Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Wilhelm Reinhardt

Gesetzgeber erschwert Anschleichen an deutsche Übernahmeziele

Emittenten sollen vor heimlichem Beteiligungsaufbau geschützt werden

Gesetzgeber erschwert Anschleichen an deutsche Übernahmeziele

– Herr Dr. Reinhardt, am 11. Februar hat der Bundestag das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz beschlossen. Sind Cash Settled Swaps à la Schaeffler/Continental oder Porsche/VW nun Geschichte?Zunächst einmal muss das Gesetz den Bundesrat passieren. Selbst wenn dies planmäßig Mitte März geschieht, treten die neuen Transparenzregeln frühestens am 1. Januar 2012 in Kraft. Dann allerdings wird der Einsatz der prominenten Barausgleichsinstrumente bei feindlichen Übernahmen in der Tat hinfällig.- Können sich Angreifer künftig also nicht mehr hinter Finanzinstrumenten verstecken?Gegen ausgeklügelte Transaktionsstrukturen im Einzelfall gibt es natürlich keine Patentlösung. Richtig ist aber, dass die vielerorts als zu eng und formalistisch empfundenen Meldepflichten zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geöffnet werden. Das Konzept ist etwa in England als “similar economic effect” und in den USA als “beneficial ownership” etabliert. Nunmehr sollen auch in Deutschland alle Instrumente erfasst werden, die den Erwerb von Stimmrechten “ermöglichen”. Gemeint ist, dass der spätere Aktienerwerb der “wirtschaftlichen Logik” der Transaktion entspricht, selbst wenn er rechtlich nicht erzwungen werden kann. Das erhöht die Flexibilität in der Rechtsanwendung, geht aber auf Kosten der Rechtssicherheit.- Was heißt hier “wirtschaftliche Logik”?Vor allem werden Geschäfte erfasst, die am Ende ihrer Laufzeit zwar lediglich einen Barausgleich vorsehen, de facto aber häufig mit einem physischen Hedging durch die Gegenseite einhergehen. Dazu zählen insbesondere Cash Settled Swaps. Meldepflichtig werden aber z. B. auch PutOptionen, bedingte Erwerbsrechte oder Rückforderungsansprüche aus Wertpapierleihe.- Sind das nicht zum Teil Standardverträge, die mit dem Anschleichen nichts zu tun haben?Richtig. Mit derartigen Auffangklauseln werden neben einzelnen Umgehungsversuchen auch viele alltägliche Fallgestaltungen reguliert. Beispiele sind M & A-Verträge mit üblichen Vollzugsbedingungen oder Irrevocable Undertakings im Vorfeld eines Übernahmeangebots. Ferner stehen die gängigen Vorkaufsrechte und Andienungspflichten in Gesellschaftervereinbarungen auf dem Prüfstand. Problematisch wird sein, dass der Markt diese Vielzahl von Informationen erhalten wird und Wichtiges darin unterzugehen vermag.- Wie lässt sich das Problem der Informationsflut lösen?Viel wäre schon gewonnen, wenn Bundesfinanzministerium bzw. BaFin die Bestimmung durch Verordnung konkretisieren. Insbesondere könnten Listen meldepflichtiger (“Black List”) und meldefreier (“White List”) Instrumente erstellt werden. Aus Investorensicht wäre das ein Mehr an Transaktionssicherheit. Die Aufsichtsbehörden behielten zugleich ihre Hoheit, auf neuartige Gestaltungsstrategien umgehend zu reagieren.- Was droht bei Verstößen?Verglichen mit dem bisherigen Melderegime für Finanzinstrumente werden die Sanktionen fühlbarer. Das Bußgeld kann bis zu 1 Mill. Euro betragen. Im Gespräch ist derzeit allerdings, auch noch das schärfste Schwert, den Stimmrechtsverlust, zum Einsatz zu bringen. Alternativ ist die Abschöpfung eventueller Gewinne ins Spiel gebracht worden. Ob sich derartige Eingriffe mit der bis dato einmaligen Unbestimmtheit der Regeln vertragen, ist jedoch zweifelhaft. Die BaFin hat dem Vernehmen nach jedenfalls Bedenken geäußert.- Sind auch von europäischer Seite Impulse zu erwarten?Auf EU-Ebene liegen in der Tat mehrere Studien bzw. Vorschläge vor. Zuletzt hat die Kommission signalisiert, dass eine Meldepflicht für Barausgleichsinstrumente überwiegend befürwortet wird.- Besteht jetzt schon Handlungsbedarf?In Bezug auf vorhandene Positionen sollte man bedenken, dass diese innerhalb von 30 Handelstagen nach Inkrafttreten der neuen Transparenzregel aufzudecken sein werden. Finanzdienstleister müssen sich rechtzeitig auf eine grundlegende Umstellung ihrer internen Compliance-Systeme einstellen.—-Dr. Wilhelm Reinhardt ist Partner im Frankfurter Büro von Latham & Watkins. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.