Recht und Kapitalmarkt

Geistiges Eigentum wird zum Finanzierungsinstrument

Zwei Gesetzesinitiativen - Meilenstein für den Verbriefungsmarkt - Innovative Unternehmen profitieren

Geistiges Eigentum wird zum Finanzierungsinstrument

Von Rembert Niebel und Wolfram Ohletz *) Geistiges Eigentum gehört mittlerweile zu den wichtigsten Wertfaktoren in modernen Unternehmen – wegen des Wandels zur Wissensgesellschaft in fast allen Wirtschaftsbereichen. Nach einer Studie des Brookings Institute hat sich der Anteil der immateriellen Vermögenswerte am Gesamtwert der Unternehmen im S & P 500 Aktienindex von 1982 bis 2002 von 38 auf 87 % signifikant erhöht. Zwei Initiativen des deutschen Gesetzgebers unterstreichen neuerdings die hohe Relevanz des geistigen Eigentums.Die erste Gesetzesinitiative betrifft Lizenzverträge. Seit im Jahr 1999 die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten ist, sind Lizenzverträge nicht mehr insolvenzfest. Ist ein Lizenzgeber insolvent, kann der Insolvenzverwalter nach § 103 Abs. 1 InsO entweder auf den Vertrag pochen oder den Lizenzvertrag nicht erfüllen. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Lizenzvertrages ab, sind die Folgen für den Lizenznehmer dramatisch, denn er kann von den lizenzierten Rechten keinen Gebrauch mehr machen, muss also etwa die Produktion eines patentgeschützten Erzeugnisses einstellen. Der Lizenznehmer hat nur noch Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach § 103 Absatz 2 InsO. Schadenersatzansprüche Dabei handelt es sich allerdings nur noch um eine einfache Insolvenzforderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann und in der Regel nur mit einer geringen Quote bedient wird. Durfte der Lizenznehmer außerdem Unterlizenzen vergeben, drohen ihm weitere Schadenersatzansprüche seiner Unterlizenznehmer, falls der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung wählt. Der Grund: Der Lizenznehmer besitzt kein eigenes Recht, das er an den Unterlizenznehmer vergeben könnte. Diese Rechtslage kann den Lizenznehmer in seiner Existenz gefährden. Daher versuchte die Literatur, vertragliche Gestaltungen zu zeigen, die in der Insolvenz des Lizenzgebers zu einer insolvenzfesten Lizenz führen. Diskutiert wurden vor allem die Sicherungsübereignung, die Bestellung eines Pfandrechts und die Einräumung eines Nießbrauchsrechts an dem lizenzierten Recht. Doch diese Methoden eignen sich nicht, dem Sicherungsbedürfnis des Lizenznehmers umfassend Rechnung zu tragen. Besonders im angloamerikanischen Rechtskreis, dem diese Rechtsformen fremd sind, dürften sie kaum auf Akzeptanz stoßen.Die Bundesregierung hat auf diese Problematik reagiert: Sie hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der diese Rechtslage korrigieren und gleichzeitig zur Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Deutschland beitragen soll. Nach § 108a InsO des bereits 2007 beschlossenen Gesetzesentwurfes soll ein vom Lizenzgeber abgeschlossener Lizenzvertrag in der Insolvenz künftig fortbestehen. SonderkündigungsrechtFür vertragliche Nebenpflichten soll dies nur dann gelten, wenn sie auf jeden Fall erfüllt werden müssen, um dem Lizenznehmer eine Nutzung des geschützten Rechts zu ermöglichen. Außerdem soll der Insolvenzverwalter bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen der vereinbarten und einer marktgerechten Vergütung verlangen können, dass die Vergütung angepasst wird. Macht der Insolvenzverwalter davon Gebrauch, hat der Lizenznehmer ein Sonderkündigungsrecht.Der Bundestag hat den Gesetzesentwurf in erster Lesung im Februar 2008 beraten. Künftig sollen Insolvenzverwalter bei Lizenzverträgen kein Wahlrecht mehr haben. Lizenzgeber haben aufgrund der neuen Regelung eine neue Refinanzierungsmöglichkeit, nämlich die der Asset Backed Securitisation (ABS). Im Rahmen einer ABS-Transaktion werden Forderungen nach vorher festgelegten Eignungskriterien ausgewählt, in Pools zusammengefasst und vom Forderungsinhaber, dem Originator, an eine Spezialgesellschaft verkauft.Dieses sogenannte