Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jan Wildberger

Gesetz soll feindliche Übernahmen nicht verhindern

"Große Zweifel", dass Schaeffler die Continental-Aktien aus Swaps schon zuzurechnen waren

Gesetz soll feindliche Übernahmen nicht verhindern

– Herr Dr. Wildberger, das Familienunternehmen Schaeffler hat sich versteckt einen Zugriff auf 36 % an Continental aufgebaut. Ist das rechtswidrig oder clever?Ob das Vorgehen rechtswidrig war, macht sich vor allem an drei Aspekten fest: Meldepflichten, Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots und Verbot des Insiderhandels. Einen Verstoß gegen Meldepflichten kann ich nicht erkennen. Die Meldeschwellen von 3 % bei Aktien und 5 % bei Optionen wurden soweit bekannt unmittelbar nicht überschritten. – Was ist mit den Swaps?Dem Vernehmen nach soll Schaeffler mit verschiedenen Banken Equity Total Return Swaps abgeschlossen haben, die sich auf weitere 28 % des Grundkapitals beziehen. Wenn dies so ist, ergibt sich aus dieser Vereinbarung allein noch kein Anspruch auf den Erwerb der Aktien. Vereinbart wird in der Regel ein Barausgleich, das sogenannte “Cash Settlement”. Wenn sich die Banken bereits jetzt mit Aktien eingedeckt haben, um das Kursrisiko zu eliminieren, handelt es sich zunächst um eine zulässige Hedging-Strategie, die mangels Lieferanspruch des Swap-Partners für sich genommen noch keine Zurechnung rechtfertigt. Wird der Swap gekündigt, verlieren die Aktien ihre Bedeutung als Hedge-Instrumente. Die Banken können sie dann behalten oder verkaufen. Allerdings hindert es die Parteien der Swap-Vereinbarung nicht daran, den Vertrag später so abzuändern, dass statt des Barausgleichs die Aktien geliefert werden. Dann erst liegt ein Lieferanspruch und damit auch die Meldepflicht vor. – Diese Konstruktion löst also kein Pflichtangebot aus?Eine mögliche Zurechnung der Aktien betrifft auch die Frage, ob ein Pflichtangebot hätte abgegeben werden müssen. Hier setzen das WpÜG und die Rechtsprechung ziemlich enge Grenzen. Ich habe große Zweifel, dass die Stimmrechte aus den Aktien, auf die sich die Swaps beziehen, dem Unternehmen schon zuzurechnen waren. – Bleibt der mögliche Vorwurf des Insiderhandels?Inwieweit Insiderhandel vorgelegen hat, lässt sich mit Blick von außen nicht beurteilen. – Welche Instrumente können für einen verdeckten Beteiligungsaufbau eingesetzt werden?Alle Instrumente, die keinen rechtlich bindenden Anspruch auf Lieferung von Aktien mit Stimmrecht geben, dürften nicht meldepflichtig sein. Der Equity Total Return Swap bietet sich deshalb an. Denkbar sind aber auch andere derivative Instrumente, die es den Banken ermöglichen, entsprechende Aktienpositionen aufzubauen, das Kursrisiko auf den Kunden transferieren und diesem bei Bedarf die Möglichkeit geben, von “Cash Settlement” auf Verschaffung der Aktien umzuschalten. – Was nutzen gesetzliche Meldeschwellen, wenn Sie relativ leicht umgangen werden können?Zunächst einmal ist es nicht Sinn und Zweck des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), feindliche Übernahmen zu verhindern. Die umfassenden Meldepflichten bestehen, um Markttransparenz zu schaffen. Rechtlich unverbindliche Verhaltensweisen werden von diesem System grundsätzlich nicht erfasst. Will man das ändern, ist man in einer Grauzone. Jeder Marktteilnehmer sollte jedoch wissen, was erlaubt ist und was nicht. – Inwieweit wird ein solches Vorgehen wie von Schaeffler auch nach dem neuen Risikobegrenzungsgesetz möglich sein?In Zukunft werden Aktien und Optionen zusammengezählt. Schaeffler wäre dann in Bezug auf die aktuell im eigenen Bestand gehaltenen Finanzinstrumente meldepflichtig gewesen, da diese zusammen mehr als 5 % des Grundkapitals repräsentieren bzw. einen Zugriff ermöglichen. – Wie sähe es für die Swaps aus?In Bezug auf die von den Banken im Hinblick auf die Swaps erworbenen Aktien habe ich erhebliche Zweifel an einer Meldepflicht nach den neuen Regeln. Zwar wird durch das Risikobegrenzungsgesetz die Zurechnung von Stimmrechten wegen abgestimmten Verhaltens (“acting in concert”) verschärft. Jedoch muss das Verhalten auf die Änderung bzw. Beeinflussung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten gerichtet sein. Zweck der Aktienerwerbe der Banken ist ihre Absicherung gegen Kursschwankungen. Eine darüber hinausgehende Absicht ist nicht ohne weiteres erkennbar. – Ändert sich künftig etwas an den Sanktionen? Es werden auch strengere Sanktionen bei Verletzung von Meldepflichten eingeführt. So sollen die Rechte aus den Aktien künftig nicht nur bis Nachreichen der Mitteilung ausgesetzt werden, sondern darüber hinaus auch für die sechs darauffolgenden Monate. Übrigens: In Großbritannien, dessen Takeover Code auch Vorbild für das WpÜG ist, wäre das Vorgehen von Schaeffler vermutlich beanstandet worden. Dort hat das Takeover Panel bereits 2005 die Offenlegung von Swaps im Rahmen einer Übernahme durchgesetzt. – Wie kann sich ein Unternehmen wie Continental gegen solche Attacken schützen? Während eines Übernahmeangebots dürfen nur Abwehrhandlungen ergriffen werden, die dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entsprechen oder von einer Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung gedeckt sind. Dies betrifft Pflichtangebote und freiwillige Angebote gleichermaßen. Zulässig ist stets die Suche nach einem “weißen Ritter”, also einem konkurrierenden Bieter, mit dem sich die eigenen strategischen Vorstellungen besser verwirklichen lassen. – Und außerhalb einer Offerte? Außerhalb der Übernahmesituation sind auch andere, vor allem aus dem angelsächsischen Raum stammende Abwehrmaßnahmen denkbar. Eine “Pac-Man Defense”, also die Übernahme von Schaeffler durch Conti, kommt bei dem nicht börsennotierten Familienunternehmen Schaeffler nicht in Frage. Im Übrigen müsste für diesen Schritt ausreichend Kapital beschafft werden. Angesichts des ohnehin angeschlagenen Conti-Aktienkurses wäre es nicht naheliegend, diesen durch eine notwendige Kapitalerhöhung weiter zu verwässern. Dr. Jan Wildberger ist Rechtsanwalt und Partner bei der Haarmann Partnerschaftsgesellschaft. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.