ANLAGEPRODUKTE

Gegenwind für den Zertifikatemarkt

EU-Richtlinien erschweren das Geschäft - Risikoaversion der Anleger dämpft Umsätze

Gegenwind für den Zertifikatemarkt

Nach einem schwierigen Jahr haben die Anbieter von Zertifikaten und Hebelprodukten Hoffnung, dass das Interesse der Anleger im Sog eines steigenden Aktienmarkts in den kommenden Monaten zunimmt. Trotz des Optimismus dürfte der regulatorische Gegenwind aus Brüssel und Berlin das Geschäft mit den Hebelprodukten und Zertifikaten 2013 schwierig machen.Von Armin Schmitz, Frankfurt Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Staatsschuldenkrise hat den Zertifikatemarkt ebenso wie die europäischen Aktienmärkte lange Zeit im Griff gehalten. Die wachsende Risikoaversion führte zu einer Flucht in vermeintlich sichere Anlagen wie Bundesanleihen. Die Handelsaktivität der Anleger nahm kontinuierlich ab. Erst im Spätsommer kam an den Märkten die Wende. Die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, unlimitierte Käufe von Anleihen vorzunehmen, um die notleidenden Staaten Südeuropas zu unterstützen, steigerte im September über mehrere Wochen das Interesse an den Derivaten. Dennoch liegen die Umsätze wie zuletzt im November bis zu 20 % unter dem vergleichbaren Vorjahresniveau. Der schmerzhafte Rückgang ist ein Zeichen dafür, dass sich auch die Selbstentscheider, die sich auf das Trading mit Hebelprodukten fokussiert haben, zurückhalten.Auch das Interesse von langfristig agierenden Anlegern ist wegen der Unsicherheit über die Entwicklung der Staatsschuldenkrise kontinuierlich zurückgegangen. Das von den Banken in Zertifikaten und Hebelprodukten verwaltete Anlagevolumen lag Ende des dritten Quartals bei 99,8 Mrd. Euro. Gegenüber den Vorquartalen hat sich das Marktvolumen nicht sonderlich verbessert. Das ist letztlich ein Hinweis darauf, dass sich die Zertifikatebranche von der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers und dem Ausfall von Zertifikaten bisher nicht erholen konnte. Während die Zertifikatebranche vor der Insolvenz des US-Investmenthauses im September 2008 noch zweistellige Wachstumsraten aufwies, pendelte das Marktvolumen in den vergangenen Jahren um die Marke von 100 Mrd. Euro. Der Zertifikatemarkt ist nach Ansicht von Marktbeobachtern zu einem Nischenmarkt geschrumpft. Gesetz zeigt WirkungNeben dem Imageschaden durch die Lehman-Krise mussten die Banken mit der wachsenden Risikoaversion der Anleger sowie der Berater im Filialgeschäft kämpfen. Das Anlegerschutzgesetz und der damit verbundene Dokumentationsaufwand zeigten bei den Beratern Wirkung. Zu den Schwerpunkten im Beratungsgeschäft zählen risikoarme Produkte wie strukturierte Anleihen, zu denen Floater, Zinsstufenprodukte und Kapitalschutzprodukte gehören. Rund 68 % des Open Interest sind in Produkten investiert, die mit einem vollständigen Kapitalschutz ausgestattet sind. Der börsliche Handel wurde wie im Vorjahr von Optionsscheinen und Knock-out-Produkten bzw. von den Selbstentscheidern dominiert. Zu den Favoriten dieser Anlegergruppe gehörten 2012 neben Aktienanleihen auch die Faktorzertifikate. Die Aktienanleihen profitieren nicht zuletzt von der anhaltenden Niedrigzinsphase an den Anleihemärkten. Beeindruckend die Entwicklung bei den Faktorzertifikaten: Dank des konstanten Hebels und des fehlenden Knock-out-Risikos hat diese Hebelstruktur einen rasanten Aufschwung erlebt. Nach einem geschätzten Umsatz von 200 Mill. Euro 2011 veranschlagen Experten das börsliche Handelsvolumen dieses Jahres mit 1,2 Mrd. Euro.Umfragen zeigen, dass die Anbieter von Zertifikaten für das kommende Jahr optimistisch gestimmt sind. Dank der Erwartung eines Aufschwungs im Dax rechnen sie für das erste Halbjahr mit einer besseren Geschäftsentwicklung. Dennoch erwarten sie im kommenden Jahr einen steigenden Wettbewerb.Trotz aller Unkenrufe hat sich noch keiner der Anbieter vom deutschen Markt verabschiedet. Ganz im Gegenteil: Mit der IKB ist ein Emittent hinzugestoßen. Weitere Emittenten werden erwartet. Die Mehrzahl der Emittenten glaubt daher, dass sich der Wettbewerb in der Zertifikatebranche 2013 weiter verschärfen wird, was wiederum zu Druck auf die Margen führen wird. Kosten werden steigenEine Reihe neuer regulatorischer Anforderungen durch EU-Richtlinien und Verordnungen wird gleichzeitig die Kosten in die Höhe treiben. So hat der Deutsche Derivate Verband jüngst darauf hingewiesen, dass die überarbeitete Prospektrichtlinie zu erhöhten Dokumentationskosten führen wird. Hinzu kommt ein großer Aufwand bei der Überarbeitung von Produktinformationsblättern sowie bei der Neugestaltung von Wertpapierprospekten. Kräftiger Gegenwind wird dem Zertifikatemarkt auch durch die Einführung der Finanztransaktionssteuer in Deutschland ins Gesicht blasen. Tendenziell werden für den Privatinvestor Anlagen in Wertpapieren wie Aktien, Anleihen und auch Zertifikaten unattraktiver. Aufgrund der Folgen der Lehman-Krise schwelt immer noch die Gefahr, dass Aufsichtsbehörden und Regulatoren bestimmte komplexe Derivatestrukturen auf Länderebene oder gar in der EU verbieten.