Genussscheine machen ihrem Namen keine Ehre
Von Max Geißler Genussscheinbesitzer brauchen derzeit starke Nerven, denn die Kurse vieler Papiere sind eingebrochen. Auslöser der Krise waren Fehlspekulationen der Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden (AHBR). Deren Genussrechte verloren an der Börse zum Teil über 50 % an Wert. Die nächste Hiobsbotschaft kam aus den USA. Die US-Hypothekenkrise brachte in Deutschland gleich mehrere Geldhäuser ins Trudeln, darunter die Düsseldorfer IKB Bank und die Landesbank Sachsen. In der Folge ging der gesamte Genussscheinmarkt auf Talfahrt. Große Verunsicherung”Die Hypothekenkrise in Amerika hat deutschen Privatanlegern die Augen geöffnet”, sagt Andreas Pfuff, Genussscheinexperte bei der Baader Wertpapierhandelsbank. Die Verunsicherung sei groß. “Kaum ein Sparer kauft derzeit Genussscheine, viele wollen eher welche loswerden.” Folge: Die Nachfrageflaute hält die Kurse im Keller, Besserung ist kaum in Sicht. “Inzwischen ist wohl auch dem Letzten klar geworden, dass die Papiere nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen sind”, beschreibt Pfuff die Situation. Weniger risikoreich als AktienDer Markteinbruch verunsichert Sparer, dabei sind Genussscheine weniger risikobehaftet als Aktien und viele Derivate. Genüsse nehmen eine Zwitterstellung zwischen Aktie und Anleihe ein. Wie festverzinsliche Wertpapiere verbriefen sie die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zum Ende der Laufzeit sowie regelmäßige Ausschüttungen.Die Zinshöhe hängt allerdings vom Bilanzgewinn des Unternehmens ab. Steigende Gewinne können die Ausschüttungen erhöhen, Verluste die Zinszahlungen senken. Auch ein Totalausfall ist möglich. Hinzu kommen die Kursrisiken. In der Regel müssen Genussscheininhaber Unternehmensverluste, Kapitalschnitte oder einen Konkurs in voller Höhe mittragen. Rückzahlungsansprüche und die Kurse von Genussscheinen verhalten sich entsprechend.Das größere Risiko gegenüber Anleihen versüßen die Emittenten mit höheren Zinszahlungen. Der Renditeabstand richtet sich nach der Bonität des Schuldners. Finanzschwache Unternehmen müssen hohe Zinsen bieten, damit steigt aber auch das Risiko für den Anleger und umgekehrt.”Eine allgemein gültige Regel zur Berechnung von Genussscheinrenditen gibt es nicht”, erläutert Börsenmakler Pfuff. Als Vergleichswert diene der Pfandbriefindex. Er zeigt aktuell einen Renditevorsprung von gut einem Viertelprozentpunkt gegenüber Staatsanleihen. Die gegenwärtige Krise bietet jedoch auch Chancen: “Mutige Investoren können erste Positionen aufbauen”, findet Pfuff. Dabei sollte die Qualität des Schuldners oberste Priorität haben. “Lieber auf ein oder zwei Renditepunkte verzichten, dafür aber mehr Sicherheit im Depot.”5 bis 10 % Depotanteil sollten aber nicht überschritten werden. Für kleine Beträge sind die Papiere kaum geeignet. “Erst ab Anlagebeträgen von 10 000 Euro aufwärts können Genüsse ihre Renditevorteile wirkungsvoll ausspielen”, findet Ralf Burmeister, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg.Sicherheit steht auch für Thomas Bieler, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, im Vordergrund: “Um Zinsausfälle zu minimieren, sollten Anleger neben der Bonität auf eine überzeugende Geschäftsentwicklung des Emittenten achten.” Denn nur bei Bilanzgewinnen seien Ausschüttungen garantiert. Bielers Tipp: “Solide Unternehmen erkennt man an guten Ratingnoten.” Solche Bewertungen werden von unabhängigen Agenturen vergeben. Interessenten finden diese Angaben zum Beispiel im Anlegerportal der Deutschen Börse AG unter dem Button “Anleihen”.Genussscheinfonds bieten höhere Sicherheit als Einzelpapiere und erfordern zugleich einen geringeren Finanzaufwand. Da sie auf ein breites Spektrum verschiedener Papiere setzen, schlagen Einzelausfälle nur gering auf die Rendite durch. Vor Kursrückgängen des Gesamtmarktes sind jedoch auch Fonds nicht gefeit. So stehen sämtliche Genussscheinfonds auf Einjahressicht im Minus. Kursrückgänge von 50 % und mehr, wie sie Einzelpapiere aufweisen, sind aber nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Die Fondsgesellschaft DWS, eine Tochter der Deutschen Bank, verweist darauf, dass Genüsse aktuell einen Spreadvorteil von 300 Basispunkten gegenüber Staatsanleihen aufweisen und somit wieder attraktiv sind. Auf die Langfristperformance vieler Fonds hat die gegenwärtige Baisse ohnehin nur geringen Einfluss, die Fünfjahresrenditen der meisten Fonds betragen nach wie vor 4 bis 5 %. Angebote von DirektbankenIm Gegensatz zu Einzelscheinen ist der Erwerb von Fondsanteilen auch für kleinere Beträge sinnvoll. Einige Fonds sind auch als Sparplan erhältlich, damit können Privatanleger bereits mit Monatsraten ab 25 Euro Genussrechte erwerben. Wer beim Kauf auf niedrige Gebühren achtet, der kann den Gewinn verbessern. Direktbanken bieten Fonds zu reduzierten Ausgabeaufschlägen, so vergünstigt Comdirect die reguläre Verkaufsgebühr fast durchgängig von 3 auf 1,5 %. Die jährlichen Verwaltungskosten liegen mit 0,6 bis 0,8 % im Bereich von Rentenfonds. SteuervorteileGünstig auf die Wertentwicklung von Genussscheinfonds wirken sich Steuervorteile aus. So können Fondsmanager Genussscheine stets steuerunschädlich verkaufen. Käufer von Einzelscheinen müssen dagegen die Einjahresfrist beachten, andernfalls sind Kursgewinne mit dem Finanzamt zu teilen.Allerdings bietet die sogenannte Flatnotierung Sparmöglichkeiten für Privatanleger. Danach werden die zwischen zwei Ausschüttungsterminen anfallenden Erträge nicht separat ausgewiesen, sondern sammeln sich Stück für Stück im Kurs des Scheins an. Verkauft ein Anleger seine Papiere vor dem Ausschüttungstermin, dann bleibt der Ertrag in Form des Kursgewinns steuerfrei, wenn die Spekulationsfrist von einem Jahr überschritten ist. Zinsen verbuchen”Allerdings muss der Investor den Kurs des Papiers beobachten. Dieser sollte wenigstens so im Plus stehen, dass der Anleger die aufgelaufenen Zinsen für sich verbuchen kann”, rät Analyst Burmeister. Mit Einführung der Abgeltungssteuer ab 2009 wird dieses Steuerschlupfloch jedoch geschlossen.