Finanzen persönlich

Für die gebrauchte Lebensversicherungspolice lockt Bares

Verkaufspreis liegt bis zu 15 Prozent über dem Rückkaufswert - Fondsgebundene Verträge und Betriebliche Altersversorgung außen vor - Für Anleger interessant

Für die gebrauchte Lebensversicherungspolice lockt Bares

Von Elke Dolle-Helms Mehr als 97 Millionen Lebensversicherungsverträge haben die Deutschen abgeschlossen, doch fast jeder zweite davon wird vorzeitig gekündigt. Im vergangenen Jahr floss ein Stornovolumen von gut 13 Mrd. Euro auf die Konten von abtrünnigen Kunden. Ein gutes Geschäft für die Versicherer, für ihre Kunden jedoch ein denkbar schlechtes. In der Regel zieht der Versicherer von dem ohnehin geringen Rückkaufswert der Police noch eine Stornogebühr ab. Außerdem muss der Versicherte bei einem frühen Ausstieg auf seine Anteile am Schlussüberschussbonus verzichten und die bis zur Kündigung erwirtschafteten Erträge voll versteuern, wenn er den Vertrag vor Ablauf von zwölf Jahren beendet. Erfolgreiche GeschäftsideeAus dieser misslichen Lage haben findige Köpfe eine erfolgreiche Geschäftsidee entwickelt. Sie kaufen stornogefährdete Lebensversicherungen auf und zahlen dem Verkäufer dafür einen Preis, der im Schnitt 7 %, im Einzelfall bis zu 15 %, über dem Rückkaufswert des Versicherers liegt und obendrein steuerfrei kassiert werden darf. Der gebrauchte Lebensversicherungsvertrag wird vom Käufer bis zum Ende der Laufzeit oder bis zum Tod des Versicherten weitergeführt. Der neue Policenbesitzer übernimmt also die Beitragszahlung und erwartet dafür eine Versicherungsleistung mit solider Rendite.Ein Geschäftsmodell, das in Deutschland zwar noch ein Mauerblümchendasein führt, aber immer beliebter wird. Experten beziffern den deutschen Lebensversicherungszweitmarkt derzeit auf gut 1 Mrd. Euro mit wachsendem Potenzial. Nach einer Allensbach-Umfrage wissen nur 7 % der Bevölkerung, dass Lebensversicherungen verkauft werden können. Zum Vergleich: in Großbritannien ist der Policen-Zweitmarkt 85 % der Bevölkerung bekannt. Mindestwert von 5 000 EuroWer seine Versicherung nicht mehr weiterführen will oder kann, sollte beachten, dass sich nicht jeder Vertrag verkaufen lässt. So muss der Mindestrückkaufswert 5 000 Euro betragen, je nach Anbieter und Police auch 10 000 Euro. Junge Verträge, bei denen erst geringe Rückkaufswerte aufgebaut wurden, lassen sich auf dem Zweitmarkt also nicht unterbringen. Eine Ablehnung kassiert häufig auch, wer eine fondsgebundene Lebensversicherung oder einen Vertrag der betrieblichen Altersversorgung abstoßen will. Weitere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verkauf sind eine Restlaufzeit von oft nicht mehr als 15 Jahren und ein leistungsstarker Versicherer. Die Firma Cashlife, Marktführer unter den Policenaufkäufern, veröffentlicht beispielsweise regelmäßig eine Liste von Anbietern im Internet, deren Versicherungen sie akzeptiert.Den Lebensversicherern, die den Policenverkauf rechtlich nicht verhindern können, ist der Zweitmarkt ein Dorn im Auge. Anbieter wie Cashlife sind ihnen nicht nur lästig, weil die Versicherer traditionell am Storno ihrer Kunden gut verdienen. Peter Schwark vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht auch die Gefahr, dass die Aufkäufer in Zeiten steigender Zinsen die erworbenen Verträge schnell verkaufen und das Geld woanders anlegen könnten. Schwark: “Der Zweitmarkt schwächt damit die Fähigkeit der Versicherer zum Risikoausgleich über die Zeit.” Derartige Verwerfungen könnten den Versicherern vor allem dann drohen, wenn das derzeit neu verhandelte Versicherungsvertragsgesetz in Kraft tritt. Danach sollen die Rückkaufswerte von Lebensversicherungen nicht nur fest garantiert werden, sondern gleichzeitig auch spürbar ansteigen. “Bei steigenden Zinsen müssten wir Summen auszahlen, die über dem jeweiligen Kurswert der Versicherungen liegen”, erläutert Markus Faulhaber, Aktuar bei der Allianz Lebensversicherung. Dies würde Aufkäufer des Zweitmarktes geradezu einladen, mit Lebensversicherungen zu spekulieren. Stornowillige Lebensversicherungskunden muss dies nicht stören. Sie haben zurzeit die Wahl zwischen neun Firmen, die Policen zu unterschiedlichen Bedingungen übernehmen. Immer nur das kleinere ÜbelGrundsätzlich empfiehlt sich, mehrere Angebote einzuholen und das Kleingedruckte der Verträge genau zu lesen. In jedem Fall gilt: Der Verkauf einer Lebensversicherung ist immer nur das kleinere Übel, denn Verluste macht der Kunde immer, wenn auch nicht so große wie bei der Kündigung. Ein anderer Nachteil ist der Verlust des Versicherungsschutzes und, wenn es um den Verkauf einer privaten Rentenversicherung geht, die Verpflichtung, eine Risikolebensversicherung abzuschließen. Damit sichern sich die Käufer für den Fall ab, dass der Versicherte vor Ablauf der Versicherung stirbt. Dann wäre für sie der größte Teil der Versicherungsleistung verloren. Alternative DarlehenSkeptikern bieten sich immerhin Alternativen zu Kündigung und Verkauf, wenn ein finanzieller Engpass droht. Etwa das Policendarlehen, das bisher ausschließlich von Versicherern zu schlechten Konditionen angeboten wurde. Inzwischen bietet auch der Zweitmarkt, etwa Cashlife, Vorschüsse auf die später zu erwartende Versicherungssumme an. Nach eigenen Angaben verzichtet der Anbieter auf die sonst üblichen Verwaltungskosten und verlangt weit geringere Zinssätze als die Versicherer. Der Kunde kann sich so schnell Liquidität verschaffen, ohne seine Altersvorsorge zu verlieren. Wer voraussichtlich nur vorübergehend knapp bei Kasse ist, kann seine Lebensversicherung eine Zeit lang beitragsfrei stellen oder eine einst vereinbarte regelmäßige dynamische Erhöhung von Beiträgen und Versicherungsschutz kündigen.Anleger mit guter finanzieller Ausstattung können schließlich selbst am Zweitmarkt für Lebensversicherungen profitieren und in Second-Hand-Versicherungen investieren. Dies funktioniert in der Regel über eine Beteiligung an einem geschlossenen Fonds. Cashlife etwa vermarktet einen Teil der in Deutschland aufgekauften Versicherungen über Emissionshäuser wie MPC oder König & Cie. “Vor allem wegen der meist geringen Rückkaufswerte ergibt sich für den Investor ein interessantes Chance/Risiko-Verhältnis”, urteilt Jochen Russ, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) in Ulm. Investition in den USAEine andere Anlagevariante sind geschlossene Fonds, die in amerikanische Todesfallversicherungen investieren. Diese Versicherungen stammen von kranken US-Bürgern mit geringer Lebenserwartung. Der Fonds erzielt dann die höchsten Erträge, wenn die Versicherten früh sterben. Von der möglichst genauen Prognose der jeweiligen Todeszeitpunkte hängt schließlich auch die Rendite des Anlegers ab. Wie bei allen geschlossenen Fonds kommt es bei diesen Investments nicht nur auf Professionalität und Seriosität des Emissionshauses, sondern auch auf die Höhe der sogenannten weichen Kosten an, also den Anteil vom investierten Geld, der nicht für den Einkauf gebrauchter Lebensversicherungen verwendet wird.