Regel durch Auflagen entgegenzuwirken. Es steht zwar im weiten Ermessen der Kommission, ob und welche Auflagen den Parteien einer Fusion auferlegt werden. Allerdings darf eine Fusion – auch unter Auflagen – nicht dazu führen, dass ein Markt in seinem Entwicklungsprozess nachhaltig gestört wird. Die materiellrechtliche Fusionskontrollentscheidung hat sich daher zwingend am Ziel der Schaffung eines liberalisierten Gasmarktes in Europa auszurichten. – Wieso? Nur so können auf Dauer niedrige Preise, größere Versorgungssicherheit und höhere Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Zweifelhafte Entscheidungen in der Fusionskontrolle dürfen nicht den Weg dafür frei machen, dass schon in naher Zukunft nicht mehr revidierbare, nationale Marktabschottungen entstehen. – Sehen Sie andere Hürden?Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes rechtliches Problem besteht in einem – scheinbar recht unwichtigen – Verfahrenselement. Die Kommission ist bislang mit der Genehmigung der Fusion noch gar nicht befasst, weil keine Fusion durch die Beteiligten angemeldet worden ist. Es fehlen die entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse der beiden Gesellschaften. Würde sich, wie es den Anschein hat, die Kommission bereits jetzt, also zu einem Zeitpunkt mit dem Zusammenschluss befassen, zu dem formell die Voraussetzungen in Form einer Anmeldung nicht vorliegen, so wäre dies rechtlich sehr bedenklich. – Das würde bedeuten . . .Es würde dazu führen, dass die Kommission faktisch bereits in der Sache tätig wäre, ohne dass sie formal dazu berufen wäre. Artikel 6 der Fusionskontrollverordnung bestimmt, dass die Kommission erst nach Eingang der Anmeldung mit der Prüfung beginnen darf. Auch im europäischen Recht gibt es – wie der EuGH öfter betonte – eine Verpflichtung der Kommission zur Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens. Es bestünde die Gefahr, dass die Kommission Überlegungen anstellt, die präjudizierend wirken, ohne dass sie tatsächlich die genauen Zahlen und Fakten der beteiligten Unternehmen und Märkte kennt. So würde die fusionskontrollrechtliche Prüfung und damit die Herstellung kompetitiver Märkte unterlaufen. – Also vorerst nichts aus Brüssel.Ja, die Kommission darf so lange nichts über die Erfolgsaussichten des geplanten Zusammenschlusses verlauten lassen, bis tatsächlich von französischer Seite eine Anmeldung vorliegt und alle Fakten zur Entscheidung vorgetragen sind.*) Prof. Dr. Ulrich Ehricke leitet das Institut für Energierecht an der Universität zu Köln.Die Fragen stellte Walther Becker.