Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Michael Arnold

Gericht weist besonderen Vertreter in die Schranken

Spruchverfahren "wahrt Interessen der Minderheitsaktionäre" - Der Fall HypoVereinsbank

Gericht weist besonderen Vertreter in die Schranken

– Herr Dr. Arnold, das OLG München hat die Abberufung des besonderen Vertreters bei der HypoVereinsbank durch die Stimmen des Alleinaktionärs Unicredit für rechtens erklärt. Gleiss Lutz hat das Urteil für die HypoVereinsbank durchgefochten. Was ist der Hintergrund des Rechtsstreits?Im Kern geht es um die Behauptung, die HypoVereinsbank habe – trotz der eingeholten Zustimmung der Hauptversammlung – ihre Beteiligung an der Bank Austria im Jahre 2006 zu billig an ihren Großaktionär Unicredit verkauft. Auf Antrag einer Minderheit beschloss die Hauptversammlung der HypoVereinsbank im Juni 2007, darauf gerichtete Ersatzansprüche unter anderem gegen Unicredit sowie gegen die gegenwärtigen und ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der HypoVereinsbank geltend zu machen und dazu Herrn Dr. Heidel als besonderen Vertreter zu bestellen. Da Unicredit insoweit einem Stimmverbot unterlag, konnte dieser Beschluss mit nur ca. 1,9 % der in der Hauptversammlung vertretenen Stimmen gefasst werden. Beide Beschlüsse sind durch Unicredit angefochten.- Mit welchen Folgen?Im Februar 2008 reichte Herr Dr. Heidel als besonderer Vertreter der HypoVereinsbank unter anderem gegen Unicredit Klage auf Rückübertragung der Bank Austria an die HypoVereinsbank ein. Hilfsweise forderte er in Sachen Bank Austria Schadenersatz in Höhe von 13,9 Mrd. Euro. Zuvor im Juni 2007 hatte die Hauptversammlung einen Squeeze-out beschlossen, der am 15. September 2008 im Handelsregister eingetragen wurde. Seit diesem Tag ist Unicredit Alleinaktionärin der HypoVereinsbank. Im November 2008 berief die Hauptversammlung der HypoVereinsbank mit den Stimmen des Alleinaktionärs Unicredit Herrn Dr. Heidel als besonderen Vertreter ab und hob den Beschluss auf, Ersatzansprüche unter anderem gegen Unicredit geltend machen zu müssen.- Das führte zu Gegenreaktionen . . .Herr Dr. Heidel erhob Anfechtungsklage gegen diesen Abberufungsbeschluss, und das Landgericht München I gab ihm im Wesentlichen recht. Bei der jetzigen OLG-Entscheidung handelt es sich um das Berufungsurteil hierzu.- Welcher Auffassung folgt nun das OLG?Auf die Berufung der HypoVereinsbank hob das OLG München das landgerichtliche Urteil auf und wies die Klage von Herrn Dr. Heidel ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Nach der mündlichen Urteilsbegründung ist das OLG München der Überzeugung, dass der Alleinaktionär in der Hauptversammlung auch dann keinem Stimmverbot unterliege, wenn es um die Aufhebung von HV-Beschlüssen geht, gegen ihn selbst Ansprüche geltend zu machen und dazu einen besonderen Vertreter zu bestellen. Es steht dem Alleinaktionär frei, durch HV-Beschluss die Verpflichtung zur Geltendmachung aufzuheben und damit die Entscheidung, ob Ansprüche geltend gemacht werden oder nicht, auf die gesetzlich zuständigen Organe, also Vorstand bzw. Aufsichtsrat, zurückzuübertragen.- Geht nicht ein wesentlicher Anspruch des Minderheitenschutzes verloren, wenn der Alleinaktionär als “Richter” in eigener Sache tätig werden darf?Hier liegt kein “Richten in eigener Sache” vor. Die Willensbildung in einer Aktiengesellschaft wird in der Hauptversammlung vorgenommen. In einer “Ein-Mann-AG” kann der Alleinaktionär keinem Stimmverbot unterliegen. Hier hat die Hauptversammlung beschlossen, die Frage der Geltendmachung von Ansprüchen auf die gesetzlich zuständigen Organe, Vorstand bzw. Aufsichtsrat, zurückzuverlagern. Sie hat nicht beschlossen, von einer Geltendmachung abzusehen. Es ist nun Sache des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats zu prüfen, ob Ansprüche bestehen, und, wenn ja, über die Geltendmachung bzw. Weiterverfolgung zu entscheiden.- Das OLG München verweist auf das Spruchverfahren. Ist es ausreichend, um die Interessen der Minderheitsaktionäre zu wahren?Das Spruchverfahren, in dem die Angemessenheit der Squeeze-out-Barabfindung gerichtlich überprüft wird, ist hier das richtige Verfahren, um die Interessen der Minderheitsaktionäre zu wahren. Das Gericht prüft, ob zum Zeitpunkt der Squeeze-out-Hauptversammlung im Juni 2007 die festgelegte Abfindung angemessen war. Dabei sind auch etwaige zu diesem Zeitpunkt bestehende Ersatzansprüche gegen Unicredit zu berücksichtigen. Da die Minderheitsaktionäre seit dem Squeeze-out nicht mehr an der HypoVereinsbank beteiligt sind, kann es ihnen auch nicht mehr zugute kommen, ob heute Ersatzansprüche geltend gemacht werden oder, wie Herr Dr. Heidel verlangt, die Bank Austria der HypoVereinsbank zurückgegeben wird. Nach dem Squeeze-out kann es den ehemaligen Aktionären nur noch um die Abfindungshöhe gehen.- Ist mit dem OLG-Urteil ein zentrales Instrument zur Durchsetzung der Innenhaftung im deutschen Aktienrecht geschwächt worden?Das sehe ich nicht so. Die Möglichkeit, einen besonderen Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen einzusetzen, besteht nach wie vor. Allerdings hat das OLG München jetzt klargestellt, dass ein besonderer Vertreter nicht auf Ewigkeit und gegen den Willen des Alleinaktionärs tätig werden kann, auch wenn es um Ansprüche gegen ihn geht. Der Hauptversammlung steht es zu jedem Zeitpunkt, selbst nach einem Squeeze-out, frei, einen einmal bestellten besonderen Vertreter wieder abzuberufen. Das ist in völligem Einklang mit dem Aktienrecht.—-Dr. Michael Arnold ist Rechtsanwalt und Partner im Stuttgarter Büro von Gleiss Lutz. Er vertritt die HypoVereinsbank in ihren Auseinandersetzungen mit dem besonderen Vertreter und den Minderheitsaktionären. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.