FINANZEN UND TECHNIK - IM INTERVIEW: ANDREAS MARTIN, BVR

Genossen starten mit frei wählbarer PIN

Der Verbandsvorstand über Kosten und Ziele

Genossen starten mit frei wählbarer PIN

Seit heute können Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken die persönliche Geheimzahl (PIN) ihrer Bank- und Kreditkarten frei wählen und an den rund 19 000 Geldautomaten des genossenschaftlichen Verbundes ändern. Das gilt zunächst für rund 21 Millionen Kunden, doch bis Herbst sollen sämtliche der 30 Millionen VR-Bankkunden diesen Service nutzen können. Im Interview erläutert Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), die Vorteile des Verfahrens und die damit verbundenen Ziele.- Herr Martin, wie hoch lagen die Kosten für die Entwicklung des neuen Verfahrens und die Umrüstung der Automaten und Karten?Die Aufwände werden durch unterschiedliche Partner der genossenschaftlichen Finanzgruppe getragen, beispielsweise durch die genossenschaftlichen Rechenzentralen und Zentralbanken. Für die Gruppe insgesamt liegen die Investitionen im unteren zweistelligen Millionenbereich.- Dient die persönliche Geheimzahl ausschließlich der Kundenbindung oder auch als Argument bei der Neukundengewinnung?Unser strategisches Kernziel ist es, die höchste Mitglieder- und Kundenzufriedenheit zu erreichen und zu halten. Daran werden die Marktaktivitäten, die Kundenberatung und die anderen Angebote ausgerichtet. Wir gehen im Kartengeschäft mit unserer zukunftsweisenden Strategie bewusst über die Marktstandards hinaus und setzen nicht nur im Kartendesign, sondern mit der PIN-Selbstwahl auch hinsichtlich der Funktionalität auf individuellen Zusatznutzen für unsere Kunden. Eine solche Möglichkeit gab es bislang nur von wenigen Banken in Deutschland. Wir sind die erste Finanzgruppe, die diesen Service flächendeckend und für die Kunden kostenlos anbietet.- Planen Sie, Ihr Verfahren an andere Institute und Verbünde zu lizenzieren?Die Grundfunktionen der PIN-Selbstwahl beruhen auf öffentlichen Standards der Deutschen Kreditwirtschaft beziehungsweise auf Spezifikationen von Mastercard und Visa. Diese Spezifikationen stehen allen interessierten Banken offen. Das eigentlich Besondere der PIN-Selbstwahl ist die Einarbeitung dieser Funktionen in die komplexen, über die Jahre gewachsenen Autorisierungssysteme für Bankkarten. Deren Umsetzung ist bankindividuell und kaum auf andere Systeme übertragbar. Ein Zusammenschluss mit anderen Systemen zum übergreifenden Angebot der PIN-Selbstwahl wäre aber in der Zukunft denkbar.- Was gilt es für den Kunden bei der Einrichtung seiner persönlichen Geheimzahl zu beachten?Die Anwendung ist denkbar einfach: Kunden können ihre PIN an den genossenschaftlichen Geldautomaten in Deutschland über die neue Funktion “PIN verwalten” beliebig ändern. Bei der Wahl der PIN sollte man selbstverständlich einfache und naheliegende Nummern wie das eigene Geburtsdatum oder Folgen gleicher Ziffern vermeiden. Die neu eingestellte PIN gilt dann ab sofort.- Inwiefern bringt das Verfahren mehr Sicherheit für den Kunden?Mit der frei wählbaren PIN gibt es keinen Grund mehr, die Geheimzahl aufzuschreiben, was leider einige Kunden fahrlässigerweise bisher getan haben, weil sie sich die Zahlenfolge nicht merken konnten. Schließlich tragen Verbraucher immer mehr Karten im Portemonnaie, deren dazugehörige Geheimzahlen sie sich merken müssen. Wir unterstützen die Verbraucher daher in der nötigen Geheimhaltung ihrer PIN und tragen so zur sicheren Handhabung der Bankgeschäfte auch auf Kundenseite bei.- Wenn wie beim Skimming die Informationen auf der Magnetkarte sowie die PIN ausgelesen und entwendet werden, merkt der Kunde das ja im Regelfall nicht direkt, sondern zumeist erst mit dem nächsten Kontoauszug. Bietet die frei wählbare PIN dennoch besseren Schutz gegen solche Betrugsverfahren?Skimming kann nur Karten betreffen, die mit Magnetstreifen arbeiten. Deswegen war die genossenschaftliche Finanzgruppe bereits vor vielen Jahren ein Vorreiter bei der Einführung von Bankkarten mit dem fälschungssicheren EMV-Chip. VR-Bankkarten mit V-Pay – und das sind heute über 60 % unserer Karten – werden ausschließlich nach einer Echtheitsprüfung des Chips verarbeitet. VR-Bankkarten mit Maestro haben wir ebenfalls seit vielen Jahren schon so ausgestattet.- Und wie ist das bei der Nutzung im Ausland?Für Länder, die noch mit Magnetstreifenerkennung arbeiten, wird versucht, Skimming durch andere Methoden, wie Länderlimite, zu verhindern. Europa hat mit der nun vollständigen Umstellung der Bankkarten auf den Chip weltweit Maßstäbe gesetzt. Nun ist es an der Zeit, dass die anderen Länder schnell nachziehen. In jedem Fall gilt: Die Bank ersetzt Kunden selbstverständlich weiterhin eventuelle Schäden aus Skimming. Dies gilt unabhängig davon, ob die PIN von der Bank vorgegeben oder selbst gewählt wurde.- Ergeben sich mit Einführung der persönlichen Geheimzahl Änderungen hinsichtlich der Haftung der Banken im Schadenfall?An der Haftung ändert sich durch die PIN-Selbstwahl nichts. Sollte es zu einem Missbrauch der Karte kommen, wird die Haftungsfrage im jeweiligen Einzelfall geklärt – so wird es auch bei den bisherigen Bankkarten mit unveränderbarer PIN gehandhabt. Im Übrigen gelten dieselben Sorgfaltsregeln wie für jede PIN.—-Das Interview führte Franz Công Bùi.