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Für Unfälle privat vorsorgen

Gesetzliche Versicherung zahlt nicht in jedem Fall - Relativ niedriger Beitrag

Für Unfälle privat vorsorgen

Von Birga BöckerOb auf dem Weg zur Arbeit, im Büro oder auf Geschäftsreise – Unfälle mit schweren Folgen können Erwerbstätige überall ereilen. Der wichtigste Schutz: die gesetzliche Unfallversicherung. Insgesamt 70 Millionen Deutsche dürfen auf ihre Leistungen zählen, darunter auch Kinder, Studenten und Ehrenamtliche, die für öffentliche Einrichtungen arbeiten. Rundum sicher fühlen können sie sich dennoch nicht. Denn wer in der Freizeit verunglückt oder nicht auf direktem Wege zur Arbeit fährt, weil er unterwegs das Auto betankt oder die Kinder zur Tagesmutter bringt, riskiert seinen Versicherungsschutz. Riskanter Umweg”Einen Umweg zu machen, aus welchen Gründen auch immer, kann sehr heikel sein”, warnt Rechtsanwalt Andreas Müller-Wiedenhorn, Partner der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek in Köln. So erging es etwa vor kurzem einem hessischen Arbeitnehmer, der sich vor Arbeitsbeginn Verpflegung für den Tag besorgen wollte. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes wurde er angefahren und schwer verletzt. Weil seine Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung den Einkauf als privat veranlasst sah und keine Rente zahlen wollte, klagte er vor dem Sozialgericht Wiesbaden – und musste eine Niederlage einstecken.Wer auf Nummer sicher gehen und das Risiko eines folgenschweren Unglücks nicht alleine schultern will, sollte deshalb eine private Unfallversicherung in Erwägung ziehen. Sie bietet sich besonders für Selbständige und Freiberufler an, weil diese Personengruppe überhaupt nicht von der gesetzlichen Versicherung erfasst wird. Aber auch für Minijobber oder höhere Einkommensklassen ist der zusätzliche Schutz interessant.Denn während die Berufsgenossenschaften selbst bei Vollinvalidität lediglich zwei Drittel des früheren Bruttoverdienstes, maximal 40 000 Euro im Jahr, zahlen müssen – freiwillige Leistungen können etwas höher ausfallen -, lässt sich die Versicherungssumme bei der privaten Versicherung frei vereinbaren. Zudem ist ihre Leistung nicht an Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten geknüpft, sondern erstreckt sich auch auf Freizeitaktivitäten. Sechsstellig absichern”Der Versicherte sollte sich so absichern, dass er bei Vollinvalidität eine Auszahlung von mindestens drei Jahresgehältern erhielte”, rät Katrin Rüter de Escobar vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).Für einen Jahresbeitrag von 100 bis 200 Euro kann man bereits einen Versicherungsschutz in sechsstelliger Höhe erwerben. Wie viel Geld es für welchen Grad einer Behinderung gibt, hängt allerdings von der Art des Tarifs ab. Die meisten Anbieter haben Tarife mit einer sogenannten Progression im Angebot. Bei hohen Invaliditätsgraden steigt die Auszahlung steil an, bei niedrigeren ist der Anstieg flacher. So würde ein vollkommen erwerbsunfähiger Kunde, der eine Versicherungssumme von 100 000 Euro und eine Progression von 400 % gewählt hat, eine Zahlung von 400 000 Euro erhalten. Läge sein Invaliditätsgrad nur bei 25 %, wären es dagegen deutlich weniger als 100 000 Euro.Die Schwere der Behinderung wird bei der privaten Unfallversicherung häufig anhand einer Gliedertaxe bemessen. Wer etwa das Augenlicht verliert, ist zu 100 % invalide, wer nur auf einem Auge erblindet, zu 50 %. Der Geruchssinn führt immerhin noch zu einer Invalidität von 10 %. “Ein steifer Daumen wird gewöhnlich mit 20 % gewertet, der Zeigefinger mit 10 % und die übrigen Finger mit 5 %”, erläutert Rüter de Escobar vom Versicherungsverband. Allerdings gebe es je nach Berufsgruppe Unterschiede: Für Chirurgen oder Pianisten etwa könne der Verlust eines Fingers mit 75 % oder 100 % veranschlagt werden. Tarif-DschungelDoch auch wenn einige Standards vom GDV vorgegeben sind: Die Suche nach dem besten Unfallschutz ist schwierig. Etliche Progressionsvarianten, verschiedene Versicherungssummen und unterschiedliche Zahlungsbedingungen sorgen für einen wahren Tarif-Dschungel. Zum Teil werden auch Zusatzoptionen wie eine Beitragsrückerstattung angeboten und auch zusätzliche Leistungen wie Krankenhaustagegeld, kosmetische Operationen oder Kurkostenbeihilfe mitversichert. Verbraucherschützer kritisieren zudem, dass die Zahlungsbedingungen häufig kundenunfreundlich seien. So können bei Vorerkrankungen Abschläge beim Invaliditätsgrad vorgenommen werden. Außerdem sorgten zu kurze Meldefristen dafür, dass Spätfolgen eines Unfalls möglicherweise nicht einwandfrei festgestellt werden. Auch Verträge mit beschränkter Gültigkeit, wie etwa Freizeitverträge, haben ihre Tücken. Es lohnt sich daher, Produktvergleiche, etwa von Stiftung Warentest, zu studieren. Über den Verein geschütztEmpfehlenswert ist auch ein Blick in die eigenen Unterlagen. Denn viele Versicherte wissen gar nicht, wie viele Policen sie tatsächlich abgeschlossen haben. Rund 29 Millionen private Unfallversicherungsverträge existieren derzeit in Deutschland. Ein Gutteil davon wurden über Vereinsmitgliedschaften, im Rahmen einer Reiseversicherung oder zusammen mit Kredit- oder Kundenkarten erworben. Wer solche Policen “vergisst”, dem entgeht im Ernstfall eine zusätzliche finanzielle Absicherung.