Special Purpose Vehicle (SPV) refinanziert den Kaufpreis für die Forderungen durch die Emission von Wertpapieren, die institutionelle Investoren erwerben. Der Originator bleibt in der Regel Ansprechpartner der Debitoren und fungiert als Forderungsverwalter. Die Wertpapiere werden im Rahmen des Cash-flow der zugrundeliegenden Forderungen zurückgezahlt. Durch die geplante Neuregelung, die Lizenzverträge insolvenzfest macht, lassen sich Zahlungsansprüche aus Lizenzverträgen grundsätzlich im Rahmen von ABS-Transaktionen verbriefen. Denn man schließt nicht nur das Risiko aus, dass der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung wählt, sondern auch die Risiken reduzieren sich, dass Vorausabtretungen solcher Lizenzforderungen unwirksam werden. Großer SchrittFür den Verbriefungsmarkt ist die geplante Vorschrift ein Meilenstein. Erstmals besteht die Möglichkeit, solche Forderungen für die Kapitalbeschaffung zu verwerten. Allerdings werden nicht alle Lizenzforderungen verbrieft werden können, da sich die Regelung ausschließlich auf die Insolvenz des Lizenzgebers bezieht. Den Fall der “Lizenzkette” – das heißt, ein Lizenzgeber räumt seinem Lizenznehmer das Recht ein, seinerseits Unterlizenzen zu vergeben – regelt sie allerdings nicht. Ist der Hauptlizenznehmer, der eine Unterlizenz vergeben hat, insolvent, kann dessen Insolvenzverwalter zwar nicht ablehnen, den Unterlizenzvertrag zu erfüllen, wohl aber, den Hauptlizenzvertrag weiter durchzuführen. Wenn der Gesetzgeber die geplante Regelung nicht ändert, werden Forderungen aus solchen Unterlizenzverträgen nicht verbriefbar sein. Denn der Insolvenzverwalter kann den Unterlizenzvertrag zu Fall bringen. Das forderungskaufende SPV hat kein Aussonderungsrecht an den Zahlungsströmen unter dem Unterlizenzvertrag. Um die Zahlungsströme aus den Unterlizenzverträgen im Rahmen von ABS-Transaktionen nutzen zu können, müsste der Gesetzgeber den Vorschlag nachbessern. AktivierungsgebotDie zweite Gesetzesinitiative in puncto geistiges Eigentum betrifft die Bilanzierung von immateriellen Vermögensgegenständen. Nach § 248 Absatz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) dürfen Unternehmer bislang selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nicht aktivieren. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken des Gläubigerschutzes: Solchen Vermögensgegenständen kann man keinen objektiven Wert zuweisen. Der Gesetzgeber sieht nun im Referentenentwurf zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vor, diese Regelung aus dem HGB zu streichen. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände sollen künftig in Höhe der Entwicklungskosten aktiviert werden. Um dem Gedanken des Gläubigerschutzes dennoch Rechnung zu tragen, will der Gesetzgeber in § 268 Absatz 8 HGB eine Ausschüttungssperre ergänzen. Kerngedanke einer Ausschüttungssperre ist es, dass Unternehmen Vermögen, das dieser Sperre unterliegt, nicht an ihre Anteilseigner ausschütten dürfen. Weist ein Unternehmen selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz aus, darf es nach der neuen Regelung Gewinne nur dann ausschütten, wenn die verbleibenden, jederzeit auflösbaren Gewinnrücklagen – abzüglich eines Verlustvortrages und zuzüglich eines Gewinnvortrages – dem angesetzten Betrag entsprechen. Ergänzend will der Gesetzgeber nach dem BilMoG in § 255 HGB eine Vorschrift zur Bewertung der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aufnehmen. Mit diesen Regelungen ist es vor allem innovativen mittelständischen Unternehmen sowie Start-up-Unternehmen möglich, ihre Außendarstellung zu verbessern. Sie verbreitern ihre Eigenkapitalbasis und können sich somit künftig am Kapitalmarkt einfacher als bislang Eigen- und Fremdkapital beschaffen. Willkommener VorstoßBeide geplanten Gesetzesinitiativen sind zu begrüßen: Sie werden dazu führen, dass geistiges Eigentum stärker als bisher zur Unternehmensfinanzierung beitragen kann. Dr. Rembert Niebel ist Partner, Dr. Wolfram Ohletz Associate der Kanzlei Baker & McKenzie in Frankfurt.