RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: DANIEL WEISS

Gesetzespläne zu Lieferketten stoßen auf große Bedenken

Unternehmen befürchten Schadenersatzklagen

Gesetzespläne zu Lieferketten stoßen auf große Bedenken

Herr Weiß, worum geht es in dem geplanten Lieferkettengesetz?Das Vorhaben unter dem Arbeitstitel “Sorgfaltspflichtengesetz” will in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten zu verantwortlichem Handeln in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte anhalten. Der Begriff der Menschenrechte wird hierbei weit verstanden und soll insbesondere Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, problematische Arbeitsbedingungen und Gesundheitsgefährdung umfassen. Darüber hinaus werden auch Umweltdelikte und Korruption mit menschenrechtlichem Bezug einbezogen. Welche Pflichten sollen den Unternehmen auferlegt werden?Das Gesetzeskonzept sieht vor, dass die Unternehmen mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte zu bewerten haben. Außerdem sollen sie Maßnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen ergreifen und einer Effizienzkontrolle unterziehen. Beschwerdemechanismen sollen eingerichtet werden, die eine frühzeitige Identifizierung derartiger Rechtsverletzungen erlauben. Schließlich sollen die Unternehmen umfassend über ihre diesbezüglichen Aktivitäten im Internet berichten. Dies alles soll für die gesamte Lieferkette, je nach Interpretation des Konzepts möglicherweise sogar in Bezug auf sämtliche Unternehmensaktivitäten gelten. Damit sind die Pflichten sehr weitgehend und unbestimmt formiert?Das ist in der Tat eines der zentralen Bedenken. Das Gesetzesvorhaben versucht den Pflichtenumfang dadurch zu begrenzen, indem das geforderte Risikomanagement auf verhältnismäßige und zumutbare Maßnahmen beschränkt werden soll. Dies wiederum soll sich an der Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts, der möglichen Schadenshöhe und der Einwirkungsmöglichkeiten des betroffenen Unternehmens orientieren. Möglicherweise könnten künftig Branchenstandards dazu dienen, diese unscharfen Konzepte zu konkretisieren. Welche Sanktionen drohen im Fall von Verstößen?Es ist vorgesehen eine Überwachungsbehörde auf Bundesebene einzurichten, die befugt ist bei Verstößen ein Bußgeld zu verhängen. Für schwerwiegende Verstöße soll außerdem ein Registereintrag sowie eine Sperre bei der Vergabe öffentlicher Aufträge drohen. Schließlich sieht das Gesetzeskonzept vor, dass private Betroffene vor deutschen Gerichten Schadenersatzklagen erheben können. Gibt es vergleichbare Gesetze in anderen Ländern?Australien, das Vereinigte Königreich und Kalifornien haben Gesetze erlassen, die sich auf moderne Sklaverei und Menschenhandel fokussieren. Sie verpflichten zu Transparenz, ohne Schadensersatzansprüche Geschädigter zu begründen. In den Niederlanden wurde eine gesetzliche Prüfungspflicht mit Blick auf Kinderarbeit beschlossen, die allerdings noch nicht in Kraft getreten ist. Die bislang umfangreichste Regelung findet sich in Frankreich. Dort bestehen Sorgfaltspflichten hinsichtlich jeder Art von Menschenrechtsverstößen, deren Verletzung die Möglichkeit von Schadensersatzklagen eröffnet. Andere Länder haben Aktionspläne auf Basis der UN-Leitprinzipien für Menschenrechte geschaffen, denen bislang allerdings keine verbindlichen Rechtsnormen gefolgt sind. Schließlich ist der Entwurf einer EU-Richtlinie erwähnenswert, wobei das Verfahren noch ganz am Anfang steht. Wo steht der Gesetzgebungsprozess in Deutschland?Derzeit gibt es noch keinen veröffentlichten Entwurf, sondern lediglich ein Eckpunktepapier. Dieses ist in der Bundesregierung und der öffentlichen Debatte umstritten. Vertreter der Wirtschaft begrüßen das Vorhaben teilweise, kritisieren dieses jedoch überwiegend als Belastung zur Unzeit. Hervorgehoben werden die Risiken von Schadenersatzklagen. Außerdem wird bezweifelt, dass es praktikabel wäre, die vielfältig verzweigten Lieferketten bis ins letzte Glied zu prüfen und Missständen gegebenenfalls in fernen Landen abzuhelfen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Kritik in konzeptionellen Anpassungen des Gesetzesvorhabens niederschlagen und eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode gelingen wird. Dr. Daniel M. Weiß ist Partner von Hengeler Mueller in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.