RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: SVEN SCHELO

Gesetzgeber behebt Schwächen in Abwicklungsplanung für Banken

Verfügbarkeit verlässlich herabschreibbarer Verbindlichkeiten stärker im Fokus

Gesetzgeber behebt Schwächen in Abwicklungsplanung für Banken

Herr Dr. Schelo, die EU hat im Rahmen des Bankenpakets zahlreiche Änderungen unter anderem an der Bankenabwicklungsrichtlinie vorgenommen. Im April folgte der Referentenentwurf für ein Risikoreduzierungsgesetz, das die Neuerungen im deutschen Recht verankern soll. Bringt die Reform das Bankenabwicklungsrecht voran, wenn sie Ende des Jahres in Kraft tritt?Das Bankenabwicklungsrecht stellt den Abwicklungsbehörden bereits heute ein umfangreiches Portfolio an Instrumenten und Kompetenzen zur Verfügung. Aber das allein reicht für eine erfolgreiche Bankenabwicklung nicht aus. Ebenso entscheidend ist, dass es eine solide und realistische Abwicklungsplanung für die Institute gibt. Im Fall einer Abwicklung ist Zeit ein knappes Gut. Daher ist es richtig, dass die anstehenden Gesetzesänderungen gerade die Planung in den Fokus nehmen. Wo besteht Nachholbedarf?Besonders bei den Regeln für die sogenannten berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten. Es geht darum, den Mindestanforderungen für die Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten – auch als MREL bezeichnet – ein größeres Gewicht in der Abwicklungsplanung zuzuweisen. Diese Verbindlichkeiten sollen im Ernstfall zuverlässig per Bail-in heruntergeschrieben werden können. Mit der Neuregelung geht der Gesetzgeber eindeutig eine Schwäche des bisherigen rechtlichen Rahmens für die Abwicklungsplanung an. Weshalb kommt gerade den berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten Bedeutung zu?Das europäische Abwicklungsrecht wurde geschaffen, um nicht noch einmal die Steuerzahler heranzuziehen, falls eine Bank in Schieflage gerät. Gleichzeitig darf eine Abwicklung aber nur angeordnet werden, wenn sie einem der gesetzlich festgelegten Abwicklungsziele dient. Also zum Beispiel dem Schutz der Finanzstabilität oder der gedeckten Einlagen. Um die Beteiligung der Anteilseigner und Gläubiger an den Verlusten sicherzustellen und zugleich das Institut bei Bedarf fortführen zu können, muss die Verlusttragung – und auch eine Rekapitalisierung – glaubwürdig aus der Bankbilanz erfolgen können. Und zwar ohne dafür auf fortführungsrelevante Teile der Verbindlichkeiten zurückgreifen zu müssen. Der Verfügbarkeit verlässlich herabschreibbarer Verbindlichkeiten kommt auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Einsatz von Mitteln aus dem einheitlichen Abwicklungsfonds stets ein Mindestmaß an Verlusttragung durch Anteilseigner und Gläubiger voraussetzt. Wie soll zukünftig sichergestellt werden, dass diese Verbindlichkeiten im Ernstfall auch zur Verfügung stehen?Auch bislang gibt es schon Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Verbindlichkeit für die MREL-Quote Berücksichtigung findet. Der Kriterienkatalog wird im Zuge der Neuregelung aber deutlich erweitert. Da die Durchführbarkeit eines Bail-ins praktisch nur zu gewährleisten ist, wenn der Kern der dafür vorgesehenen Verbindlichkeiten nicht kurzfristig abgezogen wird oder erlischt, werden die Anforderungen an die zugrundeliegenden vertraglichen Abreden verschärft. Es geht hier um Aspekte wie zum Beispiel den Ausschluss von Kündigungsmöglichkeiten und das Verbot der Aufrechnung. Es wird aber auch zusätzliche Regeln für den Nachrang sowie für den Vertrieb von Nachrangverbindlichkeiten geben. Zudem wird die Verlusttragung innerhalb von Bankengruppen klarer geregelt. Letzteres ist von großer praktischer Relevanz, weil viele Bankengruppen für die Abwicklungsplanung aufgrund individueller Besonderheiten eine Herausforderung darstellen. Mehr nachrangige Verbindlichkeiten auf die Bilanz zu nehmen, ist für die Banken aber zunächst vor allem ein Kostenfaktor.Ja, das trifft zu. Aber die vorgesehenen Neuregelungen lassen Spielraum, um die Situation eines Instituts individuell zu bewerten und zu einer risikoangemessenen Einschätzung zu gelangen. Nicht in jedem Fall müssen Verbindlichkeiten nachrangig sein, um als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten eingestuft zu werden. Es wird darauf ankommen, das Thema Abwicklungsplanung proaktiv anzugehen und die verfügbaren Spielräume zu nutzen. Dr. Sven Schelo ist Partner der Kanzlei Linklaters. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.