Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Klaus Nieding

Geplantes Veröffentlichungsregime des EHUG schränkt die Transparenz für Anleger ein

Gesetz über elektronische Handelsregister konterkariert gute Corporate Governance und schadet IPO-Markt

Geplantes Veröffentlichungsregime des EHUG schränkt die Transparenz für Anleger ein

Die Bundesregierung will für alle deutschen Kapitalgesellschaften – gleich, ob börsennotiert oder nicht – zum 1. Januar 2007 das zentrale Elektronische Handels- und Unternehmensregister (EHUG) einführen. Damit sollen die 1. gesellschaftsrechtliche EU-Richtlinie (Registerpublizität) sowie die EU-Transparenzrichtlinie umgesetzt und die Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen ausschließlich ins Internet verlagert werden. Die Börsen-Zeitung befragte den Anlegeranwalt Klaus Nieding dazu. – Herr Nieding, was würde die Einführung des im EHUG vorgesehenen Veröffentlichungsregimes aus Anlegersicht bedeuten? Aus Sicht des Anlegers würde die Umsetzung des Gesetzes zunächst das langjährig bewährte multimediale Publizitätssystem bestehend aus Bundesanzeiger, Börsenpflichtblatt und Börsenbekanntmachung für Emittenten von notierten Wertpapieren zugunsten einer rein internetbasierten Veröffentlichung von nackten Zahlen und Fakten aufgeben. Außerdem ist der Privatanleger nicht durchweg mit dem Medium Internet vertraut bzw. hat zum Teil überhaupt keinen Zugang zum World Wide Web. Das gilt vor allem für ältere Anleger. – Die Privatanleger werden damit von Informationen ausgeschlossen?Sie werden daher von den bisherigen Informationen abgehängt, was gegen die bisherigen Verbesserungen im Anlegerschutz läuft. Man darf in diesem Zusammenhang nicht die Gefahr unterschätzen, die vor allem für ältere Privatanleger daraus erwächst: So werden sie auch leichter Opfer von Betrügereien. Auch spielt mangelnde Transparenz bei der kapitalmarktschädlichen Ausnutzung von Insiderwissen eine entscheidende Rolle. – Die Aktionäre sind also mit dem bisherigen multimedialen Ansatz der Veröffentlichungen besser gefahren?Der Vorteil des bisherigen Dreiklangs war aus Anlegersicht gerade, dass der Anleger bislang in Börsenpflichtblättern neben Finanzanzeigen auch neutrale redaktionelle Berichterstattung über Emittenten und Kurse fand. Diese Berichterstattung ist nahezu ausschließlich auf hohem Niveau und von Hintergrundwissen geprägt. Will der Anleger dagegen künftig den gleichen Informationsstand halten, dann ist er bei Umsetzung des EHUG zur aufwendigen und umständlichen Suche in verschiedensten Medien gezwungen. – Gibt es eine statistische Erhebung für die Nutzung der verschiedenen Informationsquellen durch die Anleger?Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI), für die 800 000 Privatanleger befragt wurden, gelten die Börsenpflichtblätter und ihre redaktionelle Berichterstattung als meistgenutzter und am besten bewerteter Informationskanal über alle Aktionärsgruppen hinweg. Das spricht für sich. – Was würde die Verengung der Informationskanäle auf nur noch einen Weg aus Sicht der Corporate Governance bedeuten?Sinn und Zweck der Bemühungen um verbesserte Corporate Governance war es vor allem, mehr Transparenz im Bereich der börsennotierten Unternehmen zu erzielen. Dieser Grundgedanke aller Corporate-Governance-Bestrebungen würde durch das EHUG in seiner heutigen Form völlig konterkariert. – Aus Sicht des internationalen Kapitalmarktes: Unterstellt, es gebe eine fusionierte Börse mit Sitz in Frankfurt, wäre da nicht das Zurverfügungstellen von Informationen aus einem Börsenpflichtblatt auch für internationale Investoren der bessere Weg? Selbstverständlich benötigt gerade der internationale Investor umfassende Informationen aus einer Hand. Dafür sind die Börsenpflichtblätter unerlässlich. Der Investor kann mit der blanken Finanzanzeige in elektronischer Form nichts anfangen. Er benötigt die profunde Auslegungs- und Interpretationsregel seitens der die Finanzanzeige unmittelbar begleitenden redaktionellen Berichterstattung über Hintergründe. – Ein wichtiges Thema ist heute die “shareholder education”. Ist das vorgesehene Veröffentlichungsregime des EHUG dem dienlich?Nein! Das Veröffentlichungsregime des EHUG beschränkt den Anleger vielmehr insofern, als er mit den einfachen Unternehmensveröffentlichungen oft nichts anfangen kann. Die notwendigen Erklärungen für bestimmte Entwicklungen beim Emittenten fehlen beim elektronischen Register, so dass von “education” im Wortsinn nicht mehr gesprochen werden kann. Insofern stellt das EHUG einen Rückschritt dar. – Was würde die Einführung des Veröffentlichungsregimes des EHUG aus Emittentensicht bedeuten – immerhin ist heute ein Vorstand ja auch verpflichtet, seine Aktien mit einer “Story” zu verkaufen? Vordergründig vereinfacht das elektronische Register die Administration bei Emittenten. Allerdings hat der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft heute nicht nur die Aufgabe, seine Geschäfte ordentlich zu führen, sondern auch, die Aktien des Unternehmens bestmöglich an den Mann oder die Frau zu bringen. Er muss also kurz gesagt auch den Kapitalmarkt und damit letztlich den Investor für das Unternehmen und seine Aktien begeistern. Dies gewinnt vor dem Hintergrund sinkender Hauptversammlungs-Präsenzen und der damit verbundenen Gefahr von Zufallsmehrheiten bzw. Kontrollverlusten eine zunehmende Bedeutung. Eine solche “Equity Story” schaffe ich als Vorstand natürlich nur über die die reine Finanzmeldung unmittelbar begleitende redaktionelle Berichterstattung. – Und die Auswirkungen auf Börsenaspiranten ? Hand aufs Herz: Welcher Anleger schaut schon ein elektronisches Register daraufhin durch, ob er einen IPO-Kandidaten findet? Außerdem erkennt er am Register überhaupt nicht, ob diese Aktie etwas für ihn taugt oder nicht. Dazu bedarf es vertiefter Informationen, die er auf diesem Wege nicht bekommt. – Herr Nieding, was sind Ihre Schlussfolgerungen, wie sollte der Gesetzgeber aus Anlegersicht verfahren?Der Gesetzgeber sollte im Interesse des Anlegerschutzes und guter Corporate Governance ein multimediales System mit der Börsenpflichtblattpublizität beibehalten. Meine Kanzlei hat bereits eine entsprechende Eingabe gemacht.Klaus Nieding ist Anlegeranwalt in Frankfurt am Main. Daneben ist er Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V., Landesverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland.Die Fragen stellte Walther Becker.