Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Detlef Hass

"Gesellschafterzustimmung beim Tausch von Schulden in Eigenkapital ist ein Nachteil"

Reform kommt eventuell bei Änderung der Insolvenzplanvorschriften aufs Tapet - Für Sanierungsprivilegien

"Gesellschafterzustimmung beim Tausch von Schulden in Eigenkapital ist ein Nachteil"

– Herr Hass, in Deutschland ist bei finanziell angeschlagenen Unternehmen der Tausch von Schulden in Eigenkapital eine schwierige Angelegenheit. Woran liegt das? Beim Debt Equity Swap erklären sich Gläubiger bereit, Forderungen gegen ein Unternehmen in eine Eigenkapitalbeteiligung an diesem Unternehmen zu tauschen. Die wohl größte Hürde im deutschen Recht ist dabei die Einholung der notwendigen Gesellschafterbeschlüsse. Rechtstechnisch wird im Rahmen des Debt Equity Swap regelmäßig zunächst eine Herabsetzung des Stammkapitals durchgeführt, um eine eventuelle Unterbilanz zu beseitigen. In einem zweiten Schritt wird das Stammkapital wieder erhöht, indem die Forderung des Investors als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht wird. Für beide Vorgänge ist eine Dreiviertelmehrheit der Gesellschafter notwendig. – Zudem stellen sich weitere Probleme, die jedoch bei qualifizierter rechtlicher Beratung weitgehend gebannt werden können: Zum einen ergeben sich Schwierigkeiten bei der Bewertung der vom Investor einzubringenden Forderung. Bei Fehlbewertungen droht hier unter anderem eine Nachschusspflicht des Investors in bar. Zum anderen besteht die Gefahr, dass nicht eingebrachte Restforderungen des Investors möglicherweise dem deutschen Eigenkapitalersatzrecht zu unterstellen und damit faktisch in der Krise nicht mehr durchsetzbar sind. Auch steuerrechtlich gilt es, Risiken zu vermeiden, beispielsweise den Anfall außerordentlicher Erträge. – Die Praxis zeigt allerdings, dass der Debt Equity Swap auch hier genutzt wird, etwa bei Senator, Schefenacker, Kiekert, HP Pelzer und Deutsche Nickel? In den Fällen Schefenacker und Deutsche Nickel verlegten die Unternehmen ihren Sitz nach Großbritannien, um so in den Genuss des britischen Insolvenzrechts zu kommen. Der Debt Equity Swap wurde hier zwar erfolgreich, aber nicht nach deutschem, sondern englischem Recht durchgeführt. Aber Sie haben Recht: In Deutschland ist die Senator Entertainment beispielsweise mit Hilfe eines Debt Equity Swap saniert worden. Ein gutes Beispiel bietet auch HP Pelzer, die mit einem Debt Equity Swap vor der Insolvenz bewahrt wurde. Im Fall Kiekert übernahm ein Investorenkonsortium im Wege eines Debt Equity Swap das Unternehmen und ersetzte große Teile des Vorstands mit Restrukturierungsexperten. – Wird in Deutschland ein Debt Equity Swap im eigentlichen Sinne nicht vielfach überflüssig?Ja, und zwar dadurch, dass eine übertragende Sanierung durchgeführt oder die operative Gesellschaft von einer neuen Holding übernommen wird und Verbindlichkeiten von Großgläubigern von der neuen Holding übernommen werden. Die übertragende Sanierung als deutsche Alternative zum Debt Equity Swap hat freilich kommerziell den entscheidenden Nachteil, dass der Asset Deal eine Diskontinuität in den Kunden- und Lieferantenbeziehungen mit sich bringt, die zu Nachteilen bei den von Lieferanten gebotenen Konditionen und zum Verlust von Kunden führen kann. – Was sollte Ihrer Ansicht nach geändert werden, um ausländischen Investoren, die in hiesige Distressed-Situationen investieren möchten, den Zugang zu erleichtern?Im Hinblick auf Debt Equity Swaps sind die rigiden Erfordernisse im Hinblick auf die Gesellschafterzustimmung ein wesentlicher Nachteil, den es zu überwinden gilt. Über diese Problematik hinaus erwarten Investoren stärkere Planbarkeit bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern. Deutschland würde als Investitionsstandort auch gestärkt, wenn ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren geschaffen würde, das Investoren im Gegenzug für die Sanierung des Unternehmens gewisse Sanierungsprivilegien – beispielsweise im Hinblick auf Anfechtungsrisiken im Insolvenzfall – einräumen würde. – Gibt es denn Initiativen, um dies zu erreichen und die Insolvenzordnung zu ändern?Dem Bundesjustizministerium sind die Defizite hinsichtlich des Debt Equity Swap in Deutschland bekannt. Konkrete Planungen zu einer Gesetzesänderung bestehen aber derzeit nicht. Möglicherweise wird die Angelegenheit im Rahmen der in der Diskussion befindlichen Änderung der Insolvenzplanvorschriften aufs Tapet gebracht. – Wie ist der Debt to Equity Swap in anderen Ländern geregelt, in Großbritannien sind die Vorschriften ausgesprochen Gläubiger-affin, in den USA sind sie vom Gesellschafterinteresse getrieben? In den vergangenen zehn Jahren konnte man in Großbritannien zunehmend beobachten, dass sich Gläubiger an potenziell ausfallgefährdeten Schuldnerunternehmen beteiligten. Debt Equity Swaps sind dabei ein gängiges Sanierungsinstrument. Dieser progressive Ansatz der Sanierung wird dadurch begünstigt, dass im Verfahren des sogenannten Company Voluntary Arrangement, das auch bereits vor Eintritt der Insolvenz durchgeführt werden kann, eine Dreiviertelmehrheit der Gläubiger zahlreiche Entscheidungen unter vergleichsweise geringen Voraussetzungen auch gegen den Willen der Gesellschafter durchsetzen kann. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur deutschen Rechtsordnung. Hinzu kommt, dass der staatliche Einfluss, sei es über Gerichte oder Insolvenzverwalter, in diesen Verfahren nur sehr begrenzt ist. – Und in den USA?In den USA bedarf es außerhalb eines Insolvenzverfahrens – wie in Deutschland – der Zustimmung der Gesellschafter zum Debt Equity Swap. Wird ein Chapter-11-Verfahren eröffnet, also ein Insolvenzverfahren, in dem die Gesellschaft regelmäßig in Eigenverwaltung fortgeführt wird, können wirtschaftlich wertlose Gesellschafterrechte weitgehend beschränkt werden. Debt Equity Swaps können dann durch Gläubiger unter geringen Voraussetzungen erzwungen werden.Dr. Detlef Hass ist bei Lovells.Die Fragen stellte Walther Becker